Jüngst machte die Nachricht Schlagzeilen, dass die Green-Claims-Richtlinie der EU vor dem Aus stünde. Einige Medien haben bereits über die Rücknahme der Richtlinie berichtet. Dies ging mit Kommentaren und Berichterstattung einher, dass nun Greenwashing möglich sei und es an Kontrollen fehlen würde. Diese Berichte sind jedoch verfrüht und die Befürchtungen nicht berechtigt.
Das Hin und Her in Brüssel gibt Anlass, den aktuellen Stand der Green-Claims-Richtlinie zu beleuchten. Immerhin wäre die Green-Claims-Richtlinie eine völlige Neuausrichtung der regulatorischen Bedingungen für Umweltwerbung.
Ist der Entwurf der Green-Claims-Richtlinie bereits zurückgezogen worden?
Nein, noch nicht. Berichten zufolge könnte der Entwurf der Green-Claims-Richtlinie (GCD, im Deutschen auch: Richtlinie über Umweltaussagen) zurückgezogen werden, da er von der Europäischen Kommission und der Europäischen Volkspartei (EVP) nicht mehr unterstützt wird. Es gibt politischen Unmut bezüglich des Vorschlags, auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in die Green-Claims-Richtlinie einzubeziehen. Dies wird von der EVP nicht unterstützt. Diese mangelnde Unterstützung hat zu dem (vor-)schnellen Kommentar aus der Sphäre der EU-Kommission geführt, dass die GCD vor dem Aus steht. Bis jetzt ist aber noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden. Polen hatte zudem die Teilnahme am für Ende Juni 2025 geplanten Trilog-Treffen abgesagt, bei dem Parlament, Rat und Kommission abschließend über die Green-Claims-Richtlinie verhandeln wollten.
Schließlich sind bereits Gerüchte zu hören, dass die GCD im Rahmen einer weiteren „Omnibus Simplification“ im Umfang reduziert werden soll. Bis auf Gerüchte lässt sich aktuell jedoch nichts Handfestes finden.
Dänemark führt Verhandlungen fort
Der nunmehr von Dänemark geleitete Vorsitz im Rat der Europäischen Union hat angekündigt, die Verhandlungen über die Green-Claims-Richtlinie fortzusetzen. Man will zwar „einen neuen Blick darauf werfen“, ist aber entschlossen, die Verhandlungen fortzusetzen. Derzeit wird der Entwurf der Richtlinie nicht von einer Mehrheit unterstützt, nachdem auch Italien seine Unterstützung zurückgezogen hat. Es ist jedoch möglich, dass ein geänderter Entwurf wieder Unterstützung findet.
Welche Auswirkungen hätte die Abschaffung der Green-Claims-Richtlinie?
Trotz einiger anfänglicher Kommentare wird das Ende der GCD nicht zu mehr Greenwashing und auch nicht zu weniger Kontrolle und Rechtsdurchsetzung führen. Im Gegenteil: Innerhalb der Europäischen Union ist das behördliche und gerichtliche Vorgehen gegen Greenwashing so intensiv wie noch nie zuvor. Es kann in vielen EU-Mitgliedstaaten als aktueller Schwerpunkt der Rechtsdurchsetzung angesehen werden. In Deutschland fallen hier insbesondere die Deutsche Umwelthilfe e.V. und die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg durch eine Vielzahl von eingeleiteten Verfahren auf.
Neben diesen nationalen Durchsetzungsmaßnahmen gibt es auch laufende internationale Verfahren gegen angebliches Greenwashing im Wege der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Verordnung): Hier nehmen die europäischen Wettbewerbszentralen grenzüberschreitende Werbung ins Visier. Jüngst traf es die Getränke- und Luftfahrtbranche.
Welche Gesetze befassen sich stattdessen mit umweltbezogener Werbung?
Die EU hat bereits die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel verabschiedet. Diese ist auch bekannt als Empowering Consumers Directive (EmpCo oder ECD). Sie wird möglicherweise aufgrund ihres Namens oft übersehen, obwohl sie erhebliche Einschränkungen für Umweltwerbung enthält. Ein großer Teil der Umweltwerbung in Deutschland ist mit den Anforderungen der EmpCo-Richtlinie noch nicht konform, die ab dem 27.09.2026 Anwendung findet. Zusätzlich verbietet das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bereits irreführende Werbung. Unter dieses fällt auch Greenwashing. Die ECD wird die folgenden bedeutenden Änderungen für die Umweltwerbung mit sich bringen:
- Ein Verbot sogenannter allgemeiner Umweltaussagen („nachhaltig“, „verantwortungsbewusst“, „grün“ und anderes mehr), sofern nicht bestimmte Anforderungen erfüllt werden.
- Neue und strenge Regeln für Nachhaltigkeitssiegel, die es Unternehmen vollständig untersagen, eigene Siegel zu kreieren.
- Für künftige Umweltleistungsaussagen („Wir werden ab 2030 nur noch Strom aus erneuerbaren Energiequellen verwenden“) muss in Zukunft ein konkreter Plan veröffentlicht werden, dessen Einhaltung von einem unabhängigen Dritten öffentlich einsehbar überprüft werden muss.
- Ein Verbot, für Waren und Dienstleistungen hinsichtlich der Treibhausgasemissionen neutrale, verringerte oder positive Auswirkungen zu behaupten, wenn dies auch auf Kompensation (Offsetting) beruht.
Weitere Details zur ECD finden Sie auch hier.
Was enthält die Green-Claims-Richtlinie und warum wird sie kritisiert?
Die GCD würde vor allem folgende Regelungen einführen:
- Einen gemeinsamen Standard für die Begründung von Umweltwerbung.
- Eine Pflicht zur Veröffentlichung der Begründung.
- Eine Vorabprüfungspflicht für die Mehrheit aller Umweltwerbeaussagen.
Das Erfordernis der Vorabüberprüfung hat die meiste Kritik hervorgerufen. Im Wesentlichen müsste jede Werbung vor ihrer Veröffentlichung von unabhängigen und offiziellen Prüfern vorverifiziert werden. Dies führt zu erheblichen Kosten und Verzögerungen. Es wird erwartet, dass eine solche Überprüfung zwischen 30 und 90 Tagen dauern würde. Dies stimmt nicht mit der derzeitig üblichen schnellen Geschwindigkeit im Marketing- und Werbebereich überein.
Auch für kleine und mittlere Unternehmen dürfte es schwierig sein, die Kosten für die Überprüfung der Angaben zu rechtfertigen. Während einige Befürworter der GCD der Meinung sind, dass eine solche Vorabprüfung notwendig ist, um Greenwashing zu bekämpfen, stellt die Vorabprüfung letztendlich eine neue Ebene der Bürokratie und auch Bevormundung dar. Diese kann stattdessen zu „Greenhushing“ führen. Unternehmen könnten ihre freiwilligen Umweltbemühungen einstellen, wenn es zu schwierig ist, sie zu kommunizieren.
Viele Befürworter der Vorabprüfung ignorieren auch, dass die laufenden Durchsetzungsmaßnahmen bereits diverse Greenwashingpraktiken gestoppt haben. Amtsverfahren, Gerichtsverfahren und außergerichtliche Abmahnungen werden auch künftig weiterhin Greenwashing eindämmen. In der Praxis gibt es daher keine „Lücke“ in der Durchsetzung, für die die Vorabprüfung erforderlich oder nützlich wäre. Wie immer im Werberecht dauert es ein paar Jahre, bis die Gerichte aufholen. Auf lange Sicht wird aber jede Form von Greenwashing unterbunden werden – mit oder ohne GCD.
Was sollten betroffene Unternehmen tun?
Wir empfehlen, die Entwicklungen der GCD zu beobachten und sich weiterhin auf die Einhaltung der EmpCo-Richtlinie vorzubereiten. Diese muss zum 27.09.2026 in der gesamten EU angewandt werden. Werbung, Internetseiten und Verpackungen, die vor diesem Datum auf den Markt gebracht wurden, sind ebenfalls erfasst. Es gibt keine Ausnahme für Altfälle.
Besonders häufig nutzen Unternehmen heute noch Begriffe wie „nachhaltig“ oder treffen Aussagen über künftige Umweltleistungsaussagen, ohne dass ein Plan veröffentlicht ist, der von einem unabhängigen Dritten überprüft wird. Allgemeine Umweltaussagen („nachhaltig“) sollten in Zukunft ganz unterlassen werden. Stattdessen sollten Unternehmen konkret beschreiben, welche Schritte sie unternommen haben.
Schließlich: Kann die EU-Kommission den Entwurf der Green-Claims-Richtlinie einfach zurückziehen?
Nein, nicht einfach so. Die Europäische Kommission kann zwar grundsätzlich einen Richtlinienentwurf zurückziehen, aber diese Befugnis hat auch Grenzen. Nachdem der Rat und/oder das Parlament eine eigene Position in erster Lesung festgelegt haben, benötigt die Kommission in der Regel eine Begründung und die Unterstützung beider Institutionen, um einen Richtlinienentwurf zurückzuziehen. Die Rücknahme des Entwurfs ist somit komplex und erfordert breite politische Unterstützung für eine Rücknahme.


