Pflichtlektüre: „Liquid Legal – Transforming Legal into a Business Savvy, Information Enabled and Performance Driven Industry“

Eine Rezension von Felix Rackwitz, MBA (Cambridge)

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Den Herausgebern ist es gelungen, mit 40 internationalen Autoren aus Rechtsabteilungen, LegalTech, Kanzleien, von alternativen Rechtsdienstleistern und aus der Wissenschaft ein Produkt in englischer Sprache vorzulegen, das sich thematisch am ehesten in der Schnittmenge zwischen juristischer und Managementliteratur einordnen lässt. Gerade diese Positionierung macht es so spannend, es schließt als eines der ersten Werke die bestehende Lücke in der Disziplin des Legal-Operations-Managements.

Eine Bedienungsanleitung

Im Ergebnis ist Liquid Legal eine Bedienungsanleitung für den sich andeutenden Wandel im Rechtsmarkt. Es geht darum, die Treiber der gerade beginnenden Transformation der Rechtsindustrie zu verstehen, Entwicklungen einordnen und die neuen Möglichkeiten ergreifen zu können. Der Titel „Management for Professionals“ ist hier Programm, zieht sich als der rote Faden durch das gesamte Werk und macht es dadurch eben zu so viel mehr als einer Sammlung von einzelnen Artikeln unterschiedlicher Autoren, beginnend mit der die Beiträge verklammernden Einführung von Strathausen.

Liquid Legal ist auf Breite angelegt (454 Seiten) und gibt unterschiedlichen Marktteilnehmern und deren Blickwinkeln Raum, auf das Thema des Legal-Operations-Managements Bezug zu nehmen und ihre Sicht auf die veränderten Erwartungshaltungen und die zukünftige Arbeitsweise von Rechtsabteilungen zu teilen.

Klarer Praxisbezug

Die zahlreichen Beiträge aus Rechtsabteilungen geben hochinteressante Einblicke in die veränderte Arbeit anhand konkreter Projekte und von Ausblicken in die Zukunft (etwa: SAP, NetApp und Capgemini, um nur einige zu nennen). Hier bleibt es nicht nur abstrakt, sondern geht mit der Beschreibung deutlich über das hinaus, was häufig geschrieben wird. Es werden Herausforderungen dargestellt, die die Transformation mit sich bringt, wodurch veränderte Anforderungen an Menschen und Organisationen gestellt werden. Dass es sich hier um Rechtsabteilungen von Großunternehmen handelt, sollte nicht abschrecken. Diese sind Vorreiter und werden den Weg ebnen für Veränderungen, die letztlich auch mittelständischen und kleinen Unternehmen in der Zukunft durch kostengünstigen Zugang zu Recht und Standards zugutekommen werden.

Für die akademischen Beiträge sei genannt Mari Sako (Saïd Business School, Oxford University), die seit Jahren zu Professional Services forscht und führend publiziert und in Liquid Legal einen Beitrag zu Globalisierung und der sich damit verändernden Rolle der General Counsels liefert. Hartung/Gärtner (Bucerius Law School/Linklaters) stellen Thesen auf, wie Rechtsabteilungen in der Zukunft arbeiten und dadurch mittelbar den Rechtsmarkt verändern werden.

Legal Tech …

In Liquid Legal findet Technologie/Legal Tech ebenso mehrfach ihren Platz, anwendungsbezogen und mit zahlreichen praktischen Beispielen in den Beiträgen von Brown (elevate), von Alemann (rfrnz), Zetterberg/Wojcik (Seal Software) und Bues/Matthaei (leverton).

… und Legal-Process-Outsourcing

Der Bereich des Legal-Process-Outsourcings (LPOs) wird in zwei Beiträgen ebenso eingehend dargestellt, und zwar von beiden Seiten: den Rechtsabteilungen als Kunden (Microsoft) und den neuen Anbietern (Integreon). Eine solche Sicht und Darstellung der internationalen Entwicklungen, die nach Ansicht des Verfassers auch in Deutschland in der Zukunft deutlich mehr Relevanz erfahren werden, fehlte bisher im deutschen Markt nahezu vollständig.

Den Beiträgen sind jeweils Zusammenfassungen (Abstracts) vorangestellt, und Einordnungen der Herausgeber am Ende eines jeden Abschnitts sind wiederum sehr hilfreich, um zwischen den unterschiedlichen Beiträgen Brücken zu schlagen und weitere Denkanstöße geben. Die Zusammenfassungen ersetzen aber kein Schlagwortregister oder konsolidiertes Quellenverzeichnis, was bei einer Neuauflage wünschenswert wäre. Ebenso sind die zahlreichen Grafiken, die das Werk gerade von traditioneller juristischer Literatur abheben, zum Teil in den Graustufen und der Schriftgröße leider nicht so gut lesbar. Vielleicht könnten diese über einen Link zum Download angeboten werden.

Das aber soll Liquid Legal keinen Abbruch tun. Das Buch übertreibt auf der Buchrückseite nicht, wo es heißt, es sei ein „Must-read“ (und mithin nicht nur ein „Must-have“). Denn das ist es in der Tat und im wahrsten Sinne des Wortes, da sich der Inhalt nur dem erschließt, der es wirklich intensiv durchgeht und liest. Das fällt aber nicht schwer, da man – wenn man hier einmal einsteigt – das Buch kaum wieder aus der Hand zu legen vermag.

Fazit

Daher sei nicht nur Rechtsabteilungen die Lektüre angeraten, sondern vielmehr auch allen, die sich mit den stattfindenden und weiter zu erwartenden Umbrüchen in der Rechtsindustrie und auf der Nachfrageseite auseinandersetzen wollen (also auch etablierten Anbietern von Rechtsdienstleistungen, die besser sehr zeitnah damit beginnen sollten, wenn sie die Bedürfnisse ihrer Mandanten weiterhin verstehen wollen). Den Herausgebern ist mit Liquid Legal ein wirklich großer Wurf gelungen.

Das Werk: „Liquid Legal – Transforming Legal into a Business Savvy, Information Enabled and Performance Driven Industry“, herausgegeben von Kai Jacob, Dierk Schindler und Roger Strathausen, Springer International Publishing, 1. Auflage 2017.

felix.rackwitz@tpr-legal.com

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