Aktueller Trend und die im Einzelfall bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigenden Voraussetzungen

Beitrag als PDF (Download)

Dass die Finanzierung von Schiedsverfahren in den letzten Jahren beständig an Fahrt zugenommen hat, ist bekannt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Folgefrage, ob Finanzierungskosten, d. h. die Kosten, die im Fall einer erfolgreichen Rechtsdurchsetzung aufgrund eines Finanzierungsvertrags entstehen, erstattungsfähig sind. Wenn die Erfolgsgebühr eines Finanzierers erstattungsfähig wäre, könnte das Schiedsgericht diese im Rahmen der Kostenentscheidung zusätzlich zur Erstattung der Anwaltskosten, der Kosten des Schiedsgerichts und der Kosten der Schiedsinstitution zusprechen. Das hätte für die erfolgreiche Partei den Vorteil, dass sie die Finanzierungskosten nicht aus ihrem Erlösanteil selbst zahlen müsste. Ob und unter welchen Voraussetzungen Finanzierungskosten erstattungsfähig sind, ist international und national nicht abschließend geklärt. Über die Grenzen hinweg ist aber ein Trend zu einer Erstattungsfähigkeit zu erkennen. Zuletzt hat beispielsweise der englische High Court im Dezember 2021 in der Sache „Tenke Fungurume Mining SA gegen Katanga Contracting Services S.A.S. [2021] EWHC 3301 (Comm)“ seine Rechtsprechung bestätigt, nach der Schiedsgerichte Finanzierungskosten grundsätzlich zusprechen können.

Aus deutscher Sicht sind § 1057 ZPO und Art. 32 DIS-SchO Ausgangspunkt, um die Frage zu beantworten, ob Finanzierungskosten erstattungsfähig sind. Konkret ist zu beurteilen, ob Erfolgsgebühren von Finanzierern „notwendige Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens“ bzw. „im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren anfallende angemessene Aufwendungen“ darstellen. Da ausländische Schiedsgesetze und andere Schiedsgerichtsordnungen in der Regel ähnliche Formulierungen enthalten, stellen sich meist zwei Fragen: Im ersten Schritt ist zu klären, ob und unter welchen Voraussetzungen Finanzierungskosten überhaupt Kosten oder Aufwendungen des Schiedsverfahrens darstellen und damit erstattungsfähig sein können. Wird diese Frage bejaht, ist im zweiten Schritt zu überlegen, wann entstandene Finanzierungskosten im Einzelfall angemessen sind.

Finanzierungskosten sind grundsätzlich erstattungsfähig

Im Ergebnis spricht viel dafür, dass Finanzierungskosten in Schiedsverfahren – wie auch zulässige rechtsanwaltliche Erfolgshonorare – grundsätzlich erstattungsfähig sind, wenn sie durch ein Schiedsverfahren verursacht worden sind. Dies sollte nach unserer Auffassung insbesondere unabhängig von einschränkenden Kriterien wie etwa der Mittellosigkeit des Klägers gelten. Denn die Besonderheiten des Einzelfalls können auf der zweiten Prüfungsebene im Rahmen der Angemessenheit hinreichend berücksichtigt werden.

Deutsches Recht: Tendenz pro Erstattungsfähigkeit

Soweit uns bekannt ist, hat sich die Frage nach der Erstattungsfähigkeit von Finanzierungskosten in der deutschen Rechtsprechung noch nicht gestellt. Für eine Erstattungsfähigkeit spricht zunächst aber der offene Wortlaut der Normen („Kosten“ bzw. „Aufwendungen“), der auch Finanzierungskosten einbezieht. Für eine Erstattungsfähigkeit sprechen zudem Sinn und Zweck der Kostenerstattung. Denn diese soll den erfolgreichen Kläger so stellen, wie er ohne das Schiedsverfahren und bei ordnungsgemäßem Verhalten der Gegenpartei gestanden hätte. Dies spricht für die Erstattungsfähigkeit von Finanzierungskosten, weil ein erfolgreicher Kläger diese andernfalls aus der erstrittenen Summe selbst zahlen müsste. In diesem Zusammenhang weisen Wilske/Markert zudem überzeugend darauf hin, dass der Schutz der Beklagtenpartei nicht grundsätzlich gegen die Erstattungsfähigkeit von Erfolgshonoraren spricht (Wilske/Markert, Zur Erstattungsfähigkeit des Erfolgshonorars in Schiedsverfahren, in: Festschrift Geimer, Fairness, Justice, Equity, 2017, S. 795, 804 f.). Denn auch eine erfolgreiche Klagepartei ist schutzwürdig. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn es ihr ohne die Finanzierung nicht möglich ist, ihr Recht überhaupt durchzusetzen. Nicht überzeugend ist es jedenfalls, die Erstattungsfähigkeit pauschal mit dem Argument zu verneinen, der Anspruch auf ein Erfolgshonorar entstehe erst mit Erlass eines Schiedsspruchs. Der Grund dafür ist, dass auch zum Zeitpunkt der Einreichung eines Kostenantrags bereits eine hinreichend konkrete vertragliche Verpflichtung auf Zahlung der Erfolgsgebühr besteht.

Ausländisches Case Law: Bestätigung der Erstattungsfähigkeit

Die Erstattungsfähigkeit von Finanzierungskosten ist zudem von einer wachsenden Anzahl von internationalen Schiedsgerichten, aber auch im Rahmen des ICC Commission Report „Decisions on Costs in International Arbitration“ von 2015 (Offprint from ICC Disp. Resol. Bull. 2015/2, S. 17) bereits bejaht worden. Nachdem Finanzierungskosten zunächst vor allem in Investitionsschiedsverfahren zugesprochen worden sind (z.B. Khan Resources und andere v. Mongolia, Schiedsspruch v. 2.3.2015, PCA Case No 2011-09), sprach der englische High Court mit einer bahnbrechenden Entscheidung vor über fünf Jahre in der Rechtssache „Essar Oilfield Services Ltd gegen Norscot Rig Management Pvt Ltd [2016] EWHC 2361 (Comm)“ Finanzierungskosten auch im Rahmen der Handelsschiedsgerichtsbarkeit zu. Mit der Entscheidung hielt das Gericht einen ICC-Schiedsspruch aufrecht, nach dem der Beklagte die Finanzierungskosten des Klägers zu tragen hatte. Unter Berufung auf den offenen Wortlaut der ICC-Schiedsregeln sowie des englischen Schiedsrechts entschied das Schiedsgericht, dass es für die Zuerkennung von Finanzierungskosten grundsätzlich zuständig ist. In der Sache berücksichtigte es dabei im Wesentlichen die folgenden Umstände: erstens das verwerfliche Verhalten der Beklagten, das weit über reine Vertragsverletzungen hinausging und Auslöser für die Einleitung des Schiedsverfahrens war; zweitens die Mittellosigkeit der Klägerin, die durch die Beklagte mitverursacht worden war; und drittens die Tatsache, dass der Beklagten die Mittellosigkeit der Klägerin bekannt war und sie wissen musste, dass diese keine andere Wahl hatte, als sich um die Finanzierung des Schiedsverfahrens zu bemühen. Zur Begründung griff das Gericht zusätzlich auf Fairnesserwägungen zurück und argumentierte, dass ein Schiedsgericht Finanzierungskosten berücksichtigen können müsse, die derart unmittelbar von der unterlegenen Partei verursacht worden seien.

Mit Urteil vom 7. Dezember 2021 bestätigte der High Court in der Sache Tenke Fungurume Mining SA vor Kurzem die Essar-Rechtsprechung und erweiterte gleichzeitig die Voraussetzungen für die Erstattung von Finanzierungskosten. In diesem Rechtstreit, dem ebenfalls ein Aufhebungsverfahren zugrunde lag, beschäftigte sich der High Court mit dem Schiedsspruch eines ICC-Schiedsgerichts mit Sitz in London. Das Schiedsgericht hatte die Finanzierungskosten als „sonstige Kosten“ des Schiedsverfahrens auf Grundlage des englischen Rechts und der ICC-Regeln zugesprochen. Die Finanzierung bestand in diesem Fall in einem Gesellschafterdarlehen in Höhe von 1,3 Millionen Euro, das als Vergütung eine Erfolgsgebühr vorsah. Der High Court entschied dabei, dass das Schiedsgericht die Finanzierungskosten zusprechen durfte, unabhängig davon, ob die finanziellen Schwierigkeiten des Klägers durch die Beklagten verursacht worden sind oder nicht.

Im Anschluss an die Essar-Entscheidung haben Forderungen nach der Erstattung von Finanzierungskosten in Schiedsverfahren insgesamt zugenommen. Infolgedessen haben Schiedsgerichte auch bei Anwendung anderer Schiedsregeln und nationaler Gesetze Finanzierungskosten zugesprochen. In dem SIAC-Schiedsverfahren „Blair James Speers & Graham Paul Johnson gegen Makemytrip Limited & Hotel Travel Limited (SIAC Case No. ARB169/16/AB)“ mit Sitz in Singapur stellte das Schiedsgericht mit Schiedsspruch vom 9. Juni 2020 beispielsweise fest, dass es befugt ist, den Klägern die Erstattung von Finanzierungskosten zuzusprechen, solange diese im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren entstanden sind. Grundlage der Entscheidung war eine „extrem weit gefasste“ Bestimmung in der SIAC-Schiedsgerichtsordnung zur Kostentragungspflicht, nach der ein Schiedsgericht „alle oder einen Teil der Rechtskosten oder sonstigen Kosten einer Partei“ zusprechen kann. Wir können zuletzt bestätigen, dass einer von Omni Bridgeway finanzierten Partei in einem kürzlich nach den ICC-Regeln durchgeführten Schiedsverfahren mit Sitz in Singapur Finanzierungskosten aus ähnlichen Erwägungen zugesprochen worden sind.

Angemessenheit der Finanzierungskosten: Ermessensentscheidung der Schiedsgerichte

In Bezug auf die im zweiten Schritt zu prüfende Angemessenheit der Finanzierungskosten dürfte Schiedsgerichten grundsätzlich ein weites Ermessen zustehen. Im Rahmen von DIS-Schiedsverfahren ergibt sich dies bereits aus Art. 33.3 DIS-SchO, wonach das Schiedsgericht die Kostenentscheidungen nach seinem Ermessen trifft. Auch bei Anwendung der ZPO ist Schiedsgerichten aber ein Entscheidungsspielraum eingeräumt, weil sich die Beurteilung der Notwendigkeit der aufgewendeten Kosten danach richtet, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte. Denn auf dieser Grundlage darf ein Schiedsgericht Kosten zusprechen, wenn ihm diese plausibel erscheinen (OLG München, SchiedsVZ 2017, S. 40, 46). Bei der Ausübung des Ermessens können und müssen die Schiedsgerichte eine Vielzahl von Aspekten berücksichtigen.

Höhe der Finanzierungskosten

Die Höhe der Finanzierungskosten dürfte im Rahmen der Kostenentscheidung jedenfalls eine Rolle spielen. Erstattungsfähig sind Finanzierungskosten dabei wohl jedenfalls dann, wenn sie in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Rechtsanwaltskosten der Gegenseite stehen. Aber wie auch unterschiedlich hohe Rechtsanwaltskosten einer Erstattungsfähigkeit nicht grundsätzlich entgegenstehen, sind Finanzierungskosten nicht allein deswegen unangemessen, weil sie die gegnerischen Anwaltskosten übersteigen. In diesem Sinne hat beispielsweise der High Court in der Essar-Entscheidung marktübliche Finanzierungskosten in Höhe des dreifachen Betrags der finanzierten Rechts- und Schiedsgerichtskosten zugesprochen. In Katanga hat der High Court zudem klargestellt, dass dem Gericht in Bezug auf die Angemessenheit ein großes Ermessen zusteht, und im Anschluss knapp festgestellt, dass die durch die Finanzierung konkret angefallenen Kosten in Höhe des einfachen Betrags der finanzierten Rechts- und Schiedsgerichtskosten plus einem prozentualen Anteil angemessen waren.

Wirtschaftliche Situation des Klägers

Auch die wirtschaftliche Notlage des Klägers ist ein Argument, das für die Erstattungsfähigkeit von Finanzierungskosten sprechen kann. Schließlich hat dieses Kriterium den Grundstein für die englische Rechtsprechung pro Erstattungsfähigkeit von Finanzierungskosten gelegt. Bei wirtschaftlicher Not des Klägers bestehen insbesondere an der kausalen Verbindung zwischen Kosten und Schiedsverfahren keine Zweifel. Die Erstattungsfähigkeit von Finanzierungskosten dürfte aber auch nicht grundsätzlich auf mittellose Kläger beschränkt sein. Denn es spricht viel dafür, dass auch Parteien, die eine Finanzierung aus rein wirtschaftlichen Erwägungen einsetzen, beispielsweise um Prozessrisiken abzusichern, eine Erstattung begehren können. In diesem Sinne stellte beispielsweise das SIAC-Schiedsgericht in dem Verfahren Blair James Speers fest, dass es auch für einen Kläger mit beträchtlichen Mitteln „wirtschaftlich völlig vernünftig“ sei, einen Finanzierungsvertrag abzuschließen. Das bedeutet, dass der Grund für die Finanzierung für das Schiedsgericht bei der Kostenentscheidung keine Bedeutung spielte. Weil sich die Finanzierung aus allgemeinen wirtschaftlichen Erwägungen in der Schiedsgerichtsbarkeit insgesamt immer mehr durchsetzt, dürfte zudem eine objektiv begründete Markterwartung für eine Erstattungsfähigkeit von Finanzierungskosten bestehen. Diese Markterwartung zeigt sich beispielhaft etwa an der Ausgestaltung von Handelsverträgen. Denn nach unserer Erfahrung beinhalten diese immer häufiger sogenannte Indemnity Clauses, die explizit klarstellen, dass bei Verschulden der Gegenpartei auch kausal verursachte Finanzierungskosten als Rechtsverfolgungskosten erstattungsfähig sind.

Offenlegung der Finanzierung

Ein weiterer Aspekt, der in die Interessenabwägung einzustellen sein kann, ist, ob und wann die Finanzierung im Schiedsverfahren offengelegt worden ist. Wie die Entscheidung in der Sache Tenke Fungurume Mining SA gezeigt hat, spricht eine Offenlegung zu einem späten Zeitpunkt – in dem dortigen Sachverhalt erst im Rahmen der Kostenanträge – zwar nicht grundsätzlich gegen eine Erstattungsfähigkeit der Kosten. Wenn die Finanzierung erst zu einem späten Zeitpunkt offengelegt wird, kann dies vom Gericht aber als Benachteiligung der anderen Partei angesehen werden. Denn diese hat dann keine Möglichkeit einzuschätzen, welche Kosten auf sie im Fall eines negativen Prozessausgangs zukommen [so auch zum anwaltlichen Erfolgshonorar Trittmann, in: Kostenerstattung im Schiedsverfahren, ZVglRWiss 114 (2015), S. 469, 487]. Vor diesem Hintergrund dürfte aus unserer Sicht eine frühzeitige Offenlegung der Finanzierung dann anzuraten sein, wenn bereits entschieden ist, dass im Rahmen der Kostenanträge die Erstattung der Finanzierungskosten beantragt werden soll.

Zusammenfassung und Ausblick

Insgesamt ist ein Trend erkennbar, dass Schiedsgerichte zunehmend mit finanzierten Schiedsverfahren vertraut sind. Als Folge dieser Entwicklung ist auch sichtbar, dass Schiedsgerichte Finanzierungskosten heute häufiger im Rahmen der Kostenentscheidung zusprechen. Insbesondere dürfte viel dafür sprechen, dass Finanzierungskosten grundsätzlich erstattungsfähig sind. Im Einzelfall müssen die Schiedsgerichte im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens aber entscheiden, ob die konkret angefallenen Finanzierungskosten angemessen sind. Bei der Beantwortung dieser Fragen werden die Schiedsgerichte einzelfallorientiert eine Vielzahl von Aspekten berücksichtigen müssen.

mmetz@omnibridgeway.com

Aktuelle Beiträge