Im Blickpunkt: Neues von der isolierten Drittwiderklage?

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Mit Beschluss vom 30.09.2010 hat der BGH bestätigt, dass auch Dritte als Beklagte in einen laufenden Prozess gezogen werden können, und zwar im Wege der isolierten Drittwiderklage. Dennoch wird diese immer noch als „grundsätzlich unzulässig“ angesehen. Gut zehn Jahre später, am 25.11.2020, hat der BGH erneut die Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage bestätigt, allerdings wiederum nur für Leasingkonstellationen. Die isolierte Drittwiderklage spielt jedoch nicht nur in Zessionsfällen und im Leasinggeschäft eine wichtige Rolle, sondern sollte auch in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig in Betracht gezogen werden. Dabei sind die Vor- und Nachteile gegenüber einer Prozessverbindung nach § 147 ZPO abzuwägen, die nicht immer klar sind, wenn der Dritte seinen allgemeinen Gerichtsstand ohnehin am Prozessgericht hat.

Die Auffassung des BGH

Zum Sachverhalt
Die Klägerin schloss als Leasinggeberin einen Leasingvertrag mit der Beklagten ab; Sachmängelansprüche gegen die Verkäuferin des Fahrzeugs waren an die Beklagte abgetreten. Aufgrund eines Sachmangels trat die Beklagte gegenüber der Verkäuferin vom Kaufvertrag zurück und buchte bereits an die Klägerin gezahlte Raten zurück, ohne zuvor (wie von den AGB der Klägerin vorausgesetzt) Klage gegen die Verkäuferin erhoben zu haben. Daraufhin kündigte die Klägerin den Leasingvertrag fristlos und machte klageweise am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten Schadenersatz statt der Leistung geltend. Die Beklagte erhob Drittwiderklage gegen die Verkäuferin auf Rückgewähr des Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung an die Klägerin.

Das Landgericht gab der Klage statt, wies die Drittwiderklage jedoch als unzulässig ab. Die Berufung der Beklagten wies das OLG Köln hinsichtlich der Verurteilung als unbegründet zurück. In Bezug auf die Abweisung der Drittwiderklage wurde sie als unzulässig verworfen, da die Beklagte die Drittwiderbeklagte in ihrer Berufungsschrift nicht als Berufungsbeklagte bezeichnet hatte und deshalb den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO nicht genügt habe. Es sei auch durch Auslegung nicht erkennbar, ob sich das Rechtsmittel auch gegen die Drittwiderbeklagte richte, eine Streitgenossenschaft bestehe nicht.
Der BGH hob das Urteil des OLG Köln auf die Revision hin auf und verwies es zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

Die Entscheidung
Neben der Rüge eines Auslegungsfehlers des Berufungsgerichts hinsichtlich der Berufungsschrift stellt der BGH fest, dass eine Widerklage gegen einen bisher unbeteiligten Dritten grundsätzlich nur zulässig ist, wenn sie zugleich gegenüber dem Kläger erhoben werde. Aus prozessökonomischen Gründen sei jedoch in einigen Fällen ausnahmsweise auch die isolierte Drittwiderklage zulässig: so beispielsweise die isolierte Drittwiderklage gegen einen Gesellschafter der klagenden Gesellschaft, gegen den Zedenten der Klageforderung oder bei Forderungen auf Grundlage eines einheitlichen Schadensereignisses. Voraussetzungen der isolierten Drittwiderklage seien die rechtlich und tatsächlich enge Verknüpfung der Streitgegenstände sowie die fehlende Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Drittwiderbeklagten, die der BGH bejahte. Die enge tatsächliche Verknüpfung ergebe sich aus der Abstimmung von Kauf- und Leasingvertrag, die dasselbe Objekt zum Gegenstand haben, sowie aus der Abtretung der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche. Der enge rechtliche Zusammenhang bestehe darin, dass ein Rücktrittsrecht des Leasingnehmers davon abhänge, ob dem Leasingvertrag von vornherein die Geschäftsgrundlage fehlt; somit sei das Ergebnis des Gewährleistungsprozesses für die Entscheidung über einen Anspruch auf Zahlung der Leasingraten bindend. Nach ständiger Rechtsprechung sei bei getrennten Prozessen die Aussetzung des vom Leasinggeber gegen den Leasingnehmer angestrengten Prozesses nach § 148 ZPO geboten.
Auch seien keine schutzwürdigen Interessen der Drittwiderbeklagten verletzt, insbesondere auch nicht dadurch, dass die Drittwiderklage nicht am allgemeinen Gerichtsstand der Drittwiderbeklagten anhängig sei. Dies müsse die Drittwiderbeklagte aufgrund der engen Verknüpfung von Kauf- und Leasingvertrag hinnehmen.

Die Drittwiderklage im Gesellschafterstreit
Inwiefern diese Grundsätze ohne Weiteres auch im Gesellschafterstreit gelten, ist weiter nicht ganz klar. Die Tendenz des BGH zugunsten der Zulässigkeit isolierter Drittwiderklagen ist jedoch unverkennbar, weshalb sie immer auch in Erwägung zu ziehen ist.

Folgende Konstellationen sind für den Gesellschafterstreit typisch:

  • Die Gesellschaft klagt gegen einen ihrer Gesellschafter auf Zahlung der Einlage. Der beklagte Gesellschafter ist der Ansicht, der Mitgesellschafter habe seine Einlage ebenfalls nicht oder nicht in voller Höhe erbracht und klagt gegen den Mitgesellschafter auf Zahlung seiner Einlage an die Gesellschaft.
  • Der Mehrheitsgesellschafter klagt auf Rückzahlung eines der Tochtergesellschaft gewährten Darlehens. Die Tochtergesellschaft ist der Auffassung, die Muttergesellschaft habe ihrerseits eine Verpflichtung, eine Finanzierungszusage oder eine Patronatserklärung entsprechend zu erhöhen, da der Gesellschafter seine Finanzierungszusage nicht einhält.
  • Die Gesellschaft hat einen Beschluss über die Leistung eines Nachschusses durch die Gesellschafter gefasst. Ein dissentierender Gesellschafter erhebt Beschlussmängelfeststellungsklage, und zwar, wie es die herrschende Meinung erfordert, nicht etwa gegen die Gesellschaft, sondern gegen die zustimmenden Gesellschafter. Unterliegt nun der klagende Gesellschafter, wird die Klage mit Wirkung inter partes abgewiesen. Ein weiterer dissentierender Gesellschafter könnte erneut Klage erheben. Dem können die zustimmenden Gesellschafter bereits im ersten Prozess begegnen, indem sie gegen die weiteren dissentierenden Gesellschafter isolierte Drittwiderklage auf Feststellung erheben, dass ihnen gegenüber aufgrund eines wirksamen Gesellschafterbeschlusses eine Nachschusspflicht besteht. Eine ähnliche prozessuale Konstellation könnte sich dadurch ergeben, dass mehrere Gesellschafter am Gerichtsstand innerhalb desselben Gerichts Klage gegen die zustimmenden Gesellschafter auf Feststellung eines Beschlussmangels erheben. Wie aus der Praxis hinlänglich bekannt, heißt dies noch lange nicht, dass eine der zuständigen Kammern, bei der ein solches Verfahren anhängig ist, dieses mit weiteren Verfahren gemäß § 147 ZPO verbindet. Erst recht gilt dies, wenn die zustimmenden Gesellschafter negative Feststellungsklage gegen die dissentierenden Gesellschafter erheben.

Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage – Alternative zur Prozessverbindung gemäß § 147 ZPO?
Ein Dritter soll nicht ohne Weiteres gegen seinen Willen in einen laufenden Prozess gezogen werden. Hiervon macht der BGH zunehmend Ausnahmen, um eine Vervielfältigung von Prozessen über einen zusammenhängenden Lebenssachverhalt und insbesondere widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Mit seinem Beschluss vom 30.09.2010 hat der Bundesgerichtshof auch Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 ZPO über seinen Wortlaut hinaus aufgegeben, um eine Verfahrenskonzentration bei Bestehen eines Sachzusammenhangs zu ermöglichen.
In gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten hilft bei Fehlen eines allgemeinen Gerichtsstands des Drittwiderbeklagten am Prozessort meist § 22 ZPO. Sind die möglichen Drittwiderbeklagten, wie in den genannten Fallkonstellationen, nicht notwendige Streitgenossen, besteht meines Erachtens ebenfalls eine tatsächlich und rechtlich enge Verknüpfung der Ansprüche. Schutzwürdige Interessen des Drittwiderbeklagten stehen nicht entgegen. Gleichwohl wird sich der Drittwiderbeklagte wehren und das Gericht wird über diese Voraussetzungen zu entscheiden haben. Im Zweifel trennt es die Drittwiderklage ab, sodass es in der Praxis unerlässlich ist, die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Klageerhebung auch dem Äußeren nach zu erfüllen. Sind sie jedoch erfüllt, lässt sich das Risiko gering halten. Im Zweifel trennt das Gericht die Klage zugunsten des allgemeinen Turnus ab.
Damit ergibt sich eine Abwägung gegenüber den Möglichkeiten des § 147 ZPO, dessen Voraussetzung, nämlich der sachliche Zusammenhang der isolierten Drittwiderklage, vergleichbar ist. In der Praxis wird eine Prozessverbindung von den Richtern oder einzelnen Spruchkörpern jedoch oftmals abgelehnt, wohl um das Verfahren „überschaubar“ zu halten. Auch stellt sich in der Praxis oftmals das Problem, dass die zeitlichen Abläufe, einschließlich der Entscheidung über das schriftliche Vorverfahren, von den einzelnen Spruchkörpern extrem unterschiedlich gehandhabt werden, auch abhängig von der jeweiligen Auslastung, sodass eine Prozessverbindung zu einem sinnvollen Zeitpunkt kaum geplant werden kann. Hat sich ein/e Richter/in oder ein Spruchkörper jedoch bereits mit dem Streitstoff und den im Raum stehenden Rechtsfragen beschäftigt, besteht in der Regel eine höhere Bereitschaft, sich der Sache insgesamt anzunehmen.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, auch in vielen Konstellationen des Streits zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern oder auch der Gesellschafter untereinander die Möglichkeit zur isolierten Drittwiderklage in Erwägung zu ziehen. Die besseren Gründe jedenfalls sprechen für die Erhebung einer isolierten Drittwiderklage.

roland.startz@bblaw.com

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