Nach Unternehmensübernahmen (M&A) sind Konflikte zwischen Käufern und Verkäufern keine Seltenheit. Der in Kooperation mit Deloitte am 27.06.2024 im F.A.Z. Tower veranstaltete Roundtable richtete daher die Aufmerksamkeit auf die sogenannten Post-M&A-Disputes. Im Fokus stand dabei die Frage, mit welchen Bewältigungsstrategien Streitigkeiten begegnet und wie ungeahnte Konfliktsituationen nach einem Deal bewältigt werden können (siehe Preview in DisputeResolution 02/2024).
Irina Novikova, Partner, Financial Advisory | SPA and Dispute Advice, Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, diskutierte mit Christian Atzler, Partner, Chair of EMEA M&A Group, Baker McKenzie, Dr. Alexander Steinbrecher, LL.M. (Tulane), Chefjustiziar und Stabsabteilungsleiter, Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), und Dr. Kai Hasselbach (Group General Counsel, HOCHTIEF Aktiengesellschaft) sowie mit etwa 30 interessierten Teilnehmern aus Kanzleien und Unternehmen über die Ursachen von Uneinigkeiten sowie über die Vor- und Nachteile verschiedener Streitbeilegungsverfahren.
Typische Auslöser von Post-M&A-Disputes
Nach einem Überblick zur Entwicklung des deutschen M&A-Marktes, der sich aufgrund eines auffälligen Rückgangs von 169 Transaktionen im Wert von 71,5 Milliarden Euro in 2022 auf 136 Transaktionen im Wert von 63 Milliarden Euro im vorigen Jahr von einem „Verkäufer-“ zu einem „Käufermarkt“ gewandelt hat, ging es um typische Auslöser von Post-M&A-Disputes. Bedingt durch eine erwartete Zinssenkung und die Auflösung aufgeschobener Transaktionen, deutet die Marktstimmung auf eine bevorstehende Erholung im globalen M&A-Markt hin. In diesem Umfeld sollten sich Verkäufer auf eine erhöhte Bereitschaft zu Streitigkeiten seitens der Käufer einstellen, ein Phänomen, das als „Dispute Appetite“ bezeichnet wird.
Die meisten Post M&A-Streitigkeiten entstehen über den endgültigen Kaufpreis, die Garantien und die Aufklärungspflichten des Verkäufers vor Vertragsabschluss. Ursächlich sind hier divergierende Interessen der Vertragspartner, etwa wenn Käufer den Kaufpreis minimieren und Risiken vermeiden wollen, während Verkäufer eine Maximierung des Kaufpreises und die Begrenzung von Garantien anstreben. Durch Garantieversprechen macht der Verkäufer regelmäßig zahlreiche Aussagen über den Soll-Zustand des Unternehmens. Streit entsteht dann häufig über die Frage, ob der Ist-Zustand von diesem Soll-Zustand negativ abweicht. Dann liegt eine Garantieverletzung vor, so dass der Käufer Anspruch auf Beseitigung des Mangels oder Schadensersatz hat. Besonders problematisch sind unsaubere oder mehrdeutige Definitionen in den Kaufverträgen sowie Missachtungen vertraglicher Regelungen im SPA (Share Purchase Agreement). Schließlich bieten die üblichen Kaufpreisanpassungsmechanismen bzw. Earn-out-Klauseln, mit denen der Verkäufer auch nach dem Vollzug noch am Erfolg des Unternehmens beteiligt wird, hinreichend Streitpotential. Weitere konfliktträchtige Aspekte von M&A-Transaktionen sind sogenannte Freistellungsverpflichtungen, welche die Verkäuferpartei im Unternehmenskaufvertrag für im Vorfeld identifizierte Risiken übernimmt. Beispiele dafür sind Umweltrisiken oder Steuerzahlungen sowie oder auch die Verletzung vereinbarter Wettbewerbsverbote und Kundenschutzklauseln.
Auch können unterschiedliche Kommunikationsstile bzw. kulturell bedingte Unterschiede in Verhandlungstaktiken und Wertvorstellungen zu Missverständnissen und Konflikten führen. Dabei ist die Art und Weise der Post Merger Integration (PMI) letztlich ausschlaggebend dafür, welche M&A-Streitigkeiten auftreten.
Streitbeilegungsverfahren – Optionen und Alternativen
Im Rahmen eines M&A-Prozesses entstehen immer wieder Konflikte oder konfliktträchtige Situationen zwischen den Parteien. Derartige Situationen sind dadurch gekennzeichnet, dass die gemeinsame Kommunikation der Beteiligten zumeist nicht mehr konstruktiv verläuft, emotional geprägt oder auf ein Mindestmaß reduziert ist bzw. vollkommen abbricht. Einigungschancen werden hierbei vertan, weil die Parteien in den jeweiligen Positionen verharren, allein in rechtlichen Ansprüchen denken oder stereotyp um wechselseitige Konzessionen und Zugeständnisse ringen, statt nach alternativen Optionen zu suchen.
Kommt es nach Vollzug der Transaktion zu Streitigkeiten, sollten sich die Parteien ernsthaft bemühen, diese auf dem Verhandlungsweg (außergerichtlich) beizulegen. Oftmals werden die eigenen Chancen, in einem (gerichtlichen) Rechtsstreit zu obsiegen, überschätzt. Ein Rechtsstreit kostet nicht nur Geld, sondern auch Kapazitäten von Personal und Management. Daher sollte die Möglichkeit eines Mediationsverfahrens unter Führung eines erfahrenen Vermittlers nicht vorschnell verworfen werden.
Mediation
Die Mediation versucht unter Hinzuziehung eines sogenannten allparteilichen Dritten (Mediator), eine selbstbestimmte und von allen Beteiligten akzeptierte Problemlösung zu erarbeiten. Im Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren oder zu Schlichtungen liegt das Ergebnis der Mediation immer allein in den Händen der beteiligten Parteien.
Mediation wird heute in verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen angewandt. Das kooperative Grundelement der Mediation fördert hierbei die Bemühungen um friedliche und produktive Formen der Einigung. Mediation eröffnet zudem einen interessenorientierten Weg aus konfliktären Situationen. Wo das Recht zumeist häufig nur schematische Antworten kennt, finden die Konfliktparteien häufig im Rahmen einer Mediation eine individuelle und differenzierte Lösung für ihr spezifisches (M&A)-Problem.
Mediationsverfahren sparen in der Regel Zeit und Geld, da sie weniger formell ablaufen. Darüber hinaus sind sie nicht so langwierig wie Gerichtsverfahren. Nicht selten legt die Mediation auch den Grundstein für eine nachhaltige und stimmige Geschäftsbeziehung.
Allerdings sind Mediationsvereinbarungen nur bindend, wenn sie von beiden Parteien unterzeichnet werden, was zu Unsicherheit führen kann. Ihr Erfolg hängt stark von der Kooperationsbereitschaft und dem guten Willen der Konfliktparteien ab. Zwar haben diese mehr Kontrolle über den Prozess und können flexiblere und maßgeschneiderte Lösungen erarbeiten, doch schafft die Mediation keine rechtlichen Präzedenzfälle, was die Orientierung für zukünftige Auseinandersetzungen erschwert.
Lässt sich ein Post-M&A-Dispute nicht durch eine Vermittlungslösung beilegen, stehen grundsätzlich zwei Wege zur Verfügung, den Streit auszutragen, nämlich entweder vor einem Schiedsgericht oder vor einem ordentlichen (staatlichen) Gericht:
Schiedsgerichtsverfahren
Schiedsgerichte bieten Konfliktparteien die Möglichkeit, Streitigkeiten ohne den Weg über die ordentlichen Gerichte beizulegen. Sie werden von Institutionen, z.B. der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) oder der International Chamber of Commerce (ICC), angeboten. Als Vorteile von Schiedsgerichtsverfahren werden gemeinhin die Vertraulichkeit und Flexibilität des Verfahrens genannt. Vorteile eines Schiedsverfahrens werden zudem darin gesehen, Schiedsrichter selbst sowie die Verfahrenssprache und den Ort des Verfahrens zu wählen. Zudem werden Schiedsgerichtsverfahren wegen der vermeintlich kürzeren Verfahrensdauer bevorzugt. Insbesondere im internationalen Transaktionsgeschäft sind Schiedsgerichtsvereinbarungen weit verbreitet.
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Doch auch die ordentliche Gerichtsbarkeit in Deutschland ist als Streitlösungsmechanismus nicht zu vernachlässigen. Die deutschen Landgerichte arbeiten – insbesondere in den größeren Städten – zumeist effizient, professionell und verfügen über das nötige Fachwissen für komplexe Post-M&A-Disputes. Dass es bei einem ordentlichen Gericht gegen ein erstinstanzliches Urteil die Möglichkeit eines Rechtsmittels zur Überprüfung der Entscheidung gibt, mag zwar eine Verlängerung des Verfahrens bewirken, kann jedoch das Vertrauen der Parteien in die abschließende Entscheidung stärken.
Die Einrichtung sogenannter Commercial Courts, vor denen komplexe internationale Wirtschaftsstreitigkeiten in englischer Sprache geführt werden können, wurde hingegen in diesem Zusammenhang noch eher skeptisch gesehen (siehe dazu auch den Beitrag in dieser Ausgabe). Nur wenn gewährleistet ist, dass hier hochspezialisierte Richterinnen und Richter, die über das notwendige wirtschaftliche Fachwissen und exzellente englische Sprachkenntnisse verfügen, am Werk sind, wird dies einer auf den internationalen Handel angewiesenen und auf den Export komplexer Produkte konzentrierten Wirtschaft gerecht. Hier liegt allerdings auch die größte Herausforderung für die erfolgreiche Umsetzung: Um für die personelle Ausstattung der neuen Commercial Courts die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, muss auch das Angebot entsprechend attraktiv gestaltet sein.
Fazit & Ausblick
Post-M&A-Disputes stellen komplexe Herausforderungen dar, die eine sorgfältige Auswahl des geeigneten Streitbeilegungsverfahrens erfordern. Während staatliche Gerichte und Schiedsgerichte klare Vorteile bieten, hat sich die Mediation als besonders effektiv erwiesen, da sie flexible, kosteneffiziente und einvernehmliche Lösungen ermöglicht. Unternehmen sollten daher die Mediation als ernst zu nehmende Alternative in Betracht ziehen, um Konflikte nach Unternehmensübernahmen effizient zu lösen. Zukünftig verspricht insbesondere der Einsatz moderner Technologien wie KI und spezialisierte Softwarelösungen erhebliche Vorteile für die Streitbeilegung nach M&A-Transaktionen, indem sie Effizienz, Genauigkeit und Flexibilität erhöhen. Klare und präzise Formulierungen, eine gründliche Due Diligence und eine sorgfältige Verhandlung der Vertragsbedingungen können dazu beitragen, das Risiko von Streitigkeiten zu minimieren.
Autor
Dr. Thomas R. Wolf
F.A.Z. Business Media GmbH, Frankfurt am Main
Redakteur Rechtspublikationen


