fourword ist eine Publikation der Produktfamilie Deutscher AnwaltSpiegel & Bundesverband der Wirtschaftskanzleien

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Aktuelle Ausgabe

Inhouse Matters 2025

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Alle Jahre wieder lädt der Deutsche AnwaltSpiegel zur größten Weihnachtsfeier im deutschen Rechtsmarkt ein: Inhouse Matters. Seit 2016 gelingt es, in der Adventszeit die maßgeblichen Größen des Rechtsmarkts aus Wirtschaftskanzleien, Rechts- und Complianceabteilungen sowie der Legal-Tech-Branche für eine Bestandsaufnahme und Analyse der Chancen, Probleme und vor allem Innovationen, die das Jahr mit sich gebracht hat, zu versammeln. Und einen konzentrierten Ausblick weit in das kommende Jahr zu geben.

Am 04.12.2025 bot die Frankfurt School of Finance & Management hierfür wieder den perfekten Rahmen. Pünktlich um 12.00 Uhr begrüßte ein Quartett aus Prof. Dr. Christoph Schalast (Hausherr und unter anderem Professor an der Frankfurt School of Finance & Management), Erwin Stickling (Mitglied der Geschäftsleitung bei F.A.Z BUSINESS MEDIA), Dr. Christian Wolf (Co-Managing Partner des Mitveranstalters GÖRG) und Prof. Dr. Thomas Wegerich (Herausgeber Produktfamilie Deutscher AnwaltSpiegel) die mehr als 300 Teilnehmer. Alle zeigten sich hinsichtlich der besonders disruptiven Zeit in der Branche gespannt auf die anstehenden Impulse und Gespräche.


Keynote: Die Chancen der KI


Inhaltlich machte Prof. Dr. Holger Schmidt (Digital Economist, Redaktionsleiter Verticals und Newsletter, Frank­furter Allgemeine Zeitung/TU Darmstadt) mit einer beeindruckenden Keynote den ersten Aufschlag, in der er bereits vorweg auch die letzten Nostalgiker, die das KI-Zeitalter höchstens in einer Pilotphase sehen, desillusionieren sollte. Denn die KI-Nutzung ist nicht nur für die journalistische Arbeit des Ökonomen selbst, sondern auch im Arbeitsalltag von Großkanzleien in diesem Jahr ein fester Bestandteil geworden, den Schmidt bereits als Basistechnologie bezeichnet. Doch damit sei es längst nicht genug: Die Wirtschaft müsse konkreter über ihr wirtschaftliches Potential nachdenken. Denn während die Produktivitätsrate in den USA in den vergangenen Jahrzehnten ein kontinuierliches Wachstum verzeichnen konnte, geht sie seit der Nachkriegszeit in Europa sukzessive zurück. Um dem entgegenzuwirken, werden sich Arbeitsprozesse und in der Folge ganze Geschäftsmodelle grundlegend und zugunsten der KI verändern müssen. Für den Menschen wiederum werde es damit unabdingbar, Fähigkeiten zu entwickeln, die die KI nicht hat. Um welche Fähigkeiten es sich dabei handeln könnte, sollte im Laufe des Tages klarer werden.


Das KI-Zeitalter: Der Stand inhouse und in Kanzleien


Der Blick richtete sich zunächst auf den Stand der Digitalisierung in den Rechts- und Complianceabteilungen namhafter Unternehmen und Konzerne. Moderator Björn Frommer, Co-CEO von JUNE, durfte feststellen, dass die Gesprächsteilnehmer, die dem Thema allesamt höchste Prio­rität beimaßen, grundsätzlich positiv gestimmt waren. Florian Schäfer, Group General Counsel & Chief Compliance Officer der Leica Camera AG, wollte eine Bewertung allerdings nur im Verhältnis zu den durch KI gewonnenen Potentialen abgeben, er betonte deshalb vor allem, dass es diese auszuschöpfen gelte. Nicht zuletzt deshalb – insoweit bestand Einigkeit unter den Panelisten – sind softwareverständige Mitarbeiter weiterhin sehr gefragt. Und je vielfältiger die Mitarbeiterprofile, desto mehr verschwimme das Spannungsfeld zwischen Legal und Compliance, das bis vor kurzem häufig die Teamdynamiken geprägt hatte – ein schöner Nebeneffekt.


Das anschließende Panel, das die Managementperspektive von Kanzleien verschiedener Größen betrachtete, zeigte eine gleichförmige Entwicklung auf. In puncto Recruiting werde es sicherlich schwieriger für die Anwärter. Allerdings, so Dr. Stephan Morsch, Managing Partner bei SKW Schwarz, obliege es auch den Kanzleien, Schulungen in technischen Bereichen anzubieten. Besonders US-Kunden waren bereits vor der KI-Revolution skeptisch in Bezug auf die auf Stundenbasis beruhende Vergütung der Arbeitszeit von Junganwälten, den sogenannten First-Years.


Erwägt man zusätzlich die neu gewonnenen technischen Möglichkeiten, dann scheint die „Billable Hour“ grundsätzlich zu einem Auslaufmodell zu werden. Je nach Spezia­lisierung und Prozessstrukturen unterschieden sich die Preismodelle der Gesprächspartner hier allerdings stark. Im Hinblick auf die KI-Nutzung äußerte Martin Stange von der Wirtschaftskanzlei Hoffmann Liebs außerdem, es sei wertvoll, die DNA der Beratung zu erhalten, da viele Mandanten das People’s Business zu schätzen wüssten.


Ein People’s Business in der digitalen Welt


Prof. Dr. Michael Smets, der an der Said Business School der University of Oxford den hochkarätigen Nachwuchs aus Wirtschaft und Recht unterrichtet, ist sich der veränderten Anforderungen an die Studenten wohl gewahr. Im Rahmen eines Szenenwechsels ging er konkret auf die Frage ein, die bereits die Keynote aufwarf: Was bedeutet es überhaupt, Anwalt zu sein? Und was zeichnet den Juristen von heute noch aus?


Die Expertise, die seit jeher die Grundfeste freier Berufe ist, sei heutzutage nur noch das „Entry-Ticket“, keinesfalls aber das „Winning-Ticket“ in der Arbeitswelt. Sie müsse deshalb nicht nur auf technischer Ebene bestehen, sondern gebündelt mit praktischen Erfahrungswerten und Empathie auf Serviceebene zur maßgeschneiderten anwaltlichen Beratung genutzt werden. Denn mag die KI fachlich zwar exzellent sein, könne man ihr bislang doch noch kein Übermaß an Empathie vorwerfen. Doch auch in anderen Kernbereichen des freien Berufs gelte es, sich von der künstlichen Intelligenz abzuheben. Er pflichtet Martin Stange insofern bei, als der Markt die Glaubwürdigkeit eines Dienstleisters erkenne. Besonders Investments in die Vernetzung mit und zwischen Mandanten unabhängig von der „Billable Hour“, die Smets ebenfalls in Frage stellt, könnten eine entscheidende Stellschraube hierfür sein. Bei der Nutzung von KI seien zudem Transparenz und proaktive Kommunikation geboten.


Wie viel kann die KI schon auf dem Rechtsmarkt?


Die folgenden Bühnengespräche boten Raum für eine ­differenziertere Betrachtung des Status quo der KI, die explizit für den Rechtsmarkt entwickelt wird. Leif-Nissen Lundbaek, CEO und Co-Founder von Beck-Noxtua, erklärte, wie das gleichnamige Programm funktioniert. Der Workspace orientiert sich an der Rechtsprechung und betreibt Recherche ausschließlich auf Basis der Beck-­Daten. Dadurch lassen sich Halluzinationen weitestgehend vermeiden. Als größten Vorteil nennt er die Zusammen­arbeit mit dem deutschen Cloudanbieter Ionos, aber auch mit der deutschen Telekom, die DSGVO-Konformität gewähr­leistet.


Neben dem juristisch-inhaltlichen Nutzen der KI lohnt sich allerdings auch der Blick auf ihr organisatorisches und administratives Können. Um den Fokus menschlicher Arbeit auf die Wertschöpfung zu legen, schufen etwa das Techunternehmen Lunatec und der Wirtschaftskanzlei Freshfields den automatisierten Reiseagenten TRAVIS, der inzwischen die Buchungen und Terminlegung der Reisen bei Freshfields koordiniert und eigenständig durchführt. In Zahlen spart die Kanzlei bei einem derzeitigen Automatisierungsgrad von 94% bereits 13.800 Euro monatliche Prozesskosten ein und kann die Arbeitskraft zweier beteiligter Teams anderweitig nutzen.


Neues vom BWD


Ehe die von allen mit Spannung erwartete Preisverleihung der Inhouse Matters Awards begann, berichteten Christof Kleinmann (GvW Graf von Westphalen) und Dr. Alexandra Schluck-Amend (CMS), beide Mitglieder im Vorstand des BWD, von den aktuellen Entwicklungen im Verband. Sie stellten Judith C. Nikolay vor, die ab dem 01.01.2026 die Geschäftsführung des BWD übernehmen wird. Seit der Gründung des Verbands im März 2022 waren die Initiatoren und Vorstandssprecher Stefan Rizor, LL.M. (McGill), und Prof. Dr. Thomas Wegerich in geschäftsführender Funktion für den BWD tätig. Schluck-Amend und Kleinmann dankten den beiden auf eigenen Wunsch zum 31.03.2026 ausscheidenden Gründungsvorständen für die sehr erfolgreiche Aufbauarbeit in den letzten vier Jahren.


Der Blick nach vorn. Neu ist: Der Verband wird ab dem Wintersemester 2026 in Kooperation mit der EBS Univer­sität für Wirtschaft und Recht einen berufsbegleitenden – sehr hochkarätigen – MBA für Juristen starten. Der BWD wird den international anerkannten Studiengang auch mit Dozenten aus den BWD-Mitgliedskanzleien besetzen und ihren Mitarbeitern stark vergünstigte Studiengebühren anbieten können. Kanzleien, die bisher nicht Mitglied des BWD sind, können ebenfalls Mitarbeiter in das MBA-­Projekt entsenden – allerdings zu höheren Konditionen. Mit einem Augenzwinkern – aber erkennbar auch als Pitch auf der großen Bühne von Inhouse Matters und mit Blick auf die zahlreichen anwesenden Managementvertreter führender nationaler und internationaler Wirtschaftskanzleien – merkte Christof Kleinmann an, dass allein die Kosten­differenz für diejenigen Kanzleien, die bisher noch nicht Mitglied im BWD sind, Anreiz genug ist, um dem Verband nun beizutreten.


Den MBA-Studiengang konzipiert hat Prof. Dr. Andreas Walter, Co-Managing Partner des BWD-Gründungsmitglieds Schalast.


Die Verleihung der Inhouse Matters Awards


Das Vorstands-Duo des BWD gab die Moderation zurück an Prof. Dr. Thomas Wegerich und Karin Gangl, die sich bei ihrem Team, den Gästen, Rednern, Referenten, Moderatoren und Sponsoren bedankten und zum Finale der Veranstaltung überleiteten. Auch dieses Jahr verlieh die hochkarätige Jury, bestehend aus Prof. Dr. Madeleine Bernhardt, Co-Direktorin der Bucerius Law School, Prof. Dr. Bruno Mascello, Universität St. Gallen, und Prof. Dr. Michael Smets, Said Business School, University of Oxford, zum zweiten Mal die Inhouse Matters Awards.


In der Kategorie „Innovativste Rechtsabteilung“ setzte sich die Mercedes-Benz Group AG mit dem Projekt „Speedboat AML“, einem datenbasierten und KI-unterstützten Geldwäschepräventionstool durch. Die dazugehörige Laudatio hielt Dr. Christian Wolf, Managing Partner des Mitveranstalters GÖRG Rechtsanwälte. Ebenfalls auf das Siegertreppchen schafften es der Vorjahressieger Audi AG auf Platz zwei und die Deutsche Lufthansa AG auf dem dritten Platz.


„Innovativste Wirtschaftskanzlei“ darf sich Hogan Lovells nennen, dessen Legal-Tech-Tochter Eltemate das Recherchetool „Regulatory Pilot“ entwickelt hat. Laudatorin Prof. Dr. Madeleine Bernhardt betonte die Knappheit der Entscheidung, die Schalast Law den zweiten und CMS Hasche Sigle den dritten Rang bescherte.


Auf die Siegerfotos und den Konfettiregen folgte, was Inhouse Matters seit 2016 zur größten Weihnachtsfeier im deutschen Rechtsmarkt hat werden lassen: Das (lange dauernde und inspirierende) Get-together mit vielen bekannten, aber auch neuen Gesichtern an der Spitze des Rechtsmarkts, das für einen rundum gelungenen und feierlichen Abschluss eines intensiven und erkenntnisreichen Tages sorgte.


Hinweis der Redaktion:
Blockieren Sie Ihren Kalender doch schon jetzt: Inhouse Matters 2026 findet am 03.12.2026 in der Frankfurt School of Finance & Management statt. (tw)

Autor

Edgar Dörholt

Edgar Dörholt

Ehemals Praktikant des BWD,
Jurastudent an der Universität Bayreuth


edgar.doerholt@icloud.com