Die Corporate Sustainability Reporting Directive („CSRD“) fordert die Immobilienbranche heraus

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Die Europäische Union hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Deutschland möchte dies sogar schon bis 2045 schaffen. Als Zwischenziel des „European Green Deal“ sollen bis 2030 die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um 55% reduziert werden.

Dieses Ziel stellt insbesondere die Immobilienbranche vor eine große Herausforderung. Gemäß den Vorgaben des Bundesklimaschutzgesetzes muss der Sektor „Gebäude“ seine Treibhausgasemissionen von aktuell 118 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten bereits bis 2030 auf 67 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente nahezu halbieren (vgl. aktuellen Bericht des Umweltbundesamts zur Berechnung der Treibhausgasemissionsdaten für das Jahr 2021 gemäß Bundesklimaschutzgesetz vom 10.03.2022).

Transparenz als Mittel zur Förderung nachhaltiger wirtschaftlicher Aktivitäten

Durch die Einführung von umfassenden Transparenzpflichten sollen, nach den Vorstellungen der Europäischen Union, nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeiten gefördert werden. Marktteilnehmer werden hierdurch gezwungen, zukünftig mit offenen Karten zu spielen und transparent zu machen, inwieweit ihre Tätigkeit ökologisch nachhaltig ist. Diese Offenlegungsverpflichtung gilt bereits heute – in eingeschränktem Umfang – für Finanzunternehmen und Finanzberater. Darüber hinaus gilt sie auch schon nach der sogenannten Non-Financial Reporting Directive („NFRD“) für sehr große, kapitalmarktorientierte Unternehmen (also in der Regel große europäische Aktiengesellschaften).

Taxonomieverordnung zur Definition nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten

Mit der Taxonomieverordnung (2020/852, „Taxonomie-VO“) hat der EU-Gesetzgeber ein einheitliches Klassifizierungssystem für den Begriff der Nachhaltigkeit eingeführt. Neben den Bereichen soziale und unternehmensbezogene Nachhaltigkeit wurde auch der Begriff „ökologisch nachhaltig“ definiert. Gemäß der Taxonomie-VO ist eine Wirtschaftstätigkeit dann ökologisch nachhaltig, wenn sie mindestens eines von sechs abschließend definierten Umweltzielen positiv beeinflusst, keines der anderen Umweltziele erheblich beeinträchtigt („Do no significant harm“) und wenn ein Mindestschutz von Menschenrechten und Arbeitsstandards eingehalten wird (vgl. Art. 3 und Art. 9 Taxonomie-VO). Für zwei der sechs Umweltziele gibt es bereits im delegierten Rechtsakt 2021/2139 konkrete technische Bewertungskriterien. Für die restlichen Umweltziele wird ein weiterer delegierter Rechtsakt noch in diesem Jahr erwartet. Überdies sollen die technischen Bewertungskriterien regelmäßig an den Stand der Technik angepasst werden. Hier ist also einiges im Fluss. Dies zeigt nicht zuletzt die aktuelle und sehr kontrovers diskutierte Entscheidung des Europaparlaments vom 06.07.2022, auch Atom- und Gaskraftwerke in die Taxonomie-VO aufzunehmen und damit als nachhaltig zu qualifizieren.

Wen treffen die neuen Offenlegungspflichten?

Für das Verständnis der Offenlegungspflichten ist das Verständnis vom Verhältnis der Taxonomie-VO zur CSRD entscheidend. Zukünftig werden nun wesentlich mehr Unternehmen einen Bericht über nicht-finanzielle Informationen veröffentlichen müssen und dabei nachhaltigkeitsbezogene Angaben publizieren. Gemäß dem Entwurf der CSRD, der noch einmal nach europaweiten politischen Verhandlungen angepasst wurde, trifft die Berichtspflicht in absehbarer Zeit alle Unternehmen, die zwei der drei nachfolgenden Kriterien erfüllen: (i) 20 Millionen Euro Bilanzsumme, (ii) 40 Millionen Euro Umsatzerlöse oder (iii) im Jahresdurchschnitt mehr als 250 Arbeitnehmer. Im Immobiliensektor dürften nicht wenige Unternehmen die zwei finanziellen Kriterien erfüllen und deshalb zeitnah in die Berichtspflicht „rutschen“.

Auch kleinere und mittelgroße Unternehmen (sogenannte „KMU“), die kapitalmarktorientiert sind, müssen über die Nachhaltigkeit ihrer Tätigkeit berichten. Kapitalmarktorientiert sind dabei unabhängig von der Größe alle Unternehmen, die zum Beispiel Aktien, Zertifikate oder Schuldverschreibungen ausgeben. Die kapitalmarktorientierten KMU fallen zukünftig grundsätzlich in den Anwendungsbereich der CSRD, können jedoch unter einen etwas weicheren Offenlegungsmaßstab fallen. Zusätzlich soll ein zeitlich befristeter sogenannter „Opt-out“ gelten, also die Möglichkeit für KMU, bis 2028 auf die Veröffentlichung eines nicht-finanziellen Berichts zu verzichten. Kapitalmarktorientierte Kleinstunternehmen sind von der Berichtspflicht ausgenommen.

Für außereuropäische Unternehmen gilt die Pflicht zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts für alle Unternehmen, die in der EU einen Nettoumsatz von 150 Millionen Euro oder mehr erzielen und mindestens eine Tochtergesellschaft oder Niederlassung in der EU haben.

Was ist Inhalt der neuen Offenlegungspflichten?

Die betroffenen Unternehmen, die unter die CSRD fallen, sind danach verpflichtet, jährlich offenzulegen,

  • ob und in welchem Umfang die Wirtschaftstätigkeiten des Unternehmens grundsätzlich taxonomiefähig sind, ob also bereits technische Bewertungskriterien für die Tätigkeit existieren und die Tätigkeit grundsätzlich geeignet ist, einen wesentlichen Beitrag zu einem der sechs Umweltziele zu leisten, und
  • ob und in welchem Umfang die Wirtschaftstätigkeiten des Unternehmens taxonomiekonform sind, sie also die jeweiligen einschlägigen technischen Bewertungskriterien erfüllen und dadurch einen wesentlichen Beitrag leisten und kein anderes Umweltziel erheblich beeinträchtigen und ob sie die Anforderungen an den Mindestschutz von Menschenrechten und Arbeitsstandards erfüllen.

Nach bisherigem Stand ist weder in Bezug auf das jeweilige Unternehmen noch in Bezug auf den Marktbereich eine bestimmte Quote zu erfüllen. Es handelt sich bei der EU-Taxonomie um ein reines Transparenzinstrument. Aufgrund des Zusammenspiels von Offenlegungspflichten und finanzmarktbezogenen Regulierungsinstrumenten werden taxonomiekonformen Projekten jedoch bessere Finanzierungsmöglichkeiten offenstehen. Konkret bezogen auf die Immobilienbranche bedeutet dies, dass die Taxonomiekonformität eines Projekts und seiner handelnden Akteure die Attraktivität einer Immobilie für Investoren und Finanzierer steigert.

Worüber werden Immobilienunternehmen berichten?

Für den Immobilienbereich sind die Umweltziele „Klimaschutz“ (englisch: „climate change mitigation“) und „Anpassung an den Klimawandel“ (englisch: „climate change adaptation“) gemäß Art. 9 Taxonomie-VO im delegierten Rechtsakt 2021/2139 („delegierter Rechtsakt“) durch zahlreiche relevante technische Bewertungskriterien konkretisiert worden. Grundsätzlich taxonomiefähig sind unter anderem die Neuerrichtung von Gebäuden, (bestimmte) Renovierungsmaßnahmen an Gebäuden, der Erwerb sowie die Vermietung von Gebäuden. Damit diese taxonomiefähigen Tätigkeiten dann auch taxonomiekonform sind, müssen sie die technischen Bewertungskriterien mindestens eines Umweltziels erfüllen und gleichzeitig die Negativvorgaben beachten. Der delegierte Rechtsakt enthält für die beiden geregelten Umweltziele jeweils eine separate Anlage. Die Anlagen gliedern sich wiederum in zahlreiche einzelne Wirtschaftstätigkeiten. Für jede einzelne Wirtschaftstätigkeit wird gesondert geregelt, unter welchen Voraussetzungen das Umweltziel einerseits als gefördert gilt („wesentlicher Beitrag“) und welche technischen Anforderungen andererseits für die Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen („Do no significant harm“) gelten. Für den deutschen Rechtsanwender ist hierbei sehr ungewohnt, dass in dem delegierten Rechtsakt nichts „vor die Klammer gezogen“ oder verallgemeinert wird. Jedes Umweltziel hat eigene technische Anforderungen, und das sowohl auf der Positivseite (wesentlicher Beitrag zur Erreichung des jeweiligen Umweltziels) als auch auf der Negativseite (Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen der übrigen Umweltziele).

Haben die Berichtspflichten Auswirkungen auf Vertragsmuster?

Auf der einen Seite geben die Taxonomie-VO und der hierzu ergangene delegierte Rechtsakt konkret einzuhaltende technische Kriterien vor. Diese sind entweder erfüllt oder aber nicht. Auf die Frage, ob die Parteien sich um die Erfüllung bemüht haben, kommt es nicht an. Auf der anderen Seite können diese technischen Kriterien jedoch selten allein und ohne die Mitwirkung der weiteren Marktteilnehmer dokumentiert und nachgewiesen werden. Beispiel: Soll die Vermietung einer Immobilie durch eine Modernisierungsmaßnahme zukünftig als taxonomiekonform eingestuft werden, bedeutet dies, dass von Anfang an möglichst genau festzulegen ist, durch welche konkrete Tätigkeit für welches der sechs Umweltziele ein wesentlicher Beitrag geleistet werden soll. Dies ist dann entsprechend klar vertraglich festzuhalten. Es genügt also nicht, dass die Parteien lediglich versprechen, sich um eine nachhaltige, ressourcenschonende und ökologische Nutzung zu bemühen.

Die Herausforderung für Rechtsabteilungen und Rechtsberater in diesem Bereich liegt darin, entsprechende Anpassungen mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Einklang zu bringen und auch den Datenschutz nicht aus den Augen zu verlieren.

Fazit

Nach Inkrafttreten der CSRD werden wesentlich mehr Unternehmen als bisher offenlegen müssen, wie nachhaltig ihre wirtschaftliche Tätigkeit ist. Vermieter und andere Akteure aus der Immobilienbranche, die ihren Stakeholdern zukünftig eine grüne Weste präsentieren wollen, sollten die Taxonomie-VO nicht aus dem Blick verlieren und ihre Mietverträge darauf prüfen, ob sie die Umsetzung der (technischen) Anforderungen der Taxonomie-VO ermöglichen.

 

j.callet@taylorwessing.com

f.hahn@taylorwessing.com

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