Interview mit Dr. Arndt Eversberg, Vorstand Deutschland, Köln, und Wieger Wielinga, Managing Director Enforcement & EMEA, Amsterdam, beide Omni Bridgeway

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Seit Jahresbeginn ist der weltweit tätige Prozessfinanzierer Omni Bridgeway Kooperationspartner des Onlinemagazins DisputeResolution. Es handelt sich um ein strategisch spannend aufgestelltes Unternehmen, das mit der Vorgängereinheit seit vielen Jahren im deutschen Markt verankert ist. Thomas Wegerich sprach mit Dr. Arndt Eversberg und Wieger Wielinga über die Entwicklung der Prozessfinanzierung in einem dynamischer und auf der Angebotsseite vielfältiger werdenden Umfeld.

DisputeResolution: Lieber Herr Eversberg, lieber Herr Wielinga, die Omni Bridgeway ist neuer Kooperationspartner unseres Dispute Resolution Magazins. Bitte stellen Sie Ihr Unternehmen doch kurz vor.

Dr. Arndt Eversberg: Herr Wegerich, zunächst herzlichen Dank, dass Sie uns dieses Angebot gemacht haben. Wir freuen uns auf eine fruchtbare Zusammenarbeit und ich glaube, wir bringen dafür gute Voraussetzungen mit. Omni Bridgeway ist heute der weltweit führende Prozessfinanzierer. Der deutsche Ursprung der Firma liegt in der ROLAND ProzessFinanz AG aus Köln, die 2017 von dem in den Niederlanden gegründeten internationalen Prozessfinanzier Omni Bridgeway übernommen wurde. Letzterer verschmolz dann 2019 mit dem australischen Prozessfinanzierer IMF Bentham Ltd. Seit letztem Jahr sind wir mit mehr als 160 Mitarbeiter an 18 Standorten und in 10 Ländern unter dem gemeinsamen Namen Omni Bridgeway am Start.

DisputeResolution: Herr Wielinga, neben der geschilderten Präsenz, was macht Omni Bridgeway aus?

Wieger Wielinga: Unser Unternehmen vereint wie kein anderes in der Branche lokale wie internationale Expertise in allen Bereichen der Prozessfinanzierung: bei der klassischen Finanzierung von Gerichtsverfahren und Schiedsprozessen, der Vollstreckung von Urteilen gegen natürliche und juristische Personen sowie gegen Staaten und beim Forderungsankauf. Dies umfasst Einzelklagen wie Sammelklagen sowie die Unterstützung von Klägern und in einigen Fällen auch von Beklagten. Natürlich unterstützen wir auch bereits vorgerichtlich, und verstecktes Vermögen von Schuldnern spüren unsere eigenen Experten auf. Zusammengefasst könnte man sagen, dass Omni ein „One-Stop-Shop“ für die effektive Rechtsdurchsetzung unserer Kunden ist.

DisputeResolution: Herr Eversberg, Sie sind jetzt ja bereits mehr als 21 Jahre als Prozessfinanzierer tätig und damit länger als kein anderer in Deutschland. Wie hat sich die Branche verändert?

Dr. Arndt Eversberg: In der Tat hat Prozessfinanzierung heute einen ganz anderen Stellenwert und Bekanntheitsgrad als 1999 und in den darauffolgenden etwa 10 Jahren. Es gab nur einige wenige Anbieter am deutschen Markt. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Nicht zuletzt der Dieselskandal und seine mediale Aufbereitung und das Aufkommen der Legal Techs haben die Prozessfinanzierung in den letzten Jahren beim Bürger immer bekannter gemacht. Ähnliches geschah durch weitreichende Kartellschadensersatzklagen wie zum Beispiel beim LKW-Kartell auf der Unternehmensseite.

DisputeResolution: Ist dadurch die anfängliche Zurückhaltung, teils Ablehnung der Prozessfinanzierung in der Anwaltschaft überwunden worden?

Dr. Arndt Eversberg: Absolut. Die Anwälte haben inzwischen zweierlei verstanden: Erstens, dass wir keine Rechtsschutzversicherung sind, und zweitens, dass wir ihre Tätigkeit befördern und nicht erschweren.

DisputeResolution: Können Sie das näher ausführen?

Wieger Wielinga: Anders als eine Rechtsschutzversicherung möchten wir als Prozessfinanzierer von einem Fall überzeugt werden. Es besteht keine Einstandspflicht aus einem vorhandenen Vertragsverhältnis. Einen Fall zu finanzieren, ist unser Geschäft, und das bedeutet, dass wir jede Anfrage mit diesem Ansatz prüfen, aber für nicht geeignete Fälle auch kein Geld zur Verfügung stellen. Anwälte verstehen dies mittlerweile immer besser und verstehen auch, dass unser Hinzutreten ihnen nur dann hilft, wenn wir den Mandanten den Zugang zum Recht eröffnen und dem Anwalt – neben der sicheren Bezahlung seiner Leistung – auch unser ganzes Know-how zur Verfügung stellen.

DisputeResolution: Dass ein Prozessfinanzierer alle Verfahrenskosten bezahlt, dürfte klar sein. Können Sie ein Beispiel für einen Know-how-Transfer nennen?

Dr. Arndt Eversberg: Sehr gern. Ganz aktuell stehen tausende Betriebe aufgrund von Corona vor existentiellen Problemen. Viele davon, insbesondere Restaurants und Hotelbetriebe, haben aber eigentlich eine Versicherung zur Abfederung der Schließung ihrer Betriebe abgeschlossen. Nur, die Versicherungen weigern sich vielfach, Deckung zu gewähren, da nach ihrer Ansicht für eine Pandemie keine Deckung besteht. Die angerufenen Gerichte sehen das differenziert. Wir finanzieren inzwischen sehr viele solcher Verfahren und haben so einen guten Überblick über die aktuelle Rechtsprechung und die Haltung der einzelnen Versicherungen. Diese Information stellen wir den Anwälten zur Verfügung.

Wieger Wielinga: Omni Bridgeway geht bei diesem Beispiel noch einen Schritt weiter. Die betroffenen Betriebe haben durchweg Liquiditätsprobleme. Gehälter und Mieten müssen weiter gezahlt werden, die finanzielle Unterstützung durch den Bund lässt auf sich warten. In geeigneten Fällen – also solchen mit guten Erfolgsaussichten – bieten wir eine Vorauszahlung auf den Anspruch an und können auf diese Weise schnell und unbürokratisch helfen.

DisputeResolution: Wird diese Option von den Betroffenen angenommen?

Dr. Arndt Eversberg: Wir haben dafür im Januar etwa 1 Million Euro ausgezahlt und rechnen damit, dass diese Anfragen zunehmen, denn die Lage vieler KMUs ist wegen Corona prekär. Unser Angebot gilt auch für andere Bereiche, zum Beispiel laufende Klagen, die sich aufgrund der Pandemie immer weiter verzögern. Hier können wir durch Erstattung von bereits gezahlten Verfahrenskosten und Vorauszahlungen auf einen erwarteten Erlös Klägern sehr schnell zu Liquidität verhelfen.

DisputeResolution: Herr Wielinga, was macht Ihrer Meinung nach einen guten Prozessfinanzierer aus?

Wieger Wielinga: Insbesondere drei Dinge: Erstens muss er natürlich über genügend Kapital verfügen, das jederzeit parat stehen muss, um Verfahrenskosten zügig zu begleichen. Zweitens muss er darüber hinaus einen guten Service für den Kunden und seinen Anwalt bieten. Darunter verstehe ich durchgehende Erreichbarkeit eines versierten Ansprechpartners, aktive Mitarbeit bei Problemlösungen und rasche Entscheidungen. Drittens die lokale Komponente: Der Investment-Manager muss selbst Anwalt sein und sich bestenfalls selbst mit den lokalen Besonderheiten des Geschäfts und des Rechtssystems auskennen. Letzteres ist ein Ansatz, den Omni Bridgeway konsequent verfolgt: in der Welt zuhause, aber lokal immer verwurzelt sein.

DisputeResolution: Wie setzt sich Ihre Kundschaft zusammen? Sind das mehrheitlich Privatpersonen oder auch Unternehmen?

Dr. Arndt Eversberg: Interessanterweise sehen wir eine klare Tendenz zu mehr Unternehmen. Früher war bei der ROLAND ProzessFinanz die Aufteilung ziemlich klar, fifty-fifty zwischen Privaten und KMUs. Mit dem Schritt auf die Weltbühne hat sich die Kundschaft auch entwickelt, und jetzt gehören überwiegend mittelständische Firmen und auch Großunternehmen zu unseren Kunden. Dies wurde durch unser starkes Engagement in Kartellschadensersatzklagen befördert. Omni Bridgeway ist praktisch in allen Kartellverfahren auf Klägerseite involviert. Die gute und reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Anwälten und den Rechtsabteilungen hat zu Anfragen auch in anderen Bereichen geführt. Diese Entwicklung hat uns übrigens überzeugt, dass es gut ist, Ihr Kooperationspartner zu werden.

Wieger Wielinga: Ich kann Herrn Eversberg insoweit ergänzen, dass auf internationaler Ebene verschiedene institutionelle Investoren unsere Kunden sind. Dabei geht es um Verluste, die durch rechtswidriges Verhalten von gelisteten Unternehmen bei den Anlegern entstanden sind. Diese Klagen werden zumeist von großen internationalen Kanzleien geführt, so dass sich auch hier der Kreis zu Ihnen schließt.

DisputeResolution: Lassen Sie uns den Fokus nochmals anders ausrichten. Herr Eversberg, Sie kennen sich im Anbietermarkt im DACH-Raum aus. Geben Sie uns bitte einen Überblick?

Dr. Arndt Eversberg: Sehr gerne. Wenn wir die Legal Techs hier einmal ausklammern, sind grundsätzlich zwei Arten von Prozessfinanzieren am Markt. Die einen sind eher kleine Unternehmen, deren Hauptbetätigungsfeld in Deutschland liegt und die aufgrund beschränkter Kapitalausstattung eher im kleinen und mittleren Streitwertsegment finanzieren. Daneben gibt es die international aufgestellten Prozessfinanzierer, bei denen grundsätzlich auch genügend Kapital vorhanden ist, um Millionen in einzelne Verfahren zu investieren. Hier ist zu unterscheiden zwischen Finanzierern, die entweder nur vom anglo-amerikanischen Ausland agieren oder maximal einen Repräsentanten auf deutschem Boden zwecks Vertriebstätigkeit haben. Das ist die große Mehrzahl.
Omni Bridgeway ist die einzige Firma, die mit dem Kölner Büro und seinen aktuell 14 Mitarbeitern, der ehemaligen ROLAND ProzessFinanz, dieses Jahr auf 20 Jahre Prozessfinanzierung am und für den deutschsprachigen Markt zurückblicken kann.

DisputeResolution: Warum sollten mittelständische Firmen oder auch Großunternehmen ihre Prozesse nicht allein finanzieren, Herr Wielinga?

Wieger Wielinga: In der Tat tun sie das ja meistens. Eine andere Strategie wäre jedoch, Rechtsverfolgungskosten zu sparen, Verlustrisiken auszulagern und sich mit dem Prozessfinanzierer Litigation-Know-how und ein dem Erfolg verpflichtetes Teammitglied einzukaufen. Dies entlastet die Rechtsabteilungen und die Bilanzen, was vor allem für die mittelständische Industrie hilfreich ist. Bei den Großunternehmen ist es zum Beispiel so, dass die Deutsche Bahn eine eigene Kartellabteilung eingerichtet hat, um Schadensersatzansprüche selbst zu verfolgen.

DisputeResolution: Stichwort Know-how. Kann ein Prozessfinanzierer eigentlich alles erforderliche rechtliche Wissen vorhalten, um in verschiedenen Rechtsgebieten die Erfolgswahrscheinlichkeiten von Ansprüchen beurteilen zu können?

Dr. Arndt Eversberg: Das ist natürlich eine berechtigte Frage. Zunächst muss man festhalten, dass wir keine Rechtsberatung leisten. Dies ist den Anwälten vorbehalten, und das ist auch gut so. Wir bekommen daher Fälle bereits anwaltlich aufbereitet zur Prüfung – oder zumindest sollte das der Fall sein. Daneben haben natürlich unsere Investment-Manager, wie sie intern bei uns heißen, Gebiete, auf die sie spezialisiert sind. Ist das Wissen nicht vorhanden, kaufen wir es bei externen Spezialisten ein und stellen es im Rahmen einer Finanzierung natürlich auch dem mandatierten Anwalt zur Verfügung. Aus der Praxis kann ich noch anfügen, dass die allermeisten Fälle jedoch an Beweis- oder Darlegungsproblemen scheitern, und nicht an ihren Rechtshürden.

DisputeResolution: Abschließend, meine Herren, was kann Ihr Input für die Leser des DisputeResolution-Magazins im Jahr 2021 sein? Haben Sie schon Ideen?

Dr. Arndt Eversberg: Herr Wegerich, der Umgang mit rechtlichen Auseinandersetzungen gehört zu unser aller beruflichem Alltag. Wir würden uns freuen, wenn wir beispielsweise unser Know-how in Sachen Durchsetzung von Kartellschadensersatz und Vollstreckung von Urteilen im In- und Ausland oder auch unsere Erfahrung in ICSID-Schiedsverfahren mit den Kolleginnen und Kollegen teilen dürften. Als Prozessfinanzierer ist die Einschätzung von Risiken unser Geschäft, auch dazu könnte ich mir einen interessanten Austausch vorstellen. In diesem Sinne: „No risk, no fun“. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.

DisputeResolution: Wir uns auch. Meine Herren, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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