KLARTEXT ist das neue kompakte Interviewformat, das sich mit den disruptiven Veränderungen im Rechtsmarkt beschäftigt. Ziel ist es, einen praxisnahen Einblick in die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung und der KI-Integration aus der Perspektive von Führungskräften in Rechtsabteilungen zu geben. Karin Gangl, Leiterin Rechtspublikationen im F.A.Z.-Fachverlag, sprach mit Dan-Alexander Levien.
DisputeResolution: KI verändert die Rechtsabteilungen in Unternehmen fundamental. Besonders die Bereiche Legal Operations und Compliance sind von dieser Entwicklung betroffen. Wie geht der Zentrale Rechtsservice der AUDI AG mit den Herausforderungen der künstlichen Intelligenz um, und welche konkreten Maßnahmen haben Sie bereits umgesetzt, um die Technologie effektiv zu integrieren?
Dan-Alexander Levien: Ein guter Umgang mit KI will erlernt werden. Das erfordert einerseits, ein komplettes Team an diese neuen Werkzeuge heranzuführen. Wir werben dafür, sich im beruflichen wie privaten Alltag immer wieder etwas Zeit zu nehmen und KI einzusetzen. Dabei können Stärken und Schwächen erkannt und daraus dann die richtigen Ableitungen getroffen werden. Wir zeigen Use-Cases, wo etwas gut und auch weniger gut funktioniert hat. Und wir haben Projekte, in denen wir KI konkret einsetzen. In einem Projekt nutzen wir ein Large-Language-Modell, um Vertragstexte zu analysieren.
DisputeResolution: Viele beobachten einen Paradigmenwechsel in der Struktur von Rechtsabteilungen, da KI immer mehr Aufgaben übernimmt. Reduziert sich die Notwendigkeit für bestimmte Positionen, oder verändert sich die Art der Arbeit in Ihrer Abteilung? Wie gestalten sich dadurch die Qualifikationen und die Ausbildung für Ihre juristischen Mitarbeiter?
Dan-Alexander Levien: Bei uns hat nach meiner Kenntnis noch keine KI eine Stelle obsolet gemacht. Ich verstehe die aktuell am Markt verfügbaren KI-Lösungen in ihrem aktuellen Entwicklungsstand zunächst einmal als nützliches „Assistenzsystem“ für Rechtsanwälte bei ihrer Arbeit. In diesem Sinne sehe ich KI zum Beispiel als Werkzeug für eine effektive Recherche und als Inspirationsquelle, die jedoch – zumindest aktuell noch – ein sehr kritisches Hinterfragen der Ergebnisse erfordert. KI verändert dadurch schon einmal insofern unsere Arbeit, dass wir sie als zusätzliche Ressource überhaupt einsetzen können. Dies erfordert jedoch auch ein geduldiges Heranführen aller Teams und ihrer Mitglieder, damit die KI auch in der Breite der Teams und im individuellen Arbeitsalltag vernünftig eingesetzt wird.
DisputeResolution: Welche Auswirkungen hat der Einsatz von KI auf die Struktur der Rechtsabteilung bei AUDI? – Brauchen Sie neue Rollen oder Qualifikationen, um diesen Entwicklungen gerecht zu werden? Und welche Fähigkeiten und Kompetenzen sind aus Ihrer Sicht für die Zukunft besonders relevant?
Dan-Alexander Levien: Wie gesagt ist ein wesentlicher Schlüssel zum erfolgreichen Einsatz von KI, dass idealerweise alle Teammitglieder sich mit der Technologie beschäftigen, Stärken und Schwächen verstehen und lernen, gute Prompts zu schreiben. Aktuell haben wir ein internes Team, dass sich in diesem Sinne dafür einsetzt. Ich kann mir vorstellen, dass wir langfristig Spezialisten aufbauen, die dann Teammitglieder beraten können. Und ich kann mir vorstellen, dass Bereiche, die einen hohen Rechercheaufwand haben, gezielt Mitarbeitende aufbauen, die besondere Fähigkeiten haben, um KI professionell operativ einzusetzen.
DisputeResolution: Welche Erwartungen haben die internen Stakeholder bei Audi hinsichtlich des Einsatzes von KI im Rechtsservice? Wie beeinflusst dies die Effizienzmodelle und möglicherweise auch die traditionellen Abrechnungsstrukturen für juristische Dienstleistungen? Könnte der Übergang von stundenbasierten Modellen zu projektbasierten oder anderen flexibleren Modellen durch KI beschleunigt werden?
Dan-Alexander Levien: Generell werden vom Einsatz von KI vor allem Effizienzgewinn und Kostensenkung bei gleichbleibend hoher juristischer Qualität erwartet. Erste Ansätze sehe ich schon bei Dokumentanalysen, Recherchen oder bei KI als Impulsgeber beim Verfassen von Texten. Ein weiterer Schritt könnte aus meiner Sicht in der Zukunft die professionelle Unterstützung bei strategischen Entscheidungen sein.
In der Zusammenarbeit mit externen Kanzleien und Dienstleistern wird der Einsatz von KI bei der Budgetierung der Mandate mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Denn ich sehe, dass sich diese mit den Möglichkeiten von KI professionell auseinandersetzen, um die eigene Wertschöpfung zu steigern, wovon wir dann auch profitieren sollten und wollen.
DisputeResolution: Blicken wir in die Zukunft: Wie wird sich der zunehmende Einsatz von KI in den nächsten zwei bis fünf Jahren auf den Zentralen Rechtsservice der AUDI AG auswirken? Sehen Sie in dieser Entwicklung eher eine Chance zur Optimierung und Effizienzsteigerung oder stehen eher Herausforderungen an, die es zu bewältigen gilt?
Dan-Alexander Levien: Ich sehe beim Einsatz von KI insbesondere die Chancen zur Optimierung im Sinne von Effizienz- und Qualitätssteigerung in einer sehr schnell komplexer werdenden Welt. Es lohnt sich, sich mit KI zu beschäftigen. Wir sollten jedoch weiterhin unseren Verstand einsetzen.
Dispute Resolution: Lieber Herr Levien, vielen Dank für die Einblicke, die Sie unseren Lesern gewährt haben. Uns in der Redaktion beschäftigt die Transformation des Rechtsmarkts seit vielen Jahren. Wir bleiben dran.


