Eine Praxisanleitung

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Früher Renteneintritt verschärft Fachkräftemangel

In den vergangenen Jahren hat rund die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland vor der Regelaltersgrenze eine Rente beantragt. Das tatsächliche Renteneintrittsalter lag bei durchschnittlich rund 64 Jahren und damit etwa zwei Jahre unter der aktuellen Regelaltersgrenze. Geht man von der avisierten Regelaltersgrenze von 67 Jahren aus, sind es sogar drei Jahre. Trotz der Diskussion über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit wollen damit viele Beschäftigte einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbs­leben realisieren. Dies verschärft den ohnehin bestehenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel. Viele Unternehmen versuchen daher, ältere Arbeitskräfte weiter zu beschäftigen, auch nachdem diese schon in Rente gegangen sind. Hierzu müssen etliche sozialrechtliche, arbeitsrechtliche und auch steuerrechtliche Fragen geklärt werden, so dass anzuraten ist, dass Arbeitgeber und Beschäftigte darüber bereits frühzeitig in Kontakt treten sollten. Müssen noch rentenrechtliche Fragestellungen geklärt werden (zum Beispiel Lücken im Versicherungsverlauf) sollten die Gespräche mindestens drei Monate vor der geplanten Weiter­beschäftigung aufgenommen werden.

Rentenarten und Altersgrenzen – was zu tun ist

In einem ersten Schritt muss geklärt werden, welche Renten­arten denn für die Beschäftigten überhaupt in ­Betracht kommen. Relevant sind im Rentenrecht nach § 33 Abs. 2 SGB VI nur noch vier Altersrentenarten, für die unterschiedliche persönliche und rentenrechtliche Voraussetzungen zu erfüllen sind. Die Regelaltersrente setzt eine versicherungsrechtlich eine allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (60 Monate) voraus, die Altersrente für langjährig Versicherte und die Altersrente für schwerbehinderte Menschen eine Wartezeit von 35 Jahren und die Altersrente für besonders langjährig Versicherte eine Wartezeit von 45 Jahren. Auch die Altersgrenzen dieser vier Rentenarten sind unterschiedlich.

Alle Altersgrenzen sind in den vergangenen Jahrzehnten angehoben worden. Eine Anhebung gilt generell für Personen der Jahrgänge ab 1964. Die Regelaltersrente und die Rente für langjährig Versicherte können für diese Jahrgänge nur noch ab 67 Jahren in Anspruch genommen werden. Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte und die Altersrente für schwerbehinderte Menschen gibt es ab 65 Jahren. Zwei dieser vier Altersrenten können vorzeitig in Anspruch genommen werden, dies gilt für die Altersrente für langjährig Versicherte und die Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Die Altersrente für langjährig Versicherte kann ab dem 63. und die Altersrente für schwerbehinderte Menschen kann ab Jahrgang 1964 ab dem 62. Lebensjahr in Anspruch genommen werden. Für die Jahrgänge davor ist der vorzeitige Bezug dieser Altersrente vom 60. auf das 61. Lebensjahr stufenweise für bestimmte Jahrgänge angehoben worden. Für beide Renten­arten gilt schließlich, dass die vorzeitige Inanspruchnahme mit Abschlägen verbunden ist, die für jeden Monat des vorzeitigen Bezuges 0,3 Prozent­punkte Abschlag betragen. Demgemäß beträgt der ­höchste Abschlag bei der Altersrente für langjährig Versicherte 14,4%, und die höchsten Abschläge bei den Altersrenten für Schwerbehinderte betragen insgesamt bis zu 10,8%. Die Abschläge gelten für die gesamte Rentenlaufzeit und mindern auch die Höhe der Hinterbliebenenrenten.
Für die Dispositionsmöglichkeiten zwischen Arbeit­geber und Beschäftigten ist schließlich wichtig, dass die Abschläge durch Einmalzahlungen ausgeglichen werden können. Die Höhe dieser Ausgleichszahlungen kann von den Rentenversicherungsträgern festgestellt werden und sind dort zu beantragen, was jeweils nach dem ­50. Lebens­jahr möglich ist. Eine bedeutsame Änderung ist ab dem 01.01.2023 eingetreten, weil ab diesem Zeitpunkt bei allen Versichertenrenten kein Hinzuverdienst mehr zu berücksichtigen ist. Damit können ältere Beschäftigte sowohl Rente als auch Erwerbseinkommen erzielen. Bei Hinterbliebenenrenten bleibt es bei einer Anrechnung von Erwerbseinkommen.

Arbeits- und steuerrechtliche Regelungen

Arbeitsrechtlich bleibt zunächst festzuhalten, dass ein Anspruch auf Rente wegen Alters nicht als Kündigungsgrund nach dem Kündigungsschutzgesetz angesehen werden kann (§ 41 Satz 1 SGB VI). Des Weiteren ist arbeitsrechtlich danach zu unterscheiden, ob die Beschäftigung vor oder nach Erreichen der Regelaltersgrenze ausgeübt werden soll. Üblicherweise ist in den Arbeitsverträgen geregelt, dass diese mit Erreichen der Regelaltersgrenze enden. In diesem Fall greift § 41 Satz 3 SGB VI ein. Diese Regelung im Rentenrecht geht dem Teilzeit- und Befristungsgesetz vor. Die Regelung hat drei Voraussetzungen: Zunächst muss ein bestehendes Arbeitsverhältnis vorliegen. Dieses Arbeitsverhältnis muss zweitens durch Erreichen der Regelaltersgrenze enden. Und schließlich soll der Beendigungszeitpunkt hinausgeschoben werden. Somit ist wichtig, dass eine arbeitsrechtliche Vereinbarung vor der Beendigung getroffen werden muss, also im Extremfall am letzten Tag der Beschäftigung.

Strittig und noch nicht abschließend durch die Rechtsprechung geklärt ist die Frage, ob aus dieser Regelung auch eine weitere Vertragsanpassung abgeleitet werden kann, zum Beispiel eine Verkürzung der Arbeitszeit oder eine andere inhaltliche Vertragsanpassung. Um diese Rechtsunsicherheit nicht entstehen zu lassen, kann zum Beispiel für den letzten Monat der regulären Beschäftigung eine einvernehmliche vertragliche Anpassung der Arbeitszeit vereinbart werden, die dann über § 41 Satz 3 SGB VI ­weiter hinausgeschoben werden kann.

Endet das Beschäftigungsverhältnis vor Erreichen der Regelaltersgrenze oder wird eine Beschäftigung nicht unmittelbar nach dem Ende der Beschäftigung infolge der Begrenzung auf die Regelaltersgrenze angestrebt, findet § 41 Satz 3 SGB VI keine Anwendung. Hier käme dann das Teilzeit- und Befristungsgesetz zum Tragen. Eine sachgrundlose Befristung würde nach § 14 Abs. 2 Satz 2 scheitern, weil es eine Vorbeschäftigung gäbe. Insofern käme für diesen Fall nur eine Befristung mit Sachgrund in Frage.

Abschließend ist steuerrechtlich darauf hinzuweisen, dass ein Rentenantrag im Jahr 2024 dazu führen würde, dass die Rente nur mit einem Ertragsanteil der Besteuerung unterliegen würde. An der Besteuerung aus dem Beschäftigungsverhältnis ändert sich nichts.

 

Autor


Prof. Dr. Ralf Kreikebohm Göhmann, Braunschweig Rechtsanwalt, Partner ralf.kreikebohm@goehmann.de www.goehmann.de

Prof. Dr. Ralf Kreikebohm
Göhmann, Braunschweig
Rechtsanwalt, Partner

ralf.kreikebohm@goehmann.de
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