Praxisvergleich von CSDDD und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

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Der Rat der Europäischen Union und das Europä­ische Parlament haben sich im Dezember 2023 in den Trilogverhandlungen auf einen gemeinsamen Text für die europäische Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, abgekürzt CSDDD oder CS3D, siehe hier) geeinigt. Die finale Fassung der Richtlinie ist noch nicht veröffentlich; die wichtigsten Inhalte können aber bereits Pressemitteilungen der EU entnommen werden.

Dieser Beitrag stellt die wesentlichen Neuerungen der CSDDD im Vergleich zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vor.

Hintergrund

Die EU-Kommission leitete das Richtlinienvorhaben vor vier Jahren mit der Konsultation verschiedener Wirtschaftsakteure ein. Mit der Richtlinie soll der bisher weltweit umfassendste Gesetzgebungsakt zu Sorgfaltspflichten im Bereich Unternehmensnachhaltigkeit geschaffen werden. Die Richtlinie gilt in den Mitglied­staaten nicht unmittelbar, sondern bedarf der Umsetzung in nationales Recht – in Deutschland voraussichtlich durch ­Anpassung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichten­gesetzes (LkSG), das bereits seit dem 01.01.2023 (für Unternehmen mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern in Deutschland) beziehungsweise 01.01.2024 (für ­Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern in Deutschland) anwendbar ist.

Wesentliche Inhalte

Der Anwendungsbereich und die Reichweite und das Ausmaß der Sorgfaltspflichten und Sanktionen unter der CSDDD gehen über die Regelungen des LkSG erheblich hinaus. Von der CSDDD werden nicht nur die rund 4.800 Unternehmen aus Deutschland betroffen sein, die bereits nach dem LkSG verpflichtet sind, sondern auch voraussichtlich etwa 13.000 Unternehmen in der ­gesamten EU sowie weitere 4.000 Unternehmen außerhalb der EU.

 

Anwendungsbereich erweitert: drei Unternehmensgruppen betroffen

Die CSDDD wird Auswirkungen auf Unternehmen aus drei Hauptgruppen haben: große EU-Unternehmen, ­Unternehmen außerhalb der EU (Nicht-EU-Unternehmen) sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

Als große Unternehmen, die unter die Richtlinie fallen sollen, gelten Unternehmen und Muttergesellschaften, die nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats gegründet worden sind und mehr als 500 Arbeitnehmende beschäftigen sowie einen weltweiten Nettoumsatz von über 150 Millionen Euro erwirtschaften. Diese Gruppe wird voraussichtlich etwa 9.400 Unternehmen um­fassen. Daneben sind auch Unternehmen mit mehr als 250 Arbeit­nehmern und einem Nettoumsatz von über 40 Millionen Euro verpflichtet, wenn mindestens 20 Millionen Euro in einem der folgenden Risikosektoren erwirtschaftet werden:

  • Herstellung von und Großhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen
  • Landwirtschaft einschließlich Forstwirtschaft und ­Fischerei, Herstellung von Lebensmitteln und Handel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen
  • Gewinnung von und Großhandel mit mineralischen Rohstoffen oder Herstellung von damit verbundenen Produkten und Baugewerbe

In diese Unterkategorie der großen Unternehmen ­fallen schätzungsweise 3.400 Unternehmen. Die CSDDD legt demnach, anders als das deutsche LkSG, klare Risiko­branchen fest, die gesteigerte Sorgfalts­pflichten umsetzen müssen und einer verschärften Aufsicht unter­liegen. Anders als das LkSG enthält die CSDDD konkretere Aussagen zur Anwendbarkeit der Regelungen in Konzernstrukturen. Beim Erreichen der vorgenannten Schwellenwerte durch eine Holding wird auch die Tochtergesellschaft verpflichtet, die der obersten Mutter­gesellschaft in der Kontrollkette am nächsten steht und bei der es sich nicht um eine bloße Holdinggesellschaft handelt. Auch Franchisekonstellationen hat die CSDDD im Blick und eröffnet den Anwendungsbereich für ­Unternehmen, die Franchisevereinbarungen mit unabhängigen Drittunternehmen gegen Lizenzgebühren geschlossen haben, wenn sich die Lizenzgebühren im letzten Geschäftsjahr auf mehr als 7,5 Millionen Euro belaufen und das Unternehmen im letzten Geschäftsjahr einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen Euro erzielt hat.

Für Unternehmen der zweiten Kategorie (Nicht-EU-Unternehmen) gilt die CSDDD, wenn diese drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie einen Nettoumsatz von 150 Millionen Euro in der EU erwirtschaften. Die Kommission wird hierzu eine Liste dieser Unter­nehmen ­veröffentlichen müssen. Schätzungen gehen von 4.000 betroffenen Nicht-EU-Unternehmen aus.

KMU sind von den Sorgfaltspflichten der CSDDD grundsätzlich ausgenommen. Als Teil der Wertschöpfungsketten größerer Unternehmen wird sich die Richtlinie jedoch auch auf KMU auswirken. Die CSDDD sieht Unterstützungsmaßnahmen für KMU vor, wie beispielsweise die regelmäßige Veröffentlichung von Leitlinien durch Aufsichtsbehörden. Auch finanzielle Hilfen auf ­europäischer sowie nationaler Ebene sind laut dem ­zuständigen Justizkommissar Didier Reynders denkbar.

 

Sorgfaltspflichten: Umsetzung des Pariser Klimaabkommens

Die in der Richtlinie niedergelegten Sorgfaltspflichten ­betreffen vor allem Umweltschutz und Menschenrechte.

Insbesondere die umweltrechtlichen Sorgfaltspflichten der CSDDD gehen über diejenigen des deutschen LkSG hinaus. Unternehmen mit einem Nettojahresumsatz von 150 Millionen Euro müssen einen Plan zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5° C in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaabkommen aufstellen und umsetzen (sogenannter Transition-Plan). Der aktuelle CSDDD-Entwurf verlangt dafür „beste Bemühungen“ von Unternehmen. Eine solche „Bemühenspflicht“ sieht auch das LkSG vor. Für die Umsetzung des „Transition-Plans“ ­sollen Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern finanzielle Anreize erhalten. Bis zum Jahr 2050 sollen ­Unternehmen ab 2030 in Fünfjahresschritten Klima­neutralität erreichen.

Daneben sieht der Richtlinienkompromiss Sorgfaltspflichten hinsichtlich weitgefasster Umweltauswirkungen vor. Hierzu zählt insbesondere die Messung von Umweltverschlechterungen, wie schädliche Bodenveränderungen, Wasser- oder Luftverschmutzung, schädliche Emissionen oder übermäßiger Wasserverbrauch sowie andere Auswirkungen auf natürliche Ressourcen. Das deutsche LkSG verbindet die umweltbezogenen Verpflichtungen nach wie vor mit menschenrechtlichen Auswirkungen, beispielsweise negative Konsequenzen für die Gesundheit oder die Trinkwasserqualität.

Als Teil der Sorgfaltspflichten der Unternehmen sieht die Richtlinie auch Konsultationspflichten mit Betroffenen sowie Austauschpflichten vor. Zudem stärkt die CSDDD den Grundsatz, die Beendigung von Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten als letztes Mittel in Betracht zu ziehen (Befähigung vor Rückzug).

 

Konfliktpunkt Finanzsektor: vorläufiger Ausschluss

Die Einbeziehung des Finanzsektors in den Anwendungsbereich der CSDDD war bis zuletzt der Hauptdiskussions­punkt in den Trilogverhandlungen. Der Finanzsektor soll nun vorübergehend partiell vom Anwendungsbereich ausgenommen werden, da für diese Branche ein geringeres Schadenspotential angenommen wird. Jedoch ist eine Überprüfungsklausel für eine mögliche zukünftige Einbeziehung des Sektors auf Grundlage einer ausreichenden Folgenabschätzung vorgesehen. Mit Inkrafttreten der CSDDD werde der Finanzsektor laut EU-Berichterstatterin Lara Wolters bereits in Bezug auf Upstreamaktivitäten, also zum Beispiel Assetmanager und Investmentfonds, verpflichtet.

 

Erweiterte Definition der Lieferkette: Upstream und Downstream

Im Gegensatz zu dem deutschen LkSG, das die Sorgfaltspflichten zunächst auf den eigenen Geschäfts­bereich ­sowie auf unmittelbare Zulieferer von verpflichteten ­Unternehmen beschränkt (Upstream), bezieht die CSDDD nun nicht nur vorgelagerte Zulieferer, ­sondern teilweise auch nachgelagerte Geschäftsaktivitäten (Downstream) und indirekte Zulieferer in die relevante Lieferkette mit ein. Hierzu gehören unter anderem der Vertrieb, der Transport, die Lagerung und die Demontage des Produkts sowie dessen Recycling.

 

Sanktions- und Haftungsregime: zivilrechtliche Haftung bestätigt

Die Umsetzung der CSDDD soll durch zwei Durchsetzungs­mechanismen sichergestellt werden: behörd­liche Verwaltungsaufsicht und Sanktionen sowie zivile Haftungs- und Klagewege für Betroffene.

Zunächst sollen nationale Aufsichtsbehörden befähigt werden, Untersuchungen einzuleiten und Sanktionen ­gegen Unternehmen, die gegen die Sorgfaltspflichten aus der CSDDD verstoßen, zu verhängen. Zu den ­Sanktionen zählen die Veröffentlichung der jeweiligen Unternehmens­namen (Naming and Shaming) sowie die Verhängung von Geldstrafen von bis zu 5% des weltweiten Nettoumsatzes (das LkSG sieht derzeit Geldstrafen bis zu 2% des durchschnittlichen Jahresumsatzes vor, sofern der Jahresumsatz durchschnittlich mehr als 400 Millionen Euro beträgt). Für die Zusammenarbeit der nationalen Behörden wird die Kommission ein Europäisches Netzwerk von Aufsichtsbehörden einrichten (European Network of Supervisory Authorities). Die Einhaltung der CSDDD soll zudem als Kriterium für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen herangezogen werden.

Daneben sieht der vorläufige Richtlinientext die Möglichkeit für Betroffene vor, die nach der Richtlinie verpflichteten Unternehmen innerhalb von fünf Jahren zivilrechtlich in Haftung zu nehmen. Dieses Recht soll dabei auch durch Gewerkschaften und NGOs im Wege der Prozessstandschaft geltend gemacht werden können. Ein Unternehmen kann jedoch nicht haftbar gemacht werden, wenn der Schaden nur von seinen Geschäftspartnern in der Wertschöpfungskette verursacht wurde.

Ausblick und nächste Schritte

Der Richtlinientext muss vom Rechtsausschuss und vom Europäischen Parlament als Ganzes sowie vom Rat (EU-Regierungen) formell genehmigt werden, bevor er in Kraft treten kann. Danach ist die Richtlinie von den Mitgliedstaaten in erwartungsgemäß zwei Jahren in ­nationales Recht umzusetzen.

Auch das deutsche LkSG wird an entscheidenden ­Stellen angepasst werden müssen, insbesondere hinsichtlich des erweiterten Anwendungsbereichs und der Erfassung der nachgelagerten Lieferkette, der Erreichung von ­Klimaneutralität und des verschärften Sanktions- und Haftungsregimes.

Die für Februar 2024 geplante Abstimmung über die Richtlinie wurde aufgrund von Vorbehalten seitens der FDP in der deutschen Regierungskoalition verschoben. Derzeit ist offen, ob die Richtlinie noch vor den Europa­wahlen im Juni 2024 endgültig bestätigt werden kann. ­Zudem ist unklar, ob der im Dezember 2023 erreichte Kompromiss zur Richtlinie möglicherweise noch Änderungen unterzogen wird.

 

Autor


Dr. Lothar Harings GvW Graf von Westphalen, Hamburg Rechtsanwalt, Partner l.harings@gvw.com www.gvw.com

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GvW Graf von Westphalen, Hamburg
Rechtsanwalt, Partner

l.harings@gvw.com
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Stefanie Beermann GvW Graf von Westphalen, Düsseldorf Rechtsanwältin, Associate s.beermann@gvw.com www.gvw.com

Stefanie Beermann
GvW Graf von Westphalen, Düsseldorf
Rechtsanwältin, Associate

s.beermann@gvw.com
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Dr. Julia Hörnig GvW Graf von Westphalen, Brüssel Rechtsanwältin, Associate j.hoernig@gvw.com www.gvw.com

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GvW Graf von Westphalen, Brüssel
Rechtsanwältin, Associate

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Max Jürgens GvW Graf von Westphalen, Hamburg Rechtsanwalt, Senior Associate m.juergens@gvw.com www.gvw.com

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GvW Graf von Westphalen, Hamburg
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