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Aktuelle Ausgabe

Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1226 zum Sanktionsstrafrecht

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Die Bundesregierung hat jüngst den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschafts­gesetzes und anderer Rechtsvorschriften vorgelegt. Es soll die im Mai 2024 in Kraft getretene EU-Richtlinie 2024/1226 zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union („Richtlinie“) umsetzen. Auch wenn sich der Umsetzungs­bedarf in Deutschland in Grenzen hält, sind im Kern ­Änderungen der §§ 18 und 19 des Außenwirtschafts­gesetzes (AWG) und des § 82 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) erforderlich.

Harmonisierung der Bestrafung von Sanktionsverstößen auf EU-Ebene

Die EU will die bereits seit längerem im Fokus stehende Durchsetzung der EU-Sanktionen weiter verstärken. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten daher, eine Vielzahl vorsätzlicher Verstöße gegen EU-Sanktionen künftig als Straftat im nationalen Recht zu normieren. Dazu zählen Verstöße im Zusammenhang mit (i) dem Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen, (ii) der Bereitstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen, (iii) der Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder der Durchreise durch dieses, (iv) sektoralen wirtschaftlichen und finanziellen Maßnahmen (einschließlich finanzieller und technischer Hilfe) und (v) Waffenembargos. Zusätzlich gibt die Richtlinie vor, dass bestimmte Varianten der Sanktionsumgehung und Missachten von Meldepflichten strafbewehrt sein sollen.

Darüber hinaus verpflichtet die Richtlinie die Mitglied­staaten, eine Reihe von ergänzenden Vorschriften zu ­erlassen. ­EU-weit sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleistet werden; Art und Umfang der Strafen sollen in der gesamten EU wirksam, abschreckend und angemessen sein. Die Strafen für juristische Personen sollen entweder nicht weniger als 5% des weltweiten Gesamtumsatzes oder nicht weniger als 40 Millionen Euro betragen. Mitgliedstaaten, die die Höchststrafe an den Umsatz knüpfen, dürfen dabei entscheiden, ob sie den Gesamtumsatz auf der Grundlage des Geschäftsjahres, das dem Jahr der Zuwiderhandlung ­vorausgeht, oder auf der des Geschäftsjahres, das der Bußgeld­entscheidung vorausgeht, berechnen wollen.

Zudem sollen Maßnahmen eingeführt werden, um Hinweisgebern, die Verstöße gegen Sanktionsvorschriften melden, nach den Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/1937 über den Schutz von Hinweisgebern (sogenannte Hinweisgeberricht­linie) zu schützen.

Novellierung der Straftatbestände und Neueinführung von „Verschleierungskonstellationen“

In Deutschland ist die überwiegende Zahl der von der Richtlinie erfassten Tatbestände im AWG bereits als Straftat normiert. Angepasst und ergänzt werden die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 AWG geregelten Verstöße gegen Ausfuhr-, Einfuhr-, Durchfuhr-, Verbringungs-, Verkaufs-, Erwerbs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe- oder Investitionsverbote. Dies beinhaltet auch die nun recht vielfältigen Dienstleistungsverbote, zum Beispiel warenbezogene Dienstleistungsverbote oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen, und es werden auch konkrete Beispiele für sonstige Dienstleistungsverbote aufgeführt, etwa Rechtsberatung, Public-Relations-Beratung, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Unternehmens- oder Managementberatung oder IT-Beratung. Verstöße gegen sektorale Transaktionsverbote sollen nun ebenfalls kriminalisiert sein, wie etwa das Kooperationsverbot unter ­Artikel 5aa Abs. 1 VO (EU) Nr. 833/2014.

Neu eingefügt werden soll § 18 Abs. 1 Nr. 3a und b AWG, mit dem Verschleierungskonstellationen zum Zwecke der Sanktionsumgehung unter Strafe gestellt werden sollen. Hierunter fallen Verhaltensweisen, bei denen Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen, die nach den EU-Sanktionsverordnungen einzufrieren wären, unter anderem verwendet oder an Dritte transferiert werden, um ebendiese Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zu verschleiern. Erfasst sind auch Fälle, in denen falsche oder irreführende Informationen verbreitet werden, um zu verschleiern, dass eine sanktionierte Person Eigentümer oder Begünstigter von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen ist. Bestimmte Konstellationen der Sanktionsumgehung werden in § 18 Abs. 6a AWG zudem als besonders schwerer Fall mit erhöhter Strafdrohung qualifiziert.

§ 18 Abs. 5a AWG erfasst bislang nur Verstöße gegen die Meldepflicht des Art. 9 Abs. 2a VO (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen. Unter der VO (EU) Nr. 269/2014 gelistete Personen unterliegen der Pflicht, ihre Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen zu melden. Diese Vorschrift soll nun erweitert und auf sämtliche EU-Sanktionsverordnungen erstreckt werden.

„Jedermannpflicht“ wird Straftat

Außerdem soll die bislang als Ordnungswidrigkeit erfasste sogenannte Jedermannpflicht als Straftat qualifiziert werden. Danach sind insbesondere Informationen über mögliche Sanktionsverstöße an die zuständigen Behörden zu melden, wenn die Informationen in Ausübung einer Berufspflicht erlangt worden sind und einzufrierende Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen betreffen. Für bestimmte Berufs­gruppen soll allerdings in § 18 Abs. 13 AWG ein persönlicher Strafausschließungsgrund geschaffen werden, insbesondere für Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer und Steuer­berater.

Ein neuer § 18 Abs. 8a AWG soll künftig die leichtfertige Verletzung bestimmter Verstöße bezüglich Dual-Use-Gütern unter Strafe stellen.

Bislang war in § 18 Abs. 11 AWG eine Straffreiheit für denjenigen vorgesehen, der eine Tat binnen 48 Stunden nach Veröffentlichung der Sanktionsverordnung im EU-Amtsblatt begeht und zum Zeitpunkt der Tat keine Kenntnis von dem Verbot oder dem Genehmigungserfordernis hatte. Diese Ausnahme wird nun gestrichen. Allerdings soll ein neuer Strafausschließungsgrund geschaffen werden für den Fall, dass ein Sanktionsgebot in Ausübung einer humanitären Hilfe­leistung für eine bedürftige Person verletzt wird.
In § 95a Aufenthaltsgesetz soll eine neue Strafvorschrift ­geschaffen werden, die unter Strafe stellt, einer gelisteten ­Person Einreise und Durchreise zu ermöglichen.

Ausnahmemöglichkeiten werden nicht genutzt

Hinsichtlich der Novellierung der Straftatbestände orientiert sich der Gesetzesentwurf damit in weiten Teilen an den Vorgaben der Richtlinie und geht nicht über diese hinaus. Insbesondere lässt der Gesetzesentwurf Sanktionsverbote außen vor, die erst nach Inkrafttreten der Richtlinie erlassen wurden. Hierzu zählt die Vorschrift des Artikels 12g VO (EU) Nr.  33/2014, in der die sogenannte No-Russia-Clause geregelt ist, oder das Weitergabeverbot betreffend geistiges Eigentum in Artikel 2 Abs. 2 Buchstabe c VO (EU) Nr. 833/2014.

Auf der anderen Seite macht der Gesetzesentwurf aber auch keinen Gebrauch von bestimmten, in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmetatbeständen. So dürfen die Mitgliedstaaten Handlungen, die unter anderem Gelder, wirtschaftliche Ressourcen, Güter oder Dienstleistungen von weniger als 10.000 Euro Wert betreffen, von der Einstufung als Straf­tatbestände ausnehmen.

Diese Ausnahmemöglichkeit soll nicht umgesetzt werden, da das AWG solche Schwellenwerte nicht kennt; auch ist dem deutschen Strafrecht der Gedanke fremd, dass Verhalten ­unter einem bestimmten Schwellenwert strafwürdig sein soll. Weiterer Grund für die Nichtumsetzung ist ausweislich der Gesetzesbegründung, dass aus der etwaigen Geringwertigkeit eines bestimmten Guts kein Rückschluss darauf möglich ist, wie kriegswichtig es ist. Eine Herausnahme geringwertiger Güter könnte daher den mit den EU-Sanktionen verfolgten Zielen zuwiderlaufen.

Bußgeldbewehrte Verstöße – Änderungen der Bußgeldvorschriften des § 19 AWG

Mit § 19 Abs. 7 und 8 AWG werden zwei neue Vorschriften geschaffen, um die in der Richtlinie vorgesehenen Mindestvorgaben für das Höchstmaß der Geldbußen gegen juristische Personen umzusetzen. Der Gesetzesentwurf entscheidet sich hier für Festbetragsgeldbußen – und gegen die Möglichkeit, eine umsatzbezogene Geldsanktion einzuführen. Das Höchstmaß der Geldbuße soll bei einer vorsätzlichen Straftat nach § 18 Abs. 1 AWG 40 Millionen Euro betragen. Gleiches soll im Fall einer Ordnungswidrigkeit nach § 130 Abs. 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) in Verbindung mit § 18 Abs. 1 AWG, mithin bei vorsätzlichen Aufsichtspflichtverletzungen, gelten. Die in § 17 Abs. 2 OWiG vorgesehene Reduzierung der Geldbuße um die Hälfte bei einer nur fahrlässig begangenen Aufsichtspflichtverletzung soll nach der Gesetzesbegründung im Sanktionskontext aber weiterhin greifen. Zudem sind in § 19 AWG Folgeanpassungen durch die Änderungen an § 18 AWG nötig.

Umsetzung innerhalb der Frist fraglich

Die Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten endet am 20.05.2025. Ob diese Frist in Deutschland eingehalten ­werden kann, erscheint vor dem Hintergrund der zu erwartenden Neuwahlen jedenfalls fraglich.

Autor

Dr. Kerstin Wilhelm
Linklaters LLP, München 
Rechtsanwältin, Solicitor (England and Wales), Partnerin, Co-Head Crisis Management & Compliance
kerstin.wilhelm@linklaters.com
www.linklaters.com

Dr. Kerstin Wilhelm
Linklaters LLP, München
Rechtsanwältin, Solicitor (England and Wales), Partnerin, Co-Head Crisis Management & Compliance
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