Zehn vermeidbare Fehler und Handlungsempfehlungen für die Praxis

Artikel als PDF (Download)

 

In der Zeit vom 01.03.2022 bis zum 31.05.2022 ist es wieder so weit: Alle wahlberechtigten Arbeitnehmer können einen Betriebsrat wählen. Nicht nur für die Wahlakteure, sondern auch für Arbeitgeber bedeutet das: Beachtung der gesetzlichen Vorgaben, denn Fehler bei der Wahl können zur Anfechtbarkeit oder sogar zur Nichtigkeit der Wahl führen. Im schlimmsten Fall droht eine Wahlwiederholung. Das kostet Zeit und Geld.

Der nachfolgende Beitrag benennt typische Fehler, auf deren Vermeidung Arbeitgeber schon im eigenen Interesse achten sollten. Außerdem zeigen wir auf, welche wahlbezogenen Neuerungen das im Juni 2021 in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz (BMG) mit sich bringt.

Was ist ein Betrieb?

Der „Betrieb“ ist Anknüpfungspunkt für die Betriebsratswahl: Gemäß § 1 Abs. 1 BetrVG werden in Betrieben mit mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt.

Als Betrieb in diesem Sinne ist dabei die organisatorische Einheit anzusehen, in der unter einem einheitlichen Leitungsapparat mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt werden.

In der Praxis ist aber nicht immer ohne weiteres erkennbar, für welche Einheiten ein Betriebsrat zu bilden ist. Die Folge: Es wird zum Beispiel fehlerhaft ein Betriebsrat für eine Mehrheit von Betrieben oder ein Betriebsrat für einen unselbständigen Betriebsteil gewählt.

Wesentliche Weichenstellungen ergeben sich auch aus § 4 BetrVG: Danach gilt ein Betriebsteil als selbständiger Betrieb, wenn dieser räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig ist. In diesem Fall ist für den selbständigen Betriebsteil ein eigener Betriebsrat zu wählen – es sei denn, die dortige Belegschaft beschließt, an der Wahl des Hauptbetriebs teilzunehmen.

Wie viele Mitglieder hat der zu wählende Betriebsrat?

Die Größe wird vom Wahlvorstand anhand der Schwellenwerte des § 9 BetrVG festgelegt. Bei der Ermittlung der für die Schwellenwerte maßgeblichen Arbeitnehmerzahlen kommt es aber nicht selten zu Fehlern.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Arbeitnehmer in unselbständigen Betriebsteilen werden zum Hauptbetrieb gezählt.
  • In Gemeinschaftsbetrieben werden die Arbeitnehmer aller Unternehmen, die am Gemeinschaftsbetrieb beteiligt sind, zusammengerechnet.
  • Bei Schwankungen der Personalstärke wird auf die Regelgröße des Betriebs abgestellt. Steht konkret fest, dass sich die Regelgröße aufgrund bestimmter Ereignisse (etwa Umstrukturierung) verändern wird, ist diese Änderung zu berücksichtigen.

Wer ist wahlberechtigt?

Nicht alle Arbeitnehmer sind automatisch wahlberechtigt oder wählbar. Dies wird in der Praxis oft verkannt.

Das BMG bringt insofern eine Änderung bei der Wahlberechtigung (aktives Wahlrecht) mit sich: Nunmehr sind alle Arbeitnehmer, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, wahlberechtigt (bisher: 18. Lebensjahr). Auch Leiharbeitnehmer sind im Entleiherbetrieb zur Stimmabgabe berechtigt, wenn sie dort länger als drei Monate eingesetzt werden.

Wählbar (passives Wahlrecht) sind alle Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und zum Zeitpunkt der Wahl bereits sechs Monate dem Betrieb angehören. Leiharbeitnehmer können im Entleiherbetrieb nicht gewählt werden.

Die Wahlberechtigten (aktiv und passiv) müssen durch den Wahlvorstand in einer Wählerliste erfasst werden, §  2 WO. Der Arbeitgeber unterstützt den Wahlvorstand dabei. Zu beachten ist, dass das BMG die Anfechtbarkeit der Wahl wegen Unrichtigkeit der Wählerliste eingeschränkt hat: Die Anfechtung durch Arbeitnehmer ist ausgeschlossen, wenn sie nicht zuvor Einspruch gegen die Wählerliste eingelegt haben. Der Arbeitgeber wiederum kann die Wahl nicht gestützt auf die Unrichtigkeit der Wählerliste anfechten, wenn er für die Unrichtigkeit verantwortlich war.

Wie wird der Wahlvorstand bestellt?

Auch bei der Bestellung des Wahlvorstands passieren ärgerliche Fehler, etwa weil nicht wahlberechtigte Arbeitnehmer in den Wahlvorstand berufen werden oder die zahlenmäßige Zusammensetzung des Wahlvorstands nicht gesetzeskonform ist. Dabei ist zu beachten, dass der Wahlvorstand im Grundsatz aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen muss. Die Regelgröße von drei Mitgliedern darf zudem nur überschritten werden, sofern dies zur ordnungsgemäßen Durchführung erforderlich ist.

Bei Existenz eines Betriebsrats ist dieser für die Bestellung des Wahlvorstands zuständig. Besteht dagegen noch kein Betriebsrat, wird der Wahlvorstand vom Gesamt- oder – hilfsweise – Konzernbetriebsrat bestellt. Fehlt es an diesen Gremien, wird der Wahlvorstand von den Arbeitnehmern auf einer Betriebsversammlung gewählt. Die Fristvorgaben für den Zeitpunkt der Bildung des Wahlvorstands dürfen nicht vergessen werden.

Was ist beim Wahlausschreiben zu beachten?

Mit Erlass des Wahlausschreibens wird die Betriebsratswahl eingeleitet.

Klassische Fehler in diesem Zusammenhang sind:

  • Das Wahlausschreiben wird nicht mindestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe erlassen.
  • Das Wahlausschreiben genügt den inhaltlichen Anforderungen des § 3 Abs. 2 WO nicht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die notwendige Anzahl an Stützunterschriften für die Aufstellung eines gültigen Wahlvorschlags nicht angegeben wird. Hier ist zu beachten, dass die Anzahl an notwendigen Stützunterschriften für einen Wahlvorschlag durch das BMG teils abgesenkt wurde. In Betrieben mit bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern sind sogar gar keine Stützunterschriften mehr notwendig.
  • Das Wahlausschreiben wird nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben, zum Beispiel wenn es nicht oder nicht an geeigneter Stelle ausgehängt wird.

Welches Wahlverfahren findet Anwendung?

Eine weitere Fehlerquelle ist die Wahldurchführung im falschen Wahlverfahren. Nach Inkrafttreten des BMG gilt: In Betrieben mit fünf bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern findet das vereinfachte Wahlverfahren Anwendung, das sich unter anderem durch stark verkürzte Fristen auszeichnet. Bei 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern besteht die Möglichkeit, das vereinfachte Wahlverfahren anzuwenden, wenn Arbeitgeber und Wahlvorstand (nicht: Betriebsrat) dies vereinbaren; ansonsten greift das normale Wahlverfahren. Ab 201 wahlberechtigten Arbeitnehmern wird zwingend das normale Wahlverfahren angewandt.

Was steckt hinter dem Neutralitätsgebot?

Das primär – aber nicht nur – an den Arbeitgeber gerichtete Neutralitätsgebot ist in § 20 BetrVG verankert. Dieses besagt, dass jede unzulässige Beeinflussung der Wahl durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Versprechen eines Vorteils untersagt ist. Das heißt aber nicht, dass dem Arbeitgeber jede Meinungsäußerung zu dem von ihm gewünschten Wahlausgang untersagt wäre – so darf er zum Beispiel in den gesetzlichen Grenzen den bestehenden Betriebsrat kritisieren oder gezielt Arbeitnehmer ansprechen, sich zur Wahl aufstellen zu lassen.

Worauf ist am Wahltag zu achten?

Immer wieder kommt es am Wahltag selbst zu Fehlern. Hierauf ist zu achten:

  • Während der Wahl müssen immer zwei stimmberechtigte Wahlvorstandsmitglieder oder ein stimmberechtigtes Wahlvorstandsmitglied und ein Wahlhelfer anwesend sein.
  • Die Wahl wird geheim durchgeführt, was der Wahlvorstand durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen hat (etwa: Einrichtung sichtgeschützter Wahlkabinen). Eine Verletzung des Wahlgeheimnisses steht dabei nicht nur im Raum, wenn Wähler tatsächlich beobachtet wurden, sondern auch dann, wenn sie subjektiv nicht zur Überzeugung gelangen konnten, unbeobachtet zu wählen.
  • Die Stimmabgabe endet mit Ablauf der im Wahlausschreiben festgelegten Zeit.
  • Nach Beendigung der Wahl muss die Urne so versiegelt werden, dass eine Öffnung ohne erkennbare Verletzung des Verschlusses ausgeschlossen ist.

Die Fristen

Häufig kommt es vor, dass Fristen falsch berechnet oder schlicht nicht beachtet werden; angesichts der Komplexität des streng formalisierten Wahlverfahrens ist dies nicht verwunderlich. Ohne Visualisierung der einzelnen Verfahrensschritte zum Beispiel anhand einer detaillierten Timeline gelingt es kaum, alle Fristen im Blick zu behalten.

Welche wahlbezogenen Änderungen enthält das Betriebsrätemodernisierungsgesetz außerdem?

Der Kündigungsschutz von sogenannten Wahlinitiatoren wurde ausgeweitet. Nunmehr gilt für die ersten sechs Arbeitnehmer (bisher: drei), die in der Einladung zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung oder in dem Antrag zur Bestellung eines Wahlvorstands aufgeführt werden, ein gesetzlicher Sonderkündigungsschutz nach Maßgabe von § 15 Abs. 3a KSchG.

Nach dem neuen § 15 Abs. 3b KSchG können zudem Arbeitnehmer, die Vorbereitungshandlungen zur Gründung eines Betriebsrats ergreifen, schon zu einem frühen Zeitpunkt in den Genuss von Sonderkündigungsschutz kommen. Voraussetzung ist die Abgabe einer öffentlich beglaubigten Erklärung (beim Notar), aus der sich die Absicht zur Errichtung eines Betriebsrats ergibt. Eine Einschränkung erfährt dieser Sonderkündigungsschutz in zeitlicher Hinsicht – er ist auf den Zeitraum bis zur Einladung zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung, längstens auf die Dauer von drei Monaten, begrenzt.

Fazit

Betriebsratswahlen sind ohne Zweifel fehleranfällig. Arbeitgeber sollten sich deshalb mit den wesentlichen gesetzlichen Vorgaben vertraut machen, um auf die rechtskonforme Wahldurchführung ein Auge haben zu können. ß

 

maximilian.koschker@cms-hs.com

anja.naumann@cms-hs.com

Aktuelle Beiträge