Im Blickpunkt: Voraussetzungen und Ablauf einer Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO
Von Florian Harig

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Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung stößt in der Praxis häufig (noch) auf Unsicherheit, da die Beteiligten wenig Erfahrungen damit haben und die Besonderheiten nicht einschätzen können.

Voraussetzungen und Besonderheiten

Die Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. InsO stellt kein eigenes Verfahren dar. Es handelt sich vielmehr um Sonderregelungen zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Insolvenzschuldners im (vorläufigen) Insolvenzverfahren. Dies erfolgt anders als im „normalen“ Insolvenzverfahren nicht durch einen (vorläufigen) Insolvenzverwalter, sondern durch den Schuldner oder das schuldnerische Unternehmen selbst. Überwacht wird der Schuldner von einem durch das Insolvenzgericht bestellten (vorläufigen) Sachwalter. Die Insolvenzverwaltung in Eigenverwaltung ist bereits seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung geregelt. Die Verfahrensart wurde jedoch nur selten angeordnet. Durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) aus dem Jahr 2012 wurde die Möglichkeit einer Eigenverwaltung mittels der §§ 270a und b InsO gefördert und wird seither häufiger beantragt und angeordnet.
Die Eigenverwaltung bedarf eines gesonderten Antrags des Schuldners. Weiter dürfen keine Umstände bekannt sein, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Sofern der Antrag des Schuldners nicht offensichtlich aussichtslos ist, soll das Gericht nach § 270a InsO bereits im Eröffnungsverfahren davon absehen, eine vorläufige Insolvenzverwaltung anzuordnen, und stattdessen einen vorläufigen Sachwalter bestellen.
Die Verwaltung nach § 270b InsO – das sogenannte Schutzschirmverfahren – kann beantragt werden, wenn der Schuldner lediglich zahlungsunfähig zu werden droht oder nur überschuldet und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. In diesem Fall bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist von maximal drei Monaten zur Vorlage eines Insolvenzplans. Auch nach § 270b InsO wird ein vorläufiger Sachwalter bestellt.

Anordnung der Eigenverwaltung in der Praxis

Die Eigenverwaltung kommt insbesondere bei Vorliegen einer mittelfristigen Fortführungsmöglichkeit des Unternehmens sowie einer konkreten Sanierungsperspektive in Betracht. Die Fortführung sollte auch unter Vollkosten, also nach Auslaufen des Insolvenzgeldzeitraums, möglich sein. Die Sanierungsperspektive kann insbesondere in einem Insolvenzplan liegen. Auch wenn sich im Lauf des Verfahrens eine übertragende Sanierung mittels Assetdeals als bessere Lösung herausstellt, kann die Eigenverwaltung angeordnet bleiben.
Die Anordnung der Eigenverwaltung ist insbesondere in solchen Fällen sinnvoll, in denen der Schuldner oder die Geschäftsführung das Vertrauen der Geschäftspartner besitzt und der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen (vorläufigen) Insolvenzverwalter für die Fortführung des Unternehmens aufgrund des damit einhergehenden Wechsels kontraproduktiv wäre. Durch die Eigenverwaltung bleiben die den Geschäftspartnern bekannten Personen am Ruder. Mit der gerichtlichen Bestellung eines Sachwalters wird zugleich dafür Sorge getragen, dass die Voraussetzungen und Regelungen der Insolvenzordnung beachtet werden. Der Sachwalter hat die Aufgabe, den Schuldner bei der Eigenverwaltung zu überwachen, und sofern er Nachteile für die Gläubigergemeinschaft feststellt, dies dem Gläubigerausschuss sowie dem Insolvenzgericht zu melden. Die Eigenverwaltung bietet sich daher etwa in Fällen an, in denen externe Gründe maßgeblich für die Krise des Unternehmens verantwortlich sind und die Geschäftsführung weiter das Vertrauen im Markt genießt.
Bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags sowie dem Vorhandensein der für eine weitgehend eigenverantwortliche Abwicklung des Verfahrens notwendigen geordneten Strukturen in Management und Buchhaltung ist die Eigenverwaltung aufgrund des geringeren Eingriffs in den betrieblichen Ablauf eine hervorragende Sanierungsmöglichkeit. Soweit das Management das Konzept der Sanierung und die Idee der Eigenverwaltung mitträgt, können die notwendige Transparenz und das Vertrauen der Gläubiger erlangt werden.

Schutzschirmverfahren und Insolvenzplan

Gerade beim Ziel eines Insolvenzplans ist die Anordnung der Eigenverwaltung sinnvoll, da der Schuldner unterbrechungslos verwaltungs- und verfügungsbefugt bleibt. Nach Bestätigung eines Insolvenzplans und Aufhebung des Verfahrens muss er nicht wieder in diese Rolle zurückkehren, sondern hatte sie die ganze Zeit über inne. Das mit dem ESUG geschaffene Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO geht von einem Verfahrensabschluss mittels Insolvenzplan aus. Nach Einführung dieser Regelung herrschte großes Interesse am Schutzschirmverfahren. Dies liegt zum Teil daran, dass sowohl Geschäftsführern als auch Gläubigern nicht immer bewusst ist, dass auch bei Einleitung eines Schutzschirmverfahrens letztlich das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Es soll jedoch in Eigenverwaltung durchgeführt und nach Möglichkeit mittels Insolvenzplans abgeschlossen werden. Zudem kann der Schuldner einen Vorschlag hinsichtlich der Person des Sachwalters machen, dem das Gericht folgen muss, soweit nicht zwingende Gründe dagegen sprechen.
In der öffentlichen Wahrnehmung stellen die Eigenverwaltung und insbesondere das Schutzschirmverfahren häufig eine Art außergerichtlichen Sanierungsverfahrens dar. Sofern dann das Insolvenzverfahren eröffnet wird, kommt es gegebenenfalls zu einem Moment der Ernüchterung, da die Gläubiger einsehen müssen, dass die Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden sind und lediglich eine Quotenzahlung erfolgen wird. Die Kommunikation der Verfahrensart spielt daher bereits unmittelbar nach Insolvenzantragstellung eine erhebliche Rolle.

Eigenverwaltung bei natürlichen Personen

Die Eigenverwaltung ist sowohl bei juristischen als auch bei natürlichen Personen möglich. Insbesondere bei natürlichen Personen, die eine freiberufliche Tätigkeit ausüben, kann die Anordnung der Eigenverwaltung sinnvoll sein, um einen Wechsel der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu vermeiden und hierdurch die Tätigkeit berufsrechtlich weiter ausüben zu können. Bei Verfahren über das Vermögen natürlicher Personen in Eigenverwaltung muss der Sachwalter sich gegebenenfalls mehr einbringen, da der Schuldner keine tiefgreifende Kenntnis vom Insolvenzrecht hat. Dies wird bei größeren Unternehmen häufig durch das Implementieren eines Restrukturierungsexperten als Eigenverwaltungsgeschäftsführer sichergestellt.

Zusammenfassung

Die Eigenverwaltung ist in Fällen, in denen ein Unternehmen dauerhaft fortgeführt werden kann und sich eine konkrete Sanierungsperspektive bietet, zur Erhaltung des Know-hows und des Vertrauens der Geschäftspartner sinnvoll. Bei frühzeitiger Antragstellung und einem sanierungsorientierten Management sollte diese Möglichkeit in jedem Fall in Betracht gezogen werden. Da der Sachwalter lediglich 60% der Regelvergütung eines Insolvenzverwalters erhält, ist es auch die günstigere Alternative für die Gläubigergemeinschaft. Wichtig ist, das Insolvenzgericht und die Gläubiger einzubinden und Transparenz in der Durchführung herzustellen, um Vertrauen trotz Bestehenbleibens der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners zu erhalten.

florian.harig[at]anchor.eu

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