BAG erschwert den DSGVO-Auskunftsanspruch für Beschäftigte

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Eines lässt sich im Rückblick auf 2021 sicher sagen: Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO erfreut(e) sich wachsender Beliebtheit bei Arbeitnehmern – vor allem bei gekündigten.

Alles spricht dafür, dass das BAG in einer sehr aktuellen Entscheidung den ausufernden Auskunftsanfragen nun einen (weiteren) Riegel vorschiebt: Der pauschale Antrag auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DGSVO reicht nicht mehr aus. Dies dürfte die Konsequenz des Urteils vom 16.12.2021 (2 AZR 235/21) sein, dessen Leitsätze und Entscheidungsgründe allerdings noch nicht vorliegen. Die betroffene Person (zum Beispiel Arbeitnehmer) wird zukünftig gegenüber dem Verantwortlichen präzisieren müssen, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen konkret bezieht. Erfolgt eine solche Präzisierung nicht, kann der Verantwortliche (zum Beispiel der Arbeitgeber) die Auskunft verweigern.

Damit bleibt der 2. Senat des BAG seiner Linie treu: Schon zur Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO war entschieden worden, dass nicht pauschal eine Kopie des gesamten E-Mail-Verkehrs verlangt werden kann. Insbesondere nicht auch noch neben allen E-Mails, in denen der Antragsteller persönlich erwähnt wird (BAG, Urteil vom 27.04.2021 – 2 AZR 342/20).

Beliebt: Auskunftsanspruch als Druckmittel

Die Entscheidung dürfte nicht nur im vorliegenden Fall bei dem Beklagten, einem bekannten in Stuttgart ansässigen Automobilkonzern, sondern auch in vielen HR-Abteilungen für Erleichterung sorgen. Der Auskunftsanspruch hatte sich in jüngster Zeit nämlich zum beliebten Druckmittel von Arbeitnehmern entwickelt. Vor allem Kündigungsschutzprozesse wurden und werden gern begleitet von DSGVO-Informationsansprüchen und entsprechenden Schadensersatzforderungen.

Das Arbeitsgericht Neumünster hatte in diesem Zusammenhang entschieden, dass bei einer um drei Monate verspäteten Auskunft ein immaterieller Schadensersatz von insgesamt 1.500 Euro zu zahlen ist (Urteil vom 11.08.2020 – 1 Ca 247 c/20). Das LAG Hamm hat den Arbeitgeber zur Zahlung von 1.000 Euro im Fall einer sechsmonatigen Verspätung verurteilt (Urteil vom 11.05.2021 – 6 Sa 1260/20). Derartige Entscheidungen könnten nun nicht mehr haltbar sein. Interessant ist, dass das Urteil des LAG Hamm noch nicht rechtskräftig ist und derzeit beim BAG liegt. Eine Aufhebung des Urteils durch den 2. Senat ist nicht unwahrscheinlich.

Bewährt: Anspruch auf Datenkopie bereits erschwert

Hinsichtlich des Verlangens nach Überlassung einer Kopie der Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO war durch das BAG (Urteil vom 27.04.2021 – 2 AZR 342/20) bereits entschieden worden, dass der Auskunftsanspruch zu konkretisieren sei. Klage erhoben hatte ein Wirtschaftsjurist, der schon nach einem Monat Beschäftigung innerhalb der Probezeit und mit Zustimmung des Betriebsrats wieder entlassen worden war. Neben Auskunft über die ihn betreffenden personenbezogenen Daten verlangte er auch eine Kopie des gesamten E-Mail-Verkehrs von ihm sowie all jener E-Mails, in denen er persönlich erwähnt wurde. Diesen Anspruch versagte das BAG: Eine Kopie sämtlicher E-Mails, in denen er erwähnt worden sei, könne nicht pauschal verlangt werden. Hierfür müsse er konkret benennen, von welchen E-Mails er denn konkret eine Kopie erhalten wolle.

Die wesentliche Begründung des BAG lautete: Ein antragsgemäßes Urteil wäre nicht vollstreckbar. Es fehlt schlicht gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO an einem hinreichend bestimmten Klageantrag.
Die E-Mails, von denen eine Kopie zur Verfügung gestellt werden solle, müssten nämlich in einer Weise bezeichnet werden, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft wäre, auf welche elektronischen Nachrichten sich die Verurteilung konkret bezieht. Dies sei durch die bloß abstrakte Nennung der Kategorien von E-Mails nicht möglich. Bei einer Verurteilung bliebe unklar, auf welche E-Mails sich die Verurteilung zur Überlassung einer Kopie konkret beziehe. Damit wäre erst recht unklar, ob mit einer Überlassung von in diese Kategorien fallenden E-Mails der Anspruch erfüllt wäre. Damit wäre der Streit der Parteien in vermeidbarer Weise in das Vollstreckungsverfahren verlagert.

Das BAG gab in den Entscheidungsgründen sogar ein kostenfreies Repetitorium und somit Nachhilfe für klagewillige Beschäftigte: Der Kläger könne sein Begehren doch mittels einer Stufenklage (§ 254 ZPO) durchsetzen. Diese ist zunächst auf Erteilung einer Auskunft zu richten, welche E-Mails der fraglichen Kategorien die Beklagte verarbeitet. Auf der zweiten Stufe kann gegebenenfalls auf Versicherung an Eides statt geklagt werden, dass die Auskunft zutreffend und vollständig ist. Auf der dritten Stufe ist die Überlassung einer Kopie der sich aus der Auskunft ergebenden E-Mails zu beantragen.

Beantragt: Pauschale Anträge jetzt pauschal ablehnen?

Wie sollten Unternehmen vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Rechtsprechung zu Art. 15 Abs. 1 DSGVO nun mit datenschutzrechtlichen Auskunftsersuchen von Arbeitnehmern umgehen? Dürfen insbesondere pauschale Anträge auf Auskunft nun auch pauschal abgelehnt werden? Schauen wir uns dazu den Verfahrensgang zu der neuen BAG-Entscheidung genauer an:
Sowohl das Arbeitsgericht Stuttgart (3 Ca 4960/18) als auch das LAG Baden-Württemberg (21 Sa 43/20) in der 2. Instanz hatten die Beklagte zur Herausgabe der beantragten Daten verurteilt. Dabei hatte das LAG Baden-Württemberg das Problemfeld bereits so angerissen, wie es das BAG in seinem Urteil zu den Datenkopien tat: Es befasste sich mit der Frage, wann der Informationsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DSGVO hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sei.

Das LAG Baden-Württemberg kam zu der Auffassung, es reiche aus, wenn der Antragsteller konkret mitteilt, welche Informationen er im Rahmen der Buchstaben a) bis h) des Art. 15 Abs. 1 DSGVO für welche Kategorie von personenbezogenen Daten begehrt. Dieser Auffassung hat das BAG nun eine Absage erteilt.

Es lohnt sich, einen Blick auf den genauen Wortlaut der Klageanträge zu werfen. Der Kläger hatte mit Klageantrag zu Ziff. 4 und 5 beantragt:

„(…) 4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über die von ihr verarbeiteten und nicht in der Personalakte des Kl. gespeicherten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten des Kl. zu erteilen, im Hinblick auf

  • die Zwecke der Datenverarbeitung,
  • die Empfänger, gegenüber denen die Bekl. die personenbezogenen Daten des Kl. offengelegt habe oder noch offenlegen werde,
  • die Speicherdauer oder falls dies nicht möglich ist, Kriterien für die Festlegung der Dauer,
  • die Herkunft der personenbezogenen Daten des Kl., soweit die Bekl. diese nicht bei dem Kl. selbst erhoben habe und
  • das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling sowie aussagekräftiger Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung

5. die Bekl. zu verurteilen, dem Kl. eine Kopie seiner per sonenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten, die Gegenstand der von ihr vorgenommenen Verarbeitung seien, zur Verfügung zu stellen.“

Derartige Anträge lesen sich für viele verklagte Unternehmen wie alte Bekannte. Sie entsprechen dem gängigen Wording sowohl von Auskunftsersuchen als auch der dann oft folgenden entsprechenden arbeitnehmerseitigen Klageanträge. Vergleichbar formulierte Anfragen bei Arbeitgebern führten in der Vergangenheit oft zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers, wenn das Auskunftsbegehren nicht oder nicht rechtzeitig beantwortet worden war. Eine Besonderheit des jetzt entschiedenen Falls mag noch darin liegen, dass die in der Personalakte gespeicherten personenbezogenen Daten nicht Teil des Auskunftsersuchens waren.

Man kann aber doch davon ausgehen, dass das BAG die Bestimmtheit des Klageantrags anders bewertet hat als die Vorinstanzen: Hinsichtlich der Argumentation dürfte es sich dabei an der Rechtsprechung zum Antrag auf Übersendung einer Datenkopie orientiert haben. Auch hier bemisst sich die Zulässigkeit des Antrags nach der Frage, inwieweit die Ansprüche im Vollstreckungsverfahren durchgesetzt werden könnten.

Folgen für die Praxis

Dann gilt jetzt für die Personalpraxis: Arbeitgeber dürfen pauschale und unpräzise Auskunftsbegehren aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO zurückweisen.

Ob die Anfrage zu pauschal ist, richtet sich danach, ob ohne weitere Nachfragen klar abgegrenzt ist, über welche konkreten Daten Auskünfte begehrt werden. Die bloße Angabe von (Daten-)Kategorien reicht nicht.

Nicht entschieden ist die Frage nach einer Mitwirkungs- oder Hinweispflicht des Unternehmens. So könnte man darauf kommen, Adressaten der Auskunftsbegehren seien verpflichtet, auf Mängel bei der Antragstellung hinzuweisen. Eine solche Pflicht dürfte aber wohl nicht bestehen. Schon aus Erwägungsgrund 63 der DSGVO ergibt sich, dass der Verantwortliche bei der Verarbeitung von großen Mengen von Informationen (im Arbeitsverhältnis regelmäßig der Fall) verlangen kann, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Information sich ihr Auskunftsersuchen bezieht. Es empfiehlt sich für Unternehmen daher, jedenfalls auf Auskunftsbegehen zu antworten, dass die Auskunft mangels Präzisierung nicht erteilt werden kann.

Gleichzeitig sollten sich Arbeitgeber auf Stufenklagen einstellen: Arbeitnehmer werden nun auf einer ersten Stufe anfragen müssen, welche personenbezogenen Daten der Betroffenen das Unternehmen verarbeitet und im zweiten Schritt weitere Auskünfte über diese Daten (zum Beispiel den Zweck und die Speicherdauer) verlangen.

Mit Spannung zu erwarten ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des BAG zur Revision gegen ein Urteil des LAG Hamm (6 Sa – 1260/20), wo es um die verspätete Erfüllung eines Auskunftsbegehrens geht. Es ist gut möglich, dass der Schadensersatzanspruch über 1.000 Euro aufgrund einer sechs Monate verspäteten Auskunft mangels Bestimmtheit der Anfrage keinen Bestand haben wird.

lelley@buse.de / Twitter: @JanTiborLelley

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