BGH: Die faktische Kontinuität des Kundenstamms reicht beim anonymen Massengeschäft jedenfalls nicht aus
Von Dr. Dagmar Waldzus, LL.M.

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Mit Urteil vom 05.02.2015 hat der Bundesgerichtshof (BGH, Az. VII ZR 109/13) die klageabweisenden Entscheidungen der beiden Vorinstanzen bestätigt. Diese hatten es jeweils abgelehnt, einem Franchisenehmer nach Beendigung seiner Franchiseverträge einen Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB zuzubilligen.

Der Kläger hatte als Verwalter in dem Insolvenzverfahren eines Franchisenehmers einer Handwerksbäckereikette einen Anspruch in Höhe von über 116.000 Euro geltend gemacht. Dabei stützte er sich auf die analoge Anwendung der auf Handelsvertreterverhältnisse zugeschnittenen Norm des § 89b HGB.

Beide Vorinstanzen hatten den Ausgleichsanspruch mit der Begründung abgelehnt, die Voraussetzungen einer solchen analogen Anwendung lägen nicht vor, da hierfür eine dem Handelsvertreterverhältnis vergleichbare Interessenlage gegeben sein müsse. Daran fehle es.

Der BGH hat sich dieser Auffassung angeschlossen: Zwar sei das Rechtsverhältnis der beiden Vertragsparteien so ausgestaltet, dass die Aufgabenstellung des Franchisenehmers innerhalb der Absatzorganisation des Franchisegebers derjenigen eines Handelsvertreters vergleichbar sei. Es fehle jedoch an der Verpflichtung des Franchisenehmers, nach Vertragsbeendigung den Kundenstamm auf den Franchisegeber zu übertragen, damit dieser sich die Vorteile daraus unmittelbar zunutze machen könne. Die bloß faktische Kontinuität des Kundenstamms in einem Franchiseverhältnis, das im Wesentlichen ein anonymes Massengeschäft beträfe, rechtfertige die analoge Anwendung des § 89b HGB nicht.

Die Gretchenfrage bleibt unbeantwortet …

Ob und unter welchen Voraussetzungen auch einem Franchisenehmer nach Vertragsbeendigung ein Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB zustehen kann, ist ein vieldiskutiertes Thema im Franchising. Nach der Rechtsprechung des BGH sind Vorschriften des Handelsvertreterrechts dann auf einen Franchisevertrag entsprechend anwendbar, wenn der hinter der jeweiligen Einzelnorm des HGB stehende Grundgedanke wegen der Gleichheit der Interessenlage auch auf das Verhältnis zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer übertragbar ist. Für die Vorschrift des § 89 HGB (unter anderem Urteil vom 17.07.2002, Az. VIII ZR 59/01) und die Vorschrift des § 90a HGB (Urteil vom 12.11.1986, Az. I ZR 209/84) hat der BGH die analoge Anwendung auf Franchiseverhältnisse bestätigt.

Für Vertragshändlerverträge ist spätestens seit der „JOOP!“-Entscheidung im Jahr 2010 auch die analoge Anwendung des § 89b HGB bestätigt (BGH, Urteil vom 29.04.2010, Az. I ZR 3/09).

Eine Reihe von Gerichten (auch Obergerichte) haben auch die analoge Anwendung des § 89b HGB für Franchiseverhältnisse bejaht (unter anderem OLG Celle, Urteil vom 19.04.2007, Az. 11 U 279/06; OLG München, Urteil vom 26.06.2002, Az. 7 U 5730/01; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 10.12.1999, Az. 3/8 O 28/99), während der BGH dies bislang immer offengelassen hat.

Und auch im vorliegenden Fall konnte der BGH sich um die Beantwortung dieser Frage „drücken“. Es ist demnach weiterhin nicht höchstrichterlich entschieden, ob die Vorschrift des § 89b HGB überhaupt analog auf Franchiseverträge anwendbar ist. Ebenso ist letztlich offen geblieben, ob das tatsächliche Verbleiben des Kundenstamms beim Franchisegeber die analoge Anwendung des § 89b HGB rechtfertigen kann, während im Vertragshändlerverhältnis eine rechtliche Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms erforderlich ist.

Klarheit: Wann § 89b HGB in Franchiseverhältnissen jedenfalls keine Anwendung findet

Die erste Voraussetzung der für die Analogie erforderlichen „vergleichbaren Interessenlage“ hatte der BGH noch für erfüllt angesehen: Der Franchisenehmer, der einen vollständig eingerichteten und betriebsbereiten Backshop übernommen hatte, sei in erheblichem Maße in die Absatzorganisation des Franchisegebers eingebunden gewesen. Neben der Einhaltung der Corporate Identity sei er auch zum Alleinbezug sämtlicher Backwaren und Rohstoffe sowie zu deren Weiterverarbeitung benötigter Produkte vom Franchisegeber oder von Lieferanten verpflichtet gewesen, die der Franchisegeber bestimmt hatte.

An dem weiteren für die vergleichbare Interessenlage erforderlichen Element fehlte es nach Auffassung des BGH in der vorliegenden Konstellation jedoch: nämlich an einer Verpflichtung des Franchisenehmers, dem Franchisegeber seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass dieser sich bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann. Die für Vertragshändlerverträge bereits entschiedene Feststellung, dass die bloß faktische Kontinuität des Kundenstamms jedenfalls für eine entsprechende Anwendung des § 89b HGB nicht ausreiche, bestätigte der BGH damit auch für Franchiseverhältnisse.

Pflicht zur Rückgabe der Geschäftsräume recht-fertigt die Anwendung von § 89b HGB nicht

Dem Franchisenehmer war zu Vertragsbeginn ein vollständig ausgestattetes Backgeschäft in einer vom Franchisegeber angemieteten Fläche zur Verfügung gestellt worden. Nach Vertragsbeendigung war er verpflichtet, die Geschäftsräume wieder an den Franchisegeber herauszugeben, damit dieser das Backgeschäft an einen neuen Franchisenehmer übergeben oder das Geschäft selbst weiterbetreiben konnte. Von einer Kontinuität der Kundenfrequenz ist in dieser Konstellation also auszugehen.

Aus dieser Verpflichtung zur Übergabe der Geschäftsräume dann jedoch zu folgern, dass dem Franchisenehmer auch analog § 89b HGB ein Ausgleichsanspruch zustehen müsse, lehnte der BGH ausdrücklich ab und verwies hierzu auf die gesetzliche Wertung zum Pachtverhältnis: Bei der Rückgabe der Pachtsache komme dem Verpächter ein etwaiger Wertzuwachs zugute, für den der Pächter keinen Ausgleich verlangen könne. Der Schutzbereich des § 89b HGB sei also gar nicht berührt.

Das auch in der Literatur vertretene Argument, bei einem anonymen Massengeschäft wie dem vorliegenden sei das Erfordernis einer Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms sinnlos, fegte der BGH recht kurz vom Tisch: Selbst wenn dies zuträfe, ändere sich nichts daran, dass bei bloß faktischer Kontinuität des Kundenstamms keine hinreichende Ähnlichkeit der Interessenlage des Franchisenehmers mit der des Handelsvertreters bestehe.

Deutlichere Worte aus dem Norden: Ein Franchisenehmer ist kein Handelsvertreter

Nur wenige Wochen vor Verkündung des BGH-Urteils hatte das OLG Schleswig entschieden (Hinweisbeschluss vom 11.12.2014 – Az. 4 U 48/14), dass eine analoge Anwendung des § 89b HGB auf das Franchiseverhältnis, welches das Betreiben eines Tierhandels- und Zoo-Fachmarkts zum Gegenstand hatte, wegen des Fehlens einer dem Handelsvertreter vergleichbaren Interessenlage ausscheide. Die dort vorgesehene Verpflichtung des Franchisenehmers, an Kundenbindungsprogrammen, Kundenkarten und anderen Maßnahmen teilzunehmen, bei denen Kundendaten übermittelt wurden, erachtete das OLG Schleswig für nicht ausreichend, da diese nicht der Übertragung des Kundenstammes diene, sondern den Zweck habe, eine – auch im Interesse des Franchise­nehmers liegende – zentral organisierte Werbung zu ermöglichen.

Bedenken gegen die analoge Anwendung des § 89b HGB äußerte das OLG Schleswig vor allem im Hinblick darauf, dass diese Vorschrift dem Handelsvertreter einen Ausgleich dafür gewähren solle, dass er mit dem Aufbau eines Kundenstamms für den Unternehmer eine Leistung erbracht habe, die während der Vertragszeit noch nicht abgegolten werde. Dass der Franchisenehmer während der Vertragslaufzeit Leistungen erbracht habe, die durch den mit Hilfe des Fachmarktkonzepts und der zentralen Werbung erwirtschafteten Gewinn nicht abgegolten sei, sei nicht ersichtlich.

Kurz gesagt: Der Franchisenehmer ist eben kein Handelsvertreter und diesem (hier) auch nicht vergleichbar.

waldzus@buse.de

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