Im Blickpunkt: UNCITRAL-Regelungen zur Vollstreckung von internationalen Vergleichsvereinbarungen

Von Dr. Stephan Bausch, D.U., und Dr. Simon J. Heetkamp

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Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat am 20.12.2018 das UNCITRAL-Übereinkommen über durch Mediation erzielte internationale Vergleichsvereinbarungen (United Nations Convention on Internatio­nal Settlement Agreements Resulting from Mediation) verabschiedet. Ziel dieses Regelungswerks ist, dass die konsensuale Streitbeilegung in internationalen Handelssachen durch ein effektives Vollstreckungsregime aus dem Schatten der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung treten soll. Denn während seit 1958 für Schiedssprüche die New York Convention existiert, die die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche möglich macht, sind die an Vergleichsvereinbarungen Beteiligten auf die freiwillige Erfüllung durch den jeweils anderen angewiesen. Nun soll für die Mediation und die Schlichtung eine eigene internationale Konvention gelten, die – ähnlich wie die New York Convention für die Schiedsgerichtsbarkeit – als Treiber für die Verbreitung und Akzeptanz von konsensualen Streitbeilegungsverfahren wirken könnte.
Da die „UN Convention on International Settlement ­Agreements Resulting from Mediation“ ab dem 07.07.2019 in Singapur (und danach am Sitz der Vereinten Nationen in New York) zur Zeichnung ausgelegt werden wird, hat sich die UN-Generalversammlung entschlossen, die Konvention nach dem asiatischen Stadtstaat zu benennen, der seit Jahren versucht, sich als Zentrum für außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren zu etablieren. Das neue Regelungswerk wird daher abgekürzt als Singapore Convention (on Mediation) bezeichnet.

Hintergrund und Inkrafttreten
Die US-Regierung hatte im Juni 2014 der „United Nations Commission on International Trade Law“ (UNCITRAL) vorgeschlagen, eine Konvention über die Vollstreckung von Vergleichsvereinbarungen aus Mediation zu entwerfen. Dabei wollte sie sich an der erfolgreichen, für Schiedssprüche anwendbaren New York Convention orientieren. Die UNCITRAL nahm den Vorschlag auf und beauftragte im Jahr 2015 die für Schiedsrecht und Schlichtung/Mediation zuständige Working Group II damit, Probleme und entsprechende Lösungen zu benennen, die bei der Vollstreckung von Vergleichsvereinbarungen eine Rolle spielen (siehe dazu auch den Beitrag von Dr. Andreas Hacke in DisputeResolution 2/2015, S. 10–12, HIER).
Die Working Group II setzte diese Erkenntnisse sodann in den folgenden drei Jahren unter Beteiligung von 60 Mitgliedstaaten, zahlreichen Beobachterstaaten sowie Vertretern der EU und NGOs in das nunmehr vorliegende Regelungswerk um. Nachdem sich die UNCITRAL mit dem Entwurf einverstanden erklärt hatte, verabschiedete die UN-Generalversammlung am 20.12.2018 mit der Resolution A/RES/73/198 die nunmehr vorliegende „Convention on International Settlement Agreements Resulting from Mediation“, vulgo die Singapore Convention. Ab August 2019 können die UN-Mitgliedstaaten das Übereinkommen unterzeichnen. Die Konvention tritt aber erst dann in Kraft, wenn mindestens drei Mitgliedstaaten eine entsprechende Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde beigebracht haben (Art. 14 Singapore Convention). Auch wenn das Inkrafttreten damit wohl frühestens für das Jahr 2020 zu erwarten ist, soll die Singapore Convention im Folgenden schlaglichtartig beleuchtet werden.

Anwendungsbereich der Singapore Convention
Die Singapore Convention findet nur auf konsensuale Streitbeilegungsmechanismen Anwendung. Das In­s­trumentarium der Mediation wird in Art. 2 (3) der Konvention definiert. Bei der Mediation handelt es sich im Sinne des Übereinkommens um ein Verfahren, bei dem die Parteien versuchen, eine einvernehmliche Streitbeilegung mit Hilfe eines Dritten zu erreichen. Dabei darf dieser Dritte nicht in der Lage sein, den Parteien eine Lösung aufzuzwingen; (unverbindliche) Lösungsvorschläge darf er jedoch machen. Anders als im deutschen Mediationsgesetz (vgl. § 3 MediationsG) finden sich zu den Eigenschaften eines Mediators keine unmittelbaren Vorgaben, sondern sie lassen sich nur aus anderen Teilen der Konvention herauslesen [etwa, wenn Art. 5 (1) lit. f) Singapore Convention vorsieht, dass von einer Vollstreckung abgesehen werden kann, falls es berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit des Mediators gibt].
Grundsätzlich kommt jede rechtliche Auseinandersetzung für eine Mediation oder Schlichtung im Sinne der Singapore Convention in Betracht, sofern eine internationale handelsrechtliche Streitigkeit betroffen ist. International ist eine Streitigkeit nur dann, wenn die Parteien ihren Sitz in zwei unterschiedlichen Staaten haben oder wenn der Staat, in dem die Parteien ihren Sitz haben, sich entweder von dem Staat unterscheidet, in dem ein wesentlicher Teil der Verpflichtungen aus der Vergleichsvereinbarung erfüllt wird, oder von dem Staat, mit dem der Gegenstand der Vergleichsvereinbarung am engsten verbunden ist [Art. 1 (1) Singapore Convention]. Die Parteien der Vergleichsvereinbarungen dürfen nur Unternehmen und keine Verbraucher sein [Art. 1 (2) der Konvention]. Ausgeschlossen sind somit inländische Streitigkeiten und B2C- und C2C-Auseinandersetzungen. Sachliche Einschränkungen sind ebenfalls vorhanden. Das Übereinkommen findet keine Anwendung im Bereich des Familien-, Erb- und Arbeitsrechts.

Vollstreckung von Vergleichsvereinbarungen aus Mediation
Die Voraussetzungen zur Vollstreckung werden in ­­­­­Art. ­3 ff.­ der Konvention geregelt. Demnach soll jede Partei die Vollstreckung gemäß dem Prozessrecht des jeweiligen Staates und gemäß den Bestimmungen der Singapore Convention vornehmen.
Die nach der Singapore Convention geforderten Voraussetzungen sind recht gering. Eine Partei, die die Vollstreckung verlangt, muss im Grundsatz lediglich die unterzeichnete Vergleichsvereinbarung und den Beweis liefern, dass der Vergleich im Rahmen einer Mediation stattgefunden hat. Ein solcher Nachweis ergibt sich zum Beispiel aus der Unterschrift des Mediators auf der Vergleichsvereinbarung.
Die für die Vollstreckung zuständige Stelle soll anschließend „rasch“ (expeditiously) tätig werden [Art. 4 (5) Singapore Convention]. Allerdings ist – ähnlich wie bei der New York Convention – das zuständige Vollstreckungsorgan unter Umständen berechtigt, die Vollstreckung zu verweigern. Die Ablehnungsgründe sind in Art. 5 der Konvention aufgelistet. So kann der Vollstreckung unter anderem dann nicht stattgegeben werden, wenn die Vergleichsvereinbarung nichtig ist oder wenn eine der Streitparteien geschäftsunfähig war. Zudem kann das zuständige Vollstreckungsorgan die Vollstreckung verweigern, wenn sie gegen die Public Policy des jeweiligen Staates verstoßen würde.
Im Gegensatz zu der New York Convention, die dies nicht vorsieht, darf im Rahmen der Singapore Convention ein Mitgliedstaat zudem Vorbehalte („Reservations“) erklären und somit im vorgegebenen Rahmen entscheiden, wann und wem gegenüber das Übereinkommen gelten soll (Art. 8 Singapore Convention). Entscheidend wird dabei insbesondere sein, ob die Vertragsstaaten vorsehen werden, dass sie die Vollstreckung nach der Singapore Convention betreiben, wenn die Parteien der Vergleichsvereinbarung dem zugestimmt haben [Art. 8 (1) lit. b) Singapore Convention], wobei unklar ist, wann diese Zustimmung erklärt worden sein muss.
Ergänzend zur Singapore Convention hat die UNCITRAL das seit 2002 existierende „Model Law on International Commercial Conciliation“ aktualisiert. Zum einen betraf dieses Update die Vereinheitlichung der UNCITRAL-­Terminologie: In dem seit 2002 existierenden Modellgesetz werden die Begriffe Conciliation und Mediation synonym verstanden. Nunmehr wird nur noch von „Mediation“ gesprochen und das Modellgesetz umbenannt in „Model Law on International Commercial Mediation and International Settlement Agreements Resulting from Mediation“. Zum anderen wurde ein neuer Abschnitt über internationale Vergleichsvereinbarungen und deren Vollstreckung hinzugefügt (Art. 16 ff. des Modellgesetzes).

Die deutsche Perspektive
Zur verabschiedeten Fassung der Singapore Convention liegt bisher noch keine Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) vor. Eine BRAK-Stellungnahme aus dem Jahr 2015 zu den UNCITRAL-Regelungsbestrebungen war verhalten kritisch (siehe HIER). Die Bundesregierung und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) haben sich noch nicht zur Singapore Convention geäußert. Allerdings war eine Anmerkung der deutschen UNCITRAL-Delegation zu Beginn der Arbeiten der Working Group II kritisch und sah keinen Bedarf für ein entsprechendes Regelungswerk (siehe HIER).

Fazit
Die UNCITRAL hat mit der Singapore Convention einen weiteren Schritt in Richtung Harmonisierung und Rechtsvereinheitlichung des internationalen Handelsrechts gemacht und bietet konsensualen Streitbeilegungsmechanismen nunmehr die Chance, eine echte Alternative zur Schiedsgerichtsbarkeit zu werden. Ob die Singapore Convention denselben Erfolg wie die New York Convention haben wird, hängt in einem ersten Schritt maßgeblich von der Bereitschaft international agierender Unternehmen ab, sich an konsensualen Mechanismen zur Streitbeilegung zu beteiligen. Jedoch ist sodann zu beachten, dass die Singapore Convention in einem zweiten Schritt nur dann Bedeutung gewinnt, wenn sich die Parteien, die sich einvernehmlich geeinigt haben, nicht an die Erfüllung dieser Vereinbarung halten und eine (zwangsweise) Vollstreckung notwendig wird. Ob diese Fallkonstellation eine kritische Masse erreicht, die die Singapore Convention zu einer bedeutenden internationalen Konvention machen könnte, bleibt abzuwarten. Jedoch wird die Singapore Convention in jedem Fall den Fokus auf die Mediation als wirksamen Streitbeilegungsmechanismus in internationalen Handelsstreitigkeiten legen.

Stephan.bausch@luther-lawfirm.com

Simon.heetkamp@luther-lawfirm.com

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