Auch wenn die andauernde Coronakrise und Sonderregelungen für Verwirrung sorgen: Setzt die Geschäftsführung in Sachen Insolvenzantrag auf Laisser-faire, riskiert sie Strafverfahren und hohe persönliche Haftung.
Nach Zahlen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (siehe hier) stagniert die Zahl der Unternehmensinsolvenzen weiter auf niedrigem Niveau. Ihre Anzahl lag im Februar 2021 um 21% niedriger als im Vorjahresmonat. Für die nächsten Monate erwarten die Experten ebenfalls keinen signifikanten Anstieg. Dass die Insolvenzen, trotz bedrohlicher Zustände in vielen Branchen, derart niedrig sind, liegt vielen Experten zufolge an der zeitweisen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Aktuell gilt sie unter bestimmten Voraussetzungen noch bis Ende April 2021 – die meisten Unternehmen sind im Insolvenzfall allerdings seit langem wieder antragspflichtig.
Regelung nur noch im Ausnahmefall
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt nur noch unter folgenden Voraussetzungen:
- Ein Unternehmen ist durch die Pandemie in finanzielle Schieflage geraten.
- Das Unternehmen hat bis Ende Februar 2021 staatliche Hilfszahlungen wie die Dezemberhilfe beantragt und wartet derzeit auf Auszahlung.
- Die ausstehenden Zuschüsse reichen aus, um die wirtschaftliche Situation der Firma zu stabilisieren.
Abwarten ist keine Option
Unternehmerinnen und Unternehmer sollten unbedingt prüfen, ob sie antragspflichtig sind oder nicht. Die strengen Regelungen zur Zahlungsunfähigkeit dürfen nicht unterschätzt werden. Denn wird bei Antragspflicht und bestehender Insolvenzreife nicht rechtzeitig die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, ist das auch in Pandemiezeiten keine Bagatelle. Insolvenzverschleppung ist sowohl straf- als auch zivilrechtlich relevant.
Wer unschlüssig ist und einfach nur abwartet, macht sich womöglich zumindest der fahrlässigen Insolvenzverschleppung schuldig, die mit einer Geldstrafe oder Haftstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden kann. Denn: Die Geschäftsführung hat die Pflicht, stets gewissenhaft zu prüfen, ob für ihr Unternehmen Antragspflicht besteht – im Zweifel mit Hilfe eines Rechtsexperten.
Konsequenzen drohen
Eine Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung ist jedoch nicht die einzige drohende Konsequenz: Die Geschäftsführung haftet zudem unter Umständen persönlich für Zahlungen, die vom Unternehmen nach der Insolvenzreife ausgehen. So sind von ihrem Eintritt bis zum Ablauf der Frist für die Antragstellung nur noch Zahlungen erlaubt, die im Rahmen nachhaltiger Sanierungsbemühungen oder im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Insolvenzantrags zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind. Wurden unzulässige Ausgaben veranlasst, muss die Geschäftsführung unter Umständen später Gläubiger aus privatem Vermögen entschädigen.
Hinzu können Tätigkeitsverbote und weitere mögliche Strafverfahren wegen Betrugs und Untreue kommen. Auch eine Haftung für versäumte Abgaben besteht, wenn etwa Körperschaft-, Umsatz-, Gewerbe- oder Lohnsteuer nicht abgeführt worden sind. Außerdem steht es unter Strafe, Sozialversicherungsbeiträge nicht abzuführen.
Das Haftungsrisiko schwebt dabei wie ein Damoklesschwert noch lange über der Geschäftsleitung. Entgeht ein Unternehmen vielleicht im Moment der Insolvenz, befindet sich aber später in einem solchen Verfahren, wird auch die Vergangenheit aufgerollt. So können in der Regel zurückliegende Strafdelikte aufgedeckt werden. Eine absolute Verjährung tritt erst nach zehn Jahren ein. Achtung: Ein Insolvenzverfahren kann nicht nur vom Unternehmen selbst, sondern auch von Gläubigern wie Finanzbehörden oder Krankenversicherungsträgern beantragt werden.
Rechtzeitig Insolvenz beantragen
Um sich diesen Risiken nicht unnötig auszusetzen, muss die Geschäftsleitung den finanziellen Status ihres Unternehmens genau im Blick haben. Und sie muss wissen, ob es unter etwaige Sonderregelungen fällt. Besteht die Pflicht zum Insolvenzantrag, muss dieser von der Geschäftsführung beim zuständigen Insolvenzgericht gestellt werden. Dafür gibt es je nach Insolvenzgrund unterschiedliche Fristen. Bei Vorliegen einer akuten Zahlungsunfähigkeit: drei Wochen. Bei Eintritt einer Überschuldung: sechs Wochen.
Die Definitionen kennen
Manchmal kennt die Geschäftsführung die exakte Bedeutung der insolvenzrechtlichen Begriffe nicht. Sie weiß demzufolge auch nicht, wie sie auf das eigene Unternehmen anzuwenden sind und welche konkreten Anforderungen sich daraus ergeben. Diese Kenntnis ist jedoch Grundvoraussetzung für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Auch hier sollte man im Zweifel qualifizierte Berater hinzuziehen.
Für den Fall der Insolvenz hat die Rechtsprechung des BGH folgendes Kriterium formuliert: Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Schuldner nicht innerhalb von drei Wochen in der Lage ist, mindestens 90% seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu begleichen.
Überschuldung liegt hingegen vor, wenn die bestehenden Verbindlichkeiten durch das Vermögen des Unternehmens nicht mehr gedeckt werden und eine negative Fortführungsprognose für das Unternehmen vorliegt. Fällt die Fortführungsprognose hingegen positiv aus, ist in der Regel der Tatbestand des Insolvenzgrunds Überschuldung nicht gegeben.
Mögliche Folgen einer Insolvenzverschleppung
- Geld- oder Haftstrafe von bis zu einem Jahr bei fahrlässigem Handeln
- Geld- oder Haftstrafe von bis zu drei Jahren bei Vorsatz
- Fünfjähriges Tätigkeitsverbot als Geschäftsführer/Geschäftsführerin und Vorstand
- Belegung mit einem Gewerbeverbot
- Persönliche Haftung für nach Insolvenzreife autorisierte Zahlungen
- Potentielle Anschlussverfahren wegen Betrugs, Untreue oder vorenthaltener Sozialleistungen
Risiko der Geschäftsführerhaftung minimieren
- Strukturierte Buchhaltung und Controlling
- Permanente Überwachung von Umsatzentwicklung, Liquidität, Verbindlichkeiten
- Sofortiges Einholen fundierter Sanierungs-, Restrukturierungs- oder Insolvenzberatung im Krisenfall
- Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen frühzeitig einleiten und sorgfältig umsetzen
- Haftungsrisiko durch eine Managerhaftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) reduzieren