Mit der Ausweitung der Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auf große – auch nicht-börsennotierte – Unternehmen im Sinne der EU-Richtlinie 2022/2464 (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) ist das Thema Risikomanagement aktuell wie nie. Durch die in Zukunft immer häufiger und drastischer werdenden Klimakatastrophen wie extreme Überflutungen und Hitzewellen wird hier vor allem das Climate Change Risk Management eine immer wichtigere Rolle spielen, um die verschiedenen Risiken für die Geschäftskontinuität eines Unternehmens zu identifizieren und die notwendigen Maßnahmen zu ihrer Abschwächung und Verhinderung zu ermitteln. Unerlässlich ist hierbei die Erstellung sowie Umsetzung einer geeigneten Climate Change Risk Management Policy, wobei das Unternehmen – nach einer anfänglichen Wesentlichkeitsanalyse der Risiken – entsprechende Key Performance Indicators (KPI) für die Messung ihrer Auswirkungen festlegt. Ein korrektes Risikomanagement in Bezug auf Klimarisiken trägt ferner zum Schutze des Humankapitals des Unternehmens bei und kann seine Kosten für den Abschluss von Versicherungspolicen gegen durch Klimakatastrophen verursachte Schäden senken.
Corporate Sustainability Reporting Directive und European Sustainability Reporting Standards
Wie bekannt ist, hat die EU-Richtlinie 2022/2464 die bestehenden Regeln zur nicht-finanziellen Berichterstattung erheblich erweitert und die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auf große, auch nicht-börsennotierte Unternehmen – welche die vorgegebenen Parameter in Bezug auf Arbeitnehmeranzahl, Umsatzgröße und Bilanzsumme erfüllen – ausgeweitet. Schrittweise wird somit die Pflicht in den nächsten Jahren auch auf KMU ausgedehnt. Ihnen wird jedoch in Anbetracht des nicht zu unterschätzenden organisatorischen Aufwands, der nicht nur die Berichterstattung per se, sondern vor allem die Verwaltung der vorgelagerten Governanceprozesse betrifft, mehr Zeit eingeräumt.
Durch die Delegierte EU-Verordnung 2023/2772 wurden nun auch die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die von der EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) ausgearbeitet wurden, formal erlassen, um vor allem die Messbarkeit und Vergleichbarkeit der Angaben in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu stärken.
Dies vorausgesetzt, kann nicht nur generell gesagt werden, dass dank der CSRD vor allem das Thema Governance nun auch für kleinere Unternehmen eine immer größere Bedeutung erlangt, sondern dass auch die Klimawandelrisiken eine besondere und sehr wichtige Rolle in dieser neuen Gesetzgebung spielen.
Risikomanagement und Nachhaltigkeitspolitik
Das Risikokonzept hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt, und die Bedeutung des Risikomanagements in der Nachhaltigkeitspolitik sowie in der Rechenschaftspflicht („Accountability“) ist – vor allem dank der klaren Vorgaben der neuen europäischen Gesetzgebung – heute wichtiger denn je. Der europäische Gesetzgeber war nämlich einer der Ersten, die erkannten, dass das traditionelle Konzept des Risikomanagements nicht mehr zeitgemäß ist: Das Risiko selbst darf nicht nur unter einem negativen Gesichtspunkt betrachtet werden, sondern sein innerer Wert ist gemäß dem „Risikomöglichkeitskonzept“ herauszuarbeiten, um gleichzeitig seinen strategischen Charakter zu nutzen.
Die durch den Klimawandel verursachten Risiken sind hierbei besonders geeignet, um die von Unternehmen bei der Durchführung des Risikomanagements – im Sinne der CSRD – anzuwendenden Ansätze und Prinzipien zu veranschaulichen. Abgesehen von dem bereits oben genannten „Risikomöglichkeitskonzept“ spielt vor allem das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit („Double Materiality“), nämlich die Bewertung von „Inside-out-“ und von „Outside-in-Auswirkungen“, eine zentrale Rolle. Im konkreten Fall von Klimawandelrisiken wie etwa Hitzewellen, Überschwemmungen und anderen extremen Wetterereignissen bedeutet dies im Detail, dass einerseits die Risiken bewertet werden müssen, die sich hieraus – beispielsweise in Form von Unterbrechungen der Energieversorgung sowie durch Produktions- und Personalengpässe – für die Wirtschaftstätigkeit und Geschäftskontinuität von Unternehmen ergeben können. Andererseits sind auch die Risiken zu bewerten, die durch die Wirtschaftstätigkeit selbst für das Klima entstehen (z.B. CO2-Emissionen, Verbrauch von Naturressourcen etc.).
Ein weiterer essentieller Ansatz beim Risikomanagement – vor allem in Nachhaltigkeitsfragen – ist der sogenannte Forward-Looking-Approach: Die Risikoauswirkungen müssen sowohl in kurzfristiger wie auch in langfristiger Perspektive – und immer mit einem vorausschauenden Ansatz – bewertet werden. Ferner hat das Risikomanagement unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette sowie allgemein aller Bestandteile der Wertschöpfungskette zu erfolgen.
Climate Change Risk Management Policy
Die Erstellung sowie Umsetzung einer geeigneten – jeweils an den Individualfall angepassten – Climate Change Risk Management Policy ist unerlässlich für das wirksame Risikomanagement eines Unternehmens. Nach einer anfänglichen Bewertung, genauer gesagt einer Analyse des organisatorischen Kontexts, wird als erster Schritt eine „Wesentlichkeitsanalyse“ der Risiken durchgeführt. Bei der „Wesentlichkeitsanalyse“ wird eine Bewertung der Schwere der Risiken einerseits in Bezug auf ihre Wahrscheinlichkeit und andererseits auf ihren Umfang nach dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit vorgenommen.
Als zweiter Schritt werden spezifische KPIs zur Messung der Risikoauswirkungen in allen identifizierten Bereichen ermittelt und zuletzt die Schritte, Maßnahmen und Einsätze in der Policy beschrieben, die das Unternehmen vornehmen muss, um die als wesentlich identifizierten Risiken und Auswirkungen zu verhindern bzw. abzuschwächen. Unerlässlich ist in diesem Zusammenhang, dass das Unternehmen entsprechende Schulungen für alle eingebundenen Stakeholder (allen voran seine Unternehmensleitung und Arbeitnehmer) organisiert sowie eine periodische Überwachung der korrekten Umsetzung der Policy sicherstellt.
Generell kann gesagt werden, dass das Climate Change Risk Management im Rahmen der ESG-Kriterien ein wichtiges Instrument für Unternehmen im Bereich der Governance ist, da eine Vielzahl von verschiedenen Unternehmensaspekten (Personalwesen, Umwelt etc.) umfasst werden und es zu einer intensiven Einbindung von internen und externen Stakeholdern kommt, was wiederum als Ausgangspunkt von Innovationen zur nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens dienen kann.
Fokus Arbeitsrecht – Arbeitnehmerschutz
Auch im Bereich Arbeitsrecht werden Unternehmen durch die immer häufiger vorkommenden Klimaereignisse vor neue Problematiken gestellt, die vor allem Personalengpässe und damit als direkte Folge Probleme in Bezug auf die Geschäftskontinuität betreffen. Man denke hierbei zur besseren Veranschaulichung etwa an extreme Unwettersituationen wie Überschwemmungen, aber auch extreme Hitzewellen, die es den Arbeitnehmern nicht ermöglichen, rechtzeitig an ihren Arbeitsplatz zu gelangen und dort in Sicherheit ordnungsgemäß ihre Tätigkeit auszuüben.
Um Geschäftsausfälle zu vermeiden, aber vor allem auch um der immer wichtiger werdenden sozialen Nachhaltigkeit und Verantwortung des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern gerecht zu werden, sind – wie oben bereits näher beschrieben – vorab im Zuge des Climate Change Risk Managements Maßnahmen zu identifizieren bzw. zu planen, um die Gesundheitsrisiken im Falle von Klimaereignissen für die Belegschaft so weit als möglich zu vermeiden bzw. einzuschränken.
Oftmals beschränken sich die durchgeführten Maßnahmen auf die bloße Zurverfügungstellung von angemessenen individuellen Schutzausrüstungen, die Versorgung mit ausreichend Trinkwasser sowie die Schaffung von schattigen und gekühlten Arbeitsplätzen. Jedoch gibt es unzählige weitere Maßnahmen, die oftmals (noch) nicht angedacht werden und die durch das Erarbeiten einer Climate Change Risk Management Policy identifiziert und umgesetzt werden können. Beispiele in diesem Zusammenhang wären die Änderung von Schichten und Arbeitszeiten, Gewährung von bezahlten Freizeiten, die Einführung einer Notfallkurzarbeitsmaßnahme, die Ausdehnung von mobiler Arbeit, aber auch die Organisation eines psychologischen Supports im Unternehmen für Arbeitnehmer mit Klimaangst.
Fokus Versicherungspolicen und Klimawandelrisiken
Das Thema Risikomanagement – vor allem für Klimawandelrisiken – spielt nun auch eine immer wichtiger werdende Rolle im Bereich der Versicherungen. In Italien wurde beispielsweise erst kürzlich zum ersten Mal gesetzlich die Pflicht für Unternehmen mit Sitz oder Zweigniederlassungen in Italien zum Abschluss einer Versicherungspolice gegen Katastrophenrisiken (d.h. alle Vorkommnisse, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, wie beispielsweise Erdbeben, Überschwemmungen, Erdrutsche etc.) in Bezug auf ihre Immobilien eingeführt. Falls die Versicherung nicht bzw. nicht rechtzeitig abgeschlossen werden sollte, drohen den Unternehmen in Italien nun einerseits Geldstrafen bis zu 500.000 Euro, und andererseits riskieren sie, dass ihnen staatliche Hilfen, Subventionen und Förderungen finanzieller Art – einschließlich derjenigen, die im Zusammenhang mit Naturkatastrophen vorgesehen sind – nicht gewährt werden. Ein korrektes Climate Change Risk Management ermöglicht hierbei sicherlich die Senkung der Kosten des Unternehmens für den Abschluss von solchen Versicherungspolicen, falls dies gesetzlich vorgesehen ist, oder jedenfalls der Kosten zur Deckung der Restrisiken.
Alles in allem ist klar, dass die Bedeutung der Governance sowie die zentrale Rolle eines geeigneten Risikomanagements – auch in Bezug auf die drastischer werdenden Klimawandelrisiken – immer offensichtlicher wird, auch um effizientere, innovativere und vor allem langfristig nachhaltigere Unternehmen zu schaffen.
Autor
Rita Santaniello
Rödl & Partner, Mailand
Avvocato (ital. Rechtsanwältin), Partner
Autor
Rebecca Salat
Rödl & Partner, Mailand
Avvocato (ital. Rechtsanwältin), Associate



