Standards setzen, First Mover werden

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Wettbewerbsvorteile
Nachhaltigkeit als Wert und Handlungsprinzip ist omnipräsent und aus unserem individuellen und kollektiven Bewusstsein nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig steht Nachhaltigkeit für eine Reform mit nicht zu unterschätzender Sprengkraft. Sie ist und bleibt der Motor für einen historisch gesehen einzigartigen globalen Wandel der Gesellschaft. Nach den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN und dem Green Deal der EU hat das kürzlich vom Bundestag beschlossene Gesetz zum Schutz von Menschenrechten und Umweltaspekten entlang der Lieferkette eine weitere entscheidende Signalwirkung für Unternehmen und Konsumenten im europäischen Raum.

Exemplarisch zeigt das deutsche Lieferkettengesetz, wie hoch der Druck für die Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit ist:

  • Von oben gießt die Politik die neuen Ziele in eine verpflichtende Regulatorik.
  • Von unten fordert die Öffentlichkeit Transparenz und freiwillige Verpflichtung zur nachhaltigen Transformation von Produkten und Marken.

Die klima- und sozialverantwortliche Orientierung eines Unternehmens hat einen immer direkteren wettbewerbsrelevanten Einfluss auf die Kaufentscheidung von Kund*innen. Auch im Kampf um Talente entscheidet die Glaubwürdigkeit der unternehmerischen Nachhaltigkeitsstrategien über die Identifikation, Motivation und Zufriedenheit von Mitarbeiter*innen. Spätestens seit Blackrocks Konzernchef Larry Fink sich für ein neues Ökobewusstsein öffentlich ausgesprochen hat, geht die Finanzindustrie in ihrer Investitionsstrategie neue Wege, indem sie den Wert eines Unternehmens in direkten Zusammenhang zu seiner Nachhaltigkeitspolitik stellt.
Kurzum: Die Herausforderungen sind komplex, die Risiken schwer kalkulierbar, die Richtlinien und Kriterien vage – und doch finden jeden Tag weltweit zukunftsverändernde Entwicklungen in allen Bereichen statt.

Langfristigkeit, Transparenz und Vereinheitlichung
Der Klimawandel mit seinen Risiken exponentieller Entwicklungen und selbstverstärkender Effekte drängt zu immer schnellerem Entscheiden und Handeln. Gleichzeitig sind wirkungsvolle Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen an Langfristigkeit, Transparenz und Vereinheitlichung gebunden. Die Arbeiten auf Regierungsebene an einer einheitlichen Taxonomie in Nachhaltigkeitsfragen sind noch längst nicht abgeschlossen. Es gibt in der konkreten Umsetzung einen hohen Bedarf an verbindlichen Reporting- und Bewertungskriterien und verlässlichen Standards auf allen Entscheidungsebenen.
Dank der Digitalisierung und der EU Open Data Alliance beschleunigen sich die Arbeiten an einem unerlässlichen Datenfundament. Auch wenn die Datenlage für zukunftsrelevante Entscheidungen noch gravierende Ungenauigkeiten und Lücken aufweist, müssen Standards und Frameworks bereits heute definiert werden. Denn:

  • „Grüne“ Investments entwickeln sich zu einem Megatrend in Geldanlagen.
  • ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance) entscheiden künftig über den verbesserten Zugang zum Kapitalmarkt.
  • Die Offenlegungspflicht von Unternehmen umfasst ihre Aktivitäten in ökologischer und sozialer Hinsicht, so dass Nachhaltigkeit für die interne Steuerung und die Berichterstattung von Unternehmen immer wichtiger wird.

Um diese Prozesse zu beschleunigen, müssen viele Akteure aktiv daran mitwirken, gemeinsam eine transparente Datenbasis, einheitlichen Kriterien und die damit verbundene Vergleichbarkeit zu schaffen.

Die Stunde der Gestalter
Unternehmen und ihre Interessenverbände kritisieren, dass die von der Politik vorgegebenen Nachhaltigkeitsrichtlinien gravierende Lücken aufweisen und sie mit der Auslegung der Pflichten im Regen stehen gelassen werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, Lücken – oder positiv formuliert Freiräume – können jetzt nachhaltig mit guten Lösungen ausgestaltet werden. Ein Beispiel wie es gehen kann, zeigt einer der größten Hersteller von Verbrauchsgütern, Unilever, mit dem selbsterklärten Ziel, bis 2039 eine Netto-Null-Emission auf Produktebene zu erreichen. (https://www.unilever.com/planet-and-society/climate-action/creating-net-zero-carbon-products)
Innerhalb des regulativen Rahmens bietet sich Pionieren ein Spielfeld der Gestaltung: Wissen bündeln, Visionskraft entfalten, Praxisbezug einbringen – dies sind die Erfolgsparameter beim Thema Nachhaltigkeit. Warum warten bis andere Staaten oder Institutionen einheitliche standardisierte Bewertungsrahmen vorgeben, an denen das eigene Unternehmen bemessen, bewertet oder möglicherweise sanktioniert wird? Die EU hat sich frühzeitig zu den Nachhaltigkeitszielen bekannt, nun muss neben dem Erlass und der damit einhergehenden Überfrachtung von Unternehmen, auch eine einheitliche, messbare und transparente Sprache in Sachen Nachhaltigkeit geschaffen werden. Um nicht erneut den Vorsprung zu verlieren oder gar wie bei der Digitalisierung hinterherzulaufen, muss ein EU-weit einheitlicher Standard zur Bemessung der Nachhaltigkeit auf Produktebene geschaffen werden, der für alle Beteiligten die Vielzahl von Berechnungsmöglichkeiten und -ansätzen in eine einheitliche Sprache verwandelt.

Nachhaltigkeitsregister für mehr CO2-Transparenz auf Produktebene
Die gemeinnützige Organisation für nachhaltigen Konsum (OfnK) hat sich zum Ziel gesetzt, die Nachhaltigkeitsziele und diversen Initiativen für die Beteiligten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft transparenter darzustellen und in einem digitalen Standardregister aufzunehmen. Sie etabliert das European Open Sustainability Registry (EU-OSR) (http://www.euosr.com), das auf den drei Grundpfeilern der Nachhaltigkeit aufsetzt: Langfristigkeit, Transparenz und Vereinheitlichung.
In Abgrenzung zu anderen Standards bündelt das EU-OSR Umweltfaktoren und deren Durchschnittswerte auf Produktebene und bedient sich dabei den Warengruppen des international gültigen Harmonisierten Systems (HS) der Weltzollorganisation (WCO). Dieses erfasst in 97 Kapiteln und über 5000 Unterpositionen alle handelbaren Waren und reiht diese tariflich ein. Die Warennomenklatur ist weltweit zur Beschreibung von Produkten anerkannt und Grundlage jeder Importverzollung und Erhebung von statistischen Daten. Es entsteht ein Register, das auf einem nahezu weltweit anerkannten Standard aufbaut und bei den Wirtschaftsbeteiligten bereits implementiert ist. Das EU-OSR erweitert die Warennomenklatur um Nachhaltigkeitsparameter und ermöglicht somit eine internationale Vergleichbarkeit auf Produktebene. Das EU-OSR ist Taxonomie sowohl für den Verbraucher und seine Kaufentscheidung als auch für die Wirtschaft, um deren Nachhaltigkeitsbemühungen sichtbar zu machen. Daneben schützt es den europäischen Wettbewerb und kann Grundlage für eine CO2-Importsteuer sein.
Das EU-OSR erhebt und verarbeitet als zentrale Meta- und Aggregationsplattform Nachhaltigkeitsdaten aus unterschiedlichen Quellen, dazu zählen Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen, Veröffentlichungen von Startups, Nichtregierungsorganisationen, Forschungseinrichtungen oder Statistikdienstleistern. Die Daten werden zentral gesammelt, von wissenschaftlichen Instituten ausgewertet und sichtbar gemacht.
Um Netto-Null-Emissionen auf Produktebene zu erreichen, bedarf es nicht nur einer engen Zusammenarbeit der Lieferkette und der eingesetzten Produkte, sondern auch einem standardisierten Mittelwert. Dieser zeigt an, wie ein Endprodukt CO2-seitig am Markt bewertet wird.
Eine hohe Nachfrage für nachhaltige Produkte gibt es auch auf der Seite von Konsument*innen. Diese wollen ihren persönlichen CO2-Fußabdruck kennen, um gezielt Maßnahmen ergreifen zu können. Dies gelingt jedoch nur, wenn beim Einkauf mehr Informationen zu den Klimafaktoren eines Produktes zur Verfügung stehen. Wer jetzt auf Transparenz setzt, hat die Chance, gerade auch jüngere Kund*innen langfristig zu binden.

Ausblick
Erfolgreiche Nachhaltigkeit wird durch strategische Kooperationen realisiert. Vorreiter ist die Partnerschaft der OfnK mit der ecolytiq, die als Kunde CO2-Daten für Anwendungen der Finanzindustrie von der OfnK bezieht, sowie der führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. In Zukunft wollen die Partner über die gemeinsame Datengenerierung neue Anwendungsformen, Use Cases und Big Data-Konzepte im Bereich ESG entwickeln.

Weitere Partnerschaften werden folgen. Als zentrale Sammelstelle von Einzelveröffentlichungen wird das EU-OSR zu einer großen Wissensdatenbank bezüglich eines Mittelwerts der Nachhaltigkeit auf Produktebene.

Es schafft eine europaweit einheitliche Sprache und Bemessungsgrundlage und dient

  • als effektives politisches Steuerungsinstrument, mit dem Nachhaltigkeitsziele datenfundiert formuliert und in Steuer-, Förderungs- oder Subventionsmaßnahmen umgesetzt werden können
  • als Beurteilungsgrundlage für Banken und Kreditinstitute, um zum Teil längst überfällige Investitionsentscheidungen und Kreditvergaben gerade auch für den Mittelstand zu gewähren
  • als freier Wissens- und Veröffentlichungskanal für Informationen aus Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen
  • als Marketing-Tool für ein datenbelegt positives Image
  • als Chance zur Sicherung für Wettbewerbsvorteile auf europäischer Ebene
  • als Informationsgrundlage für Unternehmerverbände, um die Interessen ihrer Mitglieder in Nachhaltigkeitsfragen effektiv nach innen und außen zu vertreten
  • als Grundlage zum Beispiel für Klimasiegel, die den Verbraucher*innen die nachhaltige Kaufentscheidung erleichtern

Jetzt First Mover werden und Wettbewerbsvorteile sichern
Nachhaltigkeit wird zunehmend an Relevanz gewinnen und sich neben Preis und Leistung zu einer dritten Produkteigenschaft und -bewertung etablieren.
Unternehmen, die das frühzeitig erkennen und beginnen, sich aktiv mit ihren Daten zu beteiligen, werden nicht nur kurzfristig davon profitieren, sondern auch langfristig die Vorteile eines First Mover ernten und dem Markt einen Schritt voraus sein.
Die OfnK bietet mit dem EU-OSR als europäisches Infrastrukturprojekt eine Lösung für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit. Bereits heute können CO² Durchschnittsdaten auf Produktebene erfasst werden.
Daneben steht die OfnK als Non-Profit-Organisation Unternehmen und Verbänden als (Sparrings)-Partner, Berater und Unterstützer zur Seite.
Treten Sie mit uns in Kontakt (https://www.euosr.com/contact). Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!

sebastian.billig@ofnk.org

sylvia.klein@ofnk.org

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