Aktuelle Ausgabe

Transformation in Rechts­abteilungen

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Einleitung

Der KPMG-Rechtsabteilungsreport, nun in seiner zehnten Ausgabe (siehe hier), hat sich seit 2005 als Standardwerk für General Counsel etabliert und bietet ­umfassende Einblicke in die Entwicklung der international tätigen Rechtsabteilungen mit Hauptsitz in Deutschland. Diese ­Historie ermöglicht eine Langzeitbetrachtung, die Trends und Entwicklungen über fast zwei Jahrzehnte hinweg verfolgt und Kennzahlen (Key Performance Indicators; kurz: KPIs) analysiert. Der Report dokumentiert nicht nur die ­aktuellen Herausforderungen und Prioritäten der Rechtsabteilungen, sondern auch die fortschreitende Transformation der Abteilungen durch Digitalisierung und Prozess­optimierung.

Der aktuelle Report liefert mit einer Teilnahme von 165 Unternehmen aus 16 verschiedenen Branchen erneut eine umfassende Datenbasis, die sowohl große als auch kleinere Unternehmen einschließt.

Weniger Anwälte je Milliarde Euro Umsatz

Eine bemerkenswerte Entwicklung zeigt sich bei der ­Anzahl der Anwälte und Anwältinnen je Milliarde Euro Umsatz. Die Analyse der Daten aller Teilnehmer aus dem aktuellen Report zeigt, dass Unternehmen im Durchschnitt 5,3 Anwälte je Milliarde Euro Umsatz beschäftigen. Dabei fallen insbesondere die Unterschiede zwischen den Branchen auf: Der Bereich Life Science/Pharma beispielsweise ist mit über zehn Anwälten je Umsatzmilliarde besonders anwaltsstark, während die Automobilindustrie nur etwa drei Anwälte je Milliarde Euro Umsatz aufweist, ganz zu schweigen vom Lebensmitteleinzelhandel, der weit unter diesen Werten rangiert. Diese Unterschiede spiegeln die verschiedenen rechtlichen Anforderungen und Komplexitäten der jeweiligen Branchen wider.

Um belastbare Analysen zu generieren, ist aber eine präzisere Zielgruppe erforderlich. Hierzu analysiert der Report die sogenannten Top 150 deutscher Unternehmen nach Umsatz. Gegenwärtig enden diese bei etwa 5 Milliarden Euro Umsatz p.a. Die Anzahl der Anwälte je Milliarde Euro Umsatz in dieser Gruppe ist von 4,8 im Jahr 2021 auf 4,5 im Jahr 2023 gesunken, im Jahr 2020 lag der Wert noch bei 5,0. Die Kennzahl ist also seit vier Jahren rückläufig. Ursache hierfür sind Unternehmen, die entweder die Mitarbeitenden in der Rechtsabteilung unverändert belassen, aber weiter im Umsatz wachsen. Andere bauen faktisch Juristen ab. Maßnahmen, um die Masse an Aufgaben dennoch bewältigen zu können, sind vielfältig, darunter die zunehmende Effizienz und Spezialisierung innerhalb der Rechtsabteilungen, die Verlagerung einfacher juristischer Tätigkeiten an externe Dienstleister oder an interne Shared-Service-Center sowie die verstärkte Nutzung von Automatisierung und Technologien, die repetitive Aufgaben übernehmen und somit die Notwendigkeit für große Anwaltsteams reduzieren. Auslöser für diese Reduktion ist sicherlich der massive Budgetdruck, dem sich die Unternehmen ausgesetzt sehen (siehe Abbildung 1).

Die Bedeutung der Paralegals und Assistenzkräfte hat sich im Laufe der Jahre verändert. Während 2005 noch 15% der Beschäftigten in den Rechtsabteilungen Paralegals waren, liegt dieser Anteil heute bei 8%. Ein klares Signal, dass ­repetitive und vorbereitende Aufgaben mittlerweile ­entweder (voll)automatisiert oder durch KI unterstützt vom Anwalt selbständig durchgeführt werden können. Der Bedarf an klassischen Sekretariats- und Assistenz­aufgaben ist im modernen Büroalltag noch deutlicher rückläufig. Seit 2005 ist der Anteil der Sekretariats- und Assistenzstellen bei den Top-150-Unternehmen von 30% auf 7% gesunken. Diese Veränderungen sind hauptsächlich auf die fortschreitende Digitalisierung und den wachsenden Spezialisierungsgrad der Juristen zurückzuführen.

Anstieg der Legal-Operations-Verantwortlichen

Während die Zahl der Anwälte und der Supportkräfte eher rückläufig ist, ist eine Zunahme bei den Legal-Operations- und Tech-Spezialisten zu beobachten. In den vergangenen Jahren ist der Anteil der in Legal-Operations tätigen Mitarbeiter stark gestiegen. Der Report zeigt, dass mittler­weile 7% der Mitarbeitenden in den Rechtsabteilungen mit Legal-Operations betraut sind und sich 4% auf Legal-Tech spezialisiert haben (vgl. Report, Seite 37). Diese Entwicklung unterstreicht die Bedeutung von Effizienzsteigerung und Prozessoptimierung in modernen Rechtsabteilungen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber zu erwähnen, dass diese Teams nicht immer nur klassische Operations/Tech-Arbeit verrichten. Häufig sind sie für Assistenzpools zuständig oder steuern interne Contracting-Center. Eine marktadäquate Größe für „reine“ Operations/Tech-Auf­gaben liegt bei 3% bis 5% der globalen Mitarbeiter in der Rechtsabteilung.

Technologie auf dem Vormarsch

Technologie und Automatisierung sind unbestritten ­ebenso auf dem Vormarsch und prägen die ­zukünftige Ausrichtung der Rechtsabteilungen maßgeblich. Der Einsatz von Legal-Tech wird nicht mehr als Ersatz für menschliches Wissen gesehen, sondern als ein Werkzeug, das Anwälte und Anwältinnen in ihrer Arbeit unterstützt und repetitive Aufgaben übernimmt. Dies ermöglicht es den Anwälten, sich auf komplexere und strategischere Aufgaben zu konzentrieren, was letztendlich zur einer effizienten und fokussierten Rechtsfunktion beiträgt.

Die Nutzung von Technologie wird dabei vorangetrieben, um Ressourcen optimal zu nutzen, schnellere Dienstleistungen bereitzustellen und die Qualität der juristischen Arbeit zu verbessern. Technologien wie Big Data, Predictive Analytics und digitales Vertragsmanagement spielen eine zentrale Rolle in dieser Transformation. So ist der Anteil der Unternehmen, die Technologien wie Dokumenten­automatisierung und Contract-Lifecycle-Management (CLM) nutzen, in den vergangenen Jahren deutlich ­gestiegen. Beispielsweise verwenden 46% der befragten Unternehmen mittlerweile CLM-Systeme, was eine deut­liche Steigerung gegenüber den Vorjahren darstellt.

Interessant ist auch die Potentialeinschätzung der Teil­nehmer zu den verschiedenen Technologien: So sehen 35% der Befragten im Vertragsmanagement eine sehr hohe Eignung, 45% eine hohe. Für das Budgetmanagement, also das klassische „Legal-Spend-Management“, bewerten 34% das Potential als sehr hoch, 59% als hoch, wobei 93% Einsparmöglichkeiten als größtes Leistungsversprechen ­sehen. Dokumentenautomatisierung wird von 91% als hoch bis sehr hoch eingestuft. Künstliche Intelligenz, vor allem im Automobil- und Bankensektor, findet zunehmendes Interesse, mit 19% sehr hohem und 63% hohem Potential (vgl. Report, Seite 83). Insgesamt lässt sich feststellen, dass das das Vertrauen in Legal-Tech spürbar in jeder Branche steigt.

Einsparungen durch Legal-Tech

Der Einsatz von Technologie führt zu einer signifikanten Senkung der Kosten. Unternehmen, die bereits Legal-Tech einsetzen, berichten von durchschnittlichen Kosteneinsparungen von etwa 10% bei gleichzeitiger Prozessbeschleunigung um 20%. Dabei trägt die Automatisierung von Back-Office-Prozessen (d.h. digitale Akte, Spend-Management etc.) und von Front-Office-Prozessen (z.B. automatisiertes Dokumentenerstellen oder andere Self-Service-Module) zu diesen Effizienzgewinnen bei. Der Report dokumentiert detailliert, wie diese Technologien in den Unternehmen implementiert werden und welche konkreten Vorteile sie bringen.

Fazit und Ausblick

Der KPMG-Rechtsabteilungsreport 2023/24 zeigt eindrucksvoll, wie sich die Rechtsabteilungen in Deutschland in den vergangenen 19 Jahren entwickelt haben. Die ­zunehmende Spezialisierung der Anwälte, der Rückgang der Anwaltskapazitäten bei gleichzeitigem Anstieg der ­Legal-Operations-Verantwortlichen, die stetige Optimierung der Rechtsberatung sowie der Vormarsch von Techno­logie und Automatisierung sind zentrale Trends, die die Zukunft der Rechtsabteilungen auch weiterhin prägen werden.

Es wird aber auch deutlich, dass die Rechtsabteilungen sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess befinden, der weit über die Einführung neuer Technologien hinausgeht. Es geht darum, die Rolle der Rechtsabteilung im ­Unternehmen neu zu definieren und die Art des Arbeitens konsequent zu hinterfragen („Arbeiten wir eigentlich nicht immer noch so wie vor zehn Jahren?“). Die zukünftigen Herausforderungen und Prioritäten werden darin bestehen, diese Transformation weiter voranzutreiben und die Mitarbeitenden in Rechtsabteilungen mit hohem Change-Aufwand noch besser auf die dynamischen Anforderungen der Geschäftswelt auszurichten.

 

 

Autor

Andreas Bong KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf Cluster Lead Legal Operations and Technology Services, Partner andreasbong@kpmg-law.com www.kpmg-law.com

Andreas Bong
KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf
Partner, Leiter des Bereichs Legal Operations & Technology Services (LOTS)

andreasbong@kpmg-law.com
www.kpmg-law.com

Autor

Patrick Dornheim KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt/Main Senior Associate pdornheim@kpmg-law.com www.kpmg-law.com

Patrick Dornheim
KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main
Senior Associate, Legal Operations & Technology Services (LOTS)

pdornheim@kpmg-law.com
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