Digitalisierung ist das Thema unserer Generation schlechthin, und die digitale Transformation des Rechtsmarkts ist in aller Munde – allein, wir scheinen nicht recht voranzukommen! Seit über 50 Jahren gibt es Legal-Tech, und mit dem Legal-Tech-Hype ab 2015 wurden die Erwartungen immer weiter in die Höhe geschraubt – umgesetzt aber wurde wenig. Die meisten Juristen arbeiten mehr oder weniger noch immer wie gewohnt, und auch die Ausbildung hat sich nicht grundlegend verändert. Vielfach sprechen Kolleginnen und Kollegen deshalb von frustrierten Erwartungen: Versprochen wurden magische Maschinen, welche die Arbeit der Juristen vereinfachen oder sogar übernehmen sollten, die Realität sind jedoch missglückte IT-Projekte, die sich über Jahre ziehen und dann oft nicht annähernd den versprochenen Return on Investment erbringen.
Digitalisierung – ohne Kollaboration geht es nicht
Im Liquid Legal Institute haben wir uns deshalb innerhalb der Arbeitsgruppe „Digitalisierung“, einer von insgesamt sechs verschiedenen Arbeitsgruppen, mit der Frage beschäftigt, was ein gelungenes Digitalisierungsprojekt ausmacht, wo die Probleme liegen, und inwiefern sich Pro-jekte im juristischen Umfeld von klassischen IT-Projekten unterscheiden. All dies ist nachzulesen in unserem „Digi-Guide“, einer frei verfügbaren Kurzstudie von Praktikern für Praktiker, in der zwölf Autoren ein Konzept vorlegen, Gelerntes in Form von Best Practices teilen und Hilfestellung geben. So ist der Inhalt schon hilfreich, doch auch die Entstehungsgeschichte des „Digi-Guide“ ist einzigartig: Es ist ein digitales Gemeinschaftswerk und basiert auf offener, virtueller Kollaboration, einem agil orchestrierten Zusammenwirken verschiedener Experten. Nur über LinkedIn und unsere Homepage publiziert, ist er bereits hundertfach heruntergeladen worden.
Diese Struktur der Zusammenarbeit ist unsere Triebfeder und der tief in unserer Satzung verankerte Sinn des Instituts. Er fußt auf der Erkenntnis, dass die Transformation eine Herkulesaufgabe ist; für den Einzelnen zu komplex und letztlich nur durch eine Gemeinschaft der Willigen zu bewältigen. Wir haben uns zusammengeschlossen, weil wir in der Kollaboration und in der Einbeziehung aller Stakeholder im Rechtsmarkt den einzig vernünftigen und verfügbaren Hebel sehen, um bei der Transformation mitzuhalten.
Damit ernsthafte Kollaboration gelingt und zu relevanten Ergebnissen führt, müssen drei Dinge zusammenkommen:
- eine gemeinsame Motivation
- eine tragfähige Vertrauensbasis
- eine agile Umgebung, welche die inhaltliche Arbeit erleichtert
Doch Kreativität für neue Ideen, die Inspiration für neues Denken braucht noch etwas – Diversität! Die Einbeziehung aller Akteure im Rechtsmarkt ist in unserer Satzung verankert, und die Arbeiten an einem strukturierten und nachhaltigen „Diversity-Framework“ für das Institut laufen.
Kollaboration braucht eine starke Kultur
Im Liquid Legal Institute geht es uns also in erster Linie um eine gemeinsame Kultur, eine besondere DNA. Denn es treffen sich im Liquid Legal Institute zuallererst Menschen, die dann als Experten, Repräsentanten ihrer Firmen oder Unternehmer, als Innovatoren, Freunde und Konkurrenten zusammenwirken. Als Liquid Legal Institute schaffen wir ganz bewusst einen Projekt- und Begegnungsraum für alle Teilnehmer des Rechtsmarkts – unabhängig davon, ob es sich um Juristen handelt. Wir bieten eine sichere und neutrale Basis für die Begegnung und den Austausch von Menschen, die sich freiwillig einem Ziel verpflichten.
Der Mensch mit seinen Stärken und Schwächen – das ist unser Ausgangspunkt! Das mag vielleicht pathetisch klingen, aber wir sehen in dieser Rückbesinnung auf den Menschen die größte Chance für ein Gelingen der Transformation! Zu lange haben wir uns zu sehr auf Ma-schinen, Prozesse und die Kommodisierung des Rechts fokussiert, ohne den einzelnen Menschen an die Hand und mit auf die Reise zu nehmen.
Neue Studie: „Lawyer Well-Being“
Diese tradierte Denk- und Handlungsweise wirkt wie ein „Brandbeschleuniger“ auf die ohnehin schon immensen mentalen Belastungen und damit einhergehenden gesundheitlichen Risiken in juristischen Berufen. In vielen Gesprächen begegnet einem das Thema, und die meisten von uns kennen Kolleginnen oder Kollegen, die betroffen sind – und doch findet es in der öffentlichen Debatte nicht statt. Studien aus den USA zeigen eindeutig: Juristen sind sehr stark von psychischen Erkrankungen bis hin zu stressbedingten Todesursachen betroffen. Als Liquid Legal Institute haben wir das zum Anlass genommen, uns dem Thema zu widmen, und bereiten in Projektpartnerschaft mit dem Bundesverband der Unternehmensjuristen eine Studie dazu vor, die der Deutsche AnwaltSpiegel begleiten wird. Auch hier wollen wir im gemeinsamen Interesse die Grundlage für eine Auseinandersetzung mit einem komplexen Thema schaffen, die am Ende alle weiterbringt. Erste Ergebnisse des Projekts „Lawyer Well-Being“ (ein „Call for Action“ als Einführung in das Thema und „First Findings“) finden Sie frei verfügbar zum Herunterladen hier.
Ausblick
Wir werden an dieser Stelle regelmäßig über den Stand des Liquid Legal Institute – Kooperationspartner dieses Onlinemagazins – und die Fortschritte unserer Projekte berichten. Nicht um für uns zu werben, sondern um mit Ihnen unser Wissen zu teilen. Denn was wir erarbeiten, soll Ihnen zugutekommen – Wissen ist das einzige Gut, das sich vermehrt, indem es geteilt wird. Nach diesem Motto handeln wir – wir teilen, um der Transformation nicht hinterherzulaufen, sondern sie gemeinsam mit Ihnen zu gestalten.
k.jacob@liquid-legal-institute.org
d.schindler@liquid-legal-institute.org
b.waltl@liquid-legal-institute.org