Interview mit Gina-Maria Tondolo, Gründerin und Geschäftsführerin Lawrence

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Lawrence ist eine Softwarelösung für die Automatisierung des Kanzleimarketings. Das Legal-Tech-Unternehmen mit Hauptsitz in Wien wurde 2017 von Gina-Maria Tondolo gegründet. Die Software wurde von Experten mit langjähriger Kanzleierfahrung in Kooperation mit world-direct eBusiness Solutions speziell für die Branche entwickelt. In Österreich und der Schweiz ist Lawrence Marktführer, seit diesem Jahr ist das Unternehmen auch in Deutschland ­aktiv. In der aktuellen Ausgabe spricht Gina-Maria ­Tondolo mit Prof. Dr. Thomas Wegerich darüber, wie künstliche I­ntelligenz (KI) und Digitalisierung die Kanzleibranche ­verändern.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Frau Tondolo, warum braucht es eine Revolution im Kanzleimarketing?

Gina-Maria Tondolo:
Die digitale Revolution ist für die Branche unerlässlich, da traditionelle Ansätze den aktuellen Herausforderungen nicht mehr gerecht werden. Das Hauptproblem liegt im fehlenden zentralen Datenmanagement. Obwohl ständig wertvolle Informationen – wie die Referenzen, Fachkenntnisse der Juristen oder spezielle Kanzleidienstleistungen – generiert werden, fehlt oft eine zentrale Organisation und systematische Analyse dieser marketingrelevanten Daten. Dieser Bereich birgt ein enormes Potential für Digitalisierung.
Besonders bei Pitches zur Mandatsgewinnung und bei Submissions für nationale und internationale Kanzlei-Rankings werden der Arbeitsaufwand und die Lücke in der Datenverwaltung deutlich. Digitale Lösungen könnten diese erhebliche Lücke effizient schließen und den Prozess optimieren. Hier braucht es einen Gamechanger auf Kanzleiseite. Und genau den bieten wir mit Lawrence an.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Dann erzählen Sie doch ­einmal: Was genau macht Lawrence?

Gina-Maria Tondolo:
Im Herzen von Lawrence liegt das Experience-Management. Also eine Datenbank, die es ermöglicht, alle marketingrelevanten und kanzleispezifischen Informationen an einem Ort digital zu erfassen, zu speichern und zu pflegen. Diese Daten werden dynamisch verknüpft und können so verarbeitet werden. Kanzleien können daraus dann Marketingdokumente wie Pitches, Vorlagen für Mandantenleitfäden, Kanzlei- und Persönlichkeitsprofile sowie Lebensläufe automatisiert erstellen. Die im System gespeicherten und gepflegten Informationen werden zusammengesetzt und im Corporate-Design der Kanzlei formatiert.
Das System hilft zudem, marketingbezogene Prozesse zu definieren, Fristen zu setzen und intern zu kommunizieren. Und schließlich gibt es den Partnern die Möglichkeit, die Verwendung ihrer Mandate und Referenzklienten für Marketingzwecke online per Mausklick zu genehmigen oder abzulehnen.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Was genau ändert sich im Arbeitsalltag?

Gina-Maria Tondolo:
Wir stehen vor einem Wendepunkt im Kanzleimarketing. Viele Kanzleien managen ihre ­Informationen wie ein verstaubtes Archiv: Dokumente sind überall verstreut, und das Finden einer spezifischen Info gleicht einer Schatzsuche. Doch digitale Prozesse können diesen Suchaufwand um 70% reduzieren. Stellen Sie sich eine zentrale, digitale Bibliothek vor, in der alle marketingrelevanten Daten geordnet und stets griffbereit sind. Und ein besonderes Highlight: die Juve-Schnittstelle, die einen direkten Datenexport für die Juve-Fragebögen ermöglicht – das können bislang nur wir. Mit der Digitalisierung werden Pitches und Submissions zum Spaziergang. Und nächtliche Überstunden für Präsentationen? Die gehören endgültig der Vergangenheit an.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Zeit sparen ist schön und gut. Was aber hat die Kanzlei insgesamt davon?

Gina-Maria Tondolo:
Zeit zu sparen ist natürlich ein großer Vorteil, aber es geht um weit mehr als das. Durch die Digitalisierung und zentrale Verwaltung aller marketingrelevanten Daten in einer Art „digitalen Bibliothek“ wird nicht nur der Suchaufwand drastisch reduziert, sondern auch die Qualität und Konsistenz der Informationen erhöht. Digitalisierte Prozesse sorgen dafür, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Business Development (BD) und Marketing endlich das tun können, wofür sie qualifiziert sind: Strategien entwickeln und konzeptionell denken. In der digitalen Welt verwendet das Marketing 80% seiner Zeit auf Strategie und nur 20% auf Routine. Mit der alten Analogtechnik ist es umgekehrt: Welch eine Verschwendung von Zeit und Personalressourcen! Digitalisierte Prozesse bringen den Kanzleien also einen echten, greifbaren Wettbewerbsvorteil.
Und nicht zu vergessen: Wenn Partner nicht mehr bis spät in die Nacht an Pitches arbeiten müssen, steigt auch die Arbeitszufriedenheit. Es ist also ein ganzheitlicher Ansatz, der nicht nur Zeit, sondern auch Ressourcen spart und die Kanzlei insgesamt stärkt.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Pitch-Tools gibt es ja schon viele. Warum sollte sich eine Kanzlei für Ihre Lösung ­entscheiden?

Gina-Maria Tondolo:
Wir haben mit Lawrence nicht nur irgendein Tool geschaffen, sondern ein echtes Spezialwerkzeug für die Branche. Mit 14 Jahren Erfahrung im Marketing bei Schönherr, der größten österreichischen Kanzlei, bringe ich persönlich tiefes Insiderwissen über die spezifischen Herausforderungen mit. Von Beginn an waren zwei Kanzleien als Pilotkunden an Bord, die uns wertvolles Feedback lieferten. Dies ermöglichte es uns, Lawrence präzise auf die Anforderungen und Wünsche unserer Zielgruppe zuzuschneiden.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Spezialistentools sind meistens teuer. Wie rechtfertigen Sie Ihre Preise?

Gina-Maria Tondolo:
Fragen Sie lieber, was es die Kanzleien kostet, unser Tool nicht zu haben. Einer unserer Kunden, eine Kanzlei mit 20 Berufsträgern, hat das einmal ausgerechnet: 100.000 Euro verschlingt der Aufwand, den die analogen Suchvorgänge jedes Jahr auslösen. Und dabei bleibt es ja nicht: Die BD-Leute sind oft frustriert, wechseln, man muss neue Mitarbeiter suchen. Das kostet viel Geld, selbst wenn man keinen Headhunter einsetzt. Und dann: die verpassten Neugeschäftschancen, weil die, die sie identifizieren sollen, den ganzen Tag nur Informationen suchen. Und der Markt wird schwieriger – schauen Sie nur auf die schwachen Wirtschaftsdaten in Deutschland. Eine Kanzlei wird nur dann ihre Profitabilität halten und ausbauen, wenn jeder das tut, was er am besten kann.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Ist es nicht so, dass IT-Anbieter ihren Hauptumsatz durch die individuelle Software­entwicklung erzielen? Können Sie Ihr Geschäftsmodell kurz beschreiben? Oder, anders gewendet, wie verdienen Sie Ihr Geld?

Gina-Maria Tondolo:
Unser Geschäftsmodell unterscheidet sich von dem eines klassischen Auftragsentwicklers. Anstatt von Grund auf zu beginnen, bieten wir bereits eine speziell für die Branche entwickelte Lösung an. Dies ermöglicht uns, laufend zu optimieren, unsere Software zu verfeinern und uns kontinuierlich zu verbessern. Das Herzstück unserer Software ist solide, ausgereift und hat sich in der Praxis bewährt.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Welche Erfolgsbeispiele gibt es?

Gina-Maria Tondolo:
Unsere Kunden in Österreich, der Schweiz und auch die ersten in Deutschland sagen uns, dass sich ihre Datenqualität enorm gesteigert hat, inhaltliche Botschaften in Pitches und Submissions besser ­rüberkommen und dass zahlreiche Opportunities genutzt wurden, die sonst unbeachtet geblieben wären. Zu unseren Kunden gehören mit Schönherr, Wolf Theiss, CMS, Dorda, Binder Grösswang, Bär & Karrer, Lenz & Staehelin sowie Oppenhoff bereits Topkanzleien in Österreich, der Schweiz und in Deutschland. Deshalb kann man denen, die ihr Marketing noch nicht digitalisiert haben, nur zu­rufen: „Wenn Ihr es jetzt nicht macht, werden es die anderen zuerst machen. Und Ihr habt das Nachsehen.“

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Österreich ist in der Digitalisierung weiter als Deutschland. Warum?

Gina-Maria Tondolo:
In der Tat, in Österreich wendet mehr als die Hälfte der führenden Kanzleien Lawrence erfolgreich an. In Deutschland ist man im Marketing „too busy to improve“. Man weiß zwar, dass es nicht mehr lange so gehen kann. Doch die meisten Marketing- und BD-Abteilungen sind gefangen in ihrer täglichen Routine, in einer Mischung aus kaum haltbaren Deadlines, endlosen Aktualisierungen der Daten und einem langsamen Informationsmanagement. Unter diesen Bedingungen ist es schwierig, neue Prozesse einzuführen. Wir können dabei helfen.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Ist die Einführung neuer Prozesse und Technologien nicht auch ein Generationen­problem? Wie kann man die Kanzleiführung für eine Veränderung gewinnen?

Gina-Maria Tondolo:
Ja, die Einführung neuer Prozesse und Technologien kann tatsächlich als ein Generationenproblem betrachtet werden. Oftmals sind es die jüngeren Generationen, die technologischen Neuerungen aufgeschlossener gegenüberstehen, während ältere ­Generationen möglicherweise zögern, bewährte Methoden zu verändern.
Um die Kanzleiführung für eine Veränderung zu gewinnen, ist es wichtig, den Mehrwert und die Vorteile der neuen Technologien klar zu kommunizieren. Es geht nicht nur darum, „moderne“ Technologien einzuführen, sondern darum, wie diese Technologien die Effizienz steigern, Kosten senken und letztlich zum Wachstum und ­Erfolg der Kanzlei beitragen können.
Digitalisierte Prozesse können die Wettbewerbsfähigkeit an allen drei Fronten – Kosten, Personal, Neugeschäft – erheblich steigern. 70% Zeitersparnis für einen Pitch entlasten zudem auch die Stundenkonten der involvierten Partner. Nur ein Beispiel: Wenn Einzelinformationen in Lebensläufen von Anwälten und Anwältinnen nur einmal abgespeichert werden müssen, um dann in allen sie betreffenden Dateien synchronisiert zu werden, spart das nicht nur Zeit, sondern es erhöht auch die Validität der hinterlegten Informationen.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Ist ChatGPT eine Gefahr für Systeme wie Lawrence?

Gina-Maria Tondolo:
Keineswegs. ChatGPT und Systeme wie Lawrence dienen unterschiedlichen Zwecken und sind in ihrer Grundfunktion nicht vergleichbar. ChatGPT ist ein fortschrittliches Sprachmodell, das darauf spezialisiert ist, Textdialoge in einer menschenähnlichen Art zu führen, ideal für Kundenservice, Informationsanfragen und ähnliche Interaktionen.
Lawrence hingegen ist speziell für das Kanzleimarketing entwickelt worden und bietet tiefergehende, branchen­spezifische Funktionen. Ein zentrales Merkmal von ­Lawrence ist seine Rolle als Datenbank für Kanzleien. Diese Datenbank enthält wertvolle, spezifische und oft vertrauliche Informationen, die über Jahre hinweg gesammelt wurden. Dieser „Goldschatz“ an Daten ist einzigartig für jede Kanzlei und stellt einen unschätzbaren Wert dar. Eine externe KI, selbst so fortschrittlich wie ChatGPT, kann diesen spezifischen und individuellen Datenbestand nicht ersetzen oder replizieren.
Während ChatGPT in bestimmten Aspekten des Kanzleimarketings unterstützend eingesetzt werden könnte, kann es nicht die spezialisierten und maßgeschneiderten Funktionen eines Systems wie Lawrence ersetzen. Es ist denkbar, dass beide Technologien in Kombination genutzt werden könnten, wobei jede ihre eigenen Stärken beisteuert.
Bei Lawrence arbeiten wir derzeit an der Integration einer Text-KI, die auf der ChatGPT-Basis aufbaut. Zusätzlich verfügen wir bereits über ein Plugin für DeepL, das Übersetzungen erleichtert.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Warum wird das Kanzlei­marketing erst jetzt digital?

Gina-Maria Tondolo:
Das Kanzleimarketing hat, wie ­viele traditionelle Branchen, erst spät den digitalen Wandel ­angenommen. Dies lag an tiefverwurzelten traditionellen Strukturen, der Komplexität der Rechtsbranche, an ­Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Vertraulichkeit, begrenzten Ressourcen und generellen Widerständen gegen Veränderungen. Doch mit technologischen Fortschritten und sich wandelnden Kundenanforderungen wächst das Bewusstsein für die Notwendigkeit und Vorteile digitaler Marketingstrategien in Kanzleien.

 

Deutscher AnwaltSpiegel:
Vielen Dank, liebe Frau ­Tondolo, für Ihre spannenden Ausführungen. Wir sind ­sicher, dass diese von großem Interesse für unsere ­Leserinnen und Leser sind.

 

Autor

Gina-Maria Tondolo LAWRENCE Submission and Pitch Automation, Wien Gründerin, Geschäftsführende Gesellschafterin info@lawrence.eu www.lawrence.eu

Gina-Maria Tondolo
LAWRENCE Submission and Pitch Automation, Wien
Gründerin, Geschäftsführende Gesellschafterin

info@lawrence.eu
www.lawrence.eu

 

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