Neues Anwendungsschreiben zu § 50i EStG vereinfacht steuerneutrale Umstrukturierungen – der Gesetzgeber bleibt gefordert
Von Peter Fabry und Alexander Momberger, B.A.

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Die Intention des Gesetzgebers bei der Einführung von § 50i EStG im Jahr 2013 war die Vermeidung steuerneutraler Entstrickungen von stillen Reserven in Anteilen an Kapitalgesellschaften in sogenannten Wegzugsfällen. Auslöser war ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2010, welches der langjährigen Verwaltungspraxis hinsichtlich des Besteuerungsrechts an gewerblich geprägten Personengesellschaften eine Absage erteilt.

Hintergrund

Zur Vermeidung der Rechtsfolgen der Wegzugbesteuerung nach dem Außensteuergesetz wurde für Familienunternehmen in der Vergangenheit vielfach eine Strukturierung empfohlen, bei der die im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Inhaber einer wesentlichen Beteiligung an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften ihre Anteile vor einem Wegzug in eine gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägte Personengesellschaft einlegten. Die Finanzverwaltung ging davon aus, dass die Beteiligung an einer steuerlich nur fingiert gewerblich tätigen Personengesellschaft eine inländische Betriebsstätte i. S. d. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA vermittelt, aus der der Steuerpflichtige inländische Unternehmensgewinne i. S. d.

Art. 7 Abs. 1 OECD-MA erzielt. Folglich unterblieb zum Zeitpunkt des Wegzugs regelmäßig eine Besteuerung. Die Finanzverwaltung erstellte sogar vielfach verbindliche Auskünfte, die diese Rechtsansicht bestätigten.

Entgegen dieser Auffassung entschied der BFH jedoch mit Urteil vom 28.04.2010 (Az. I R 81/09), dass gewerblich geprägte Personengesellschaften keine abkommensrechtlichen Betriebsstätten begründen. Die von Deutschland abgeschlossenen DBA weisen nach dem Wegzug das Besteuerungsrecht in aller Regel dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters der gewerblich geprägten Personengesellschaft zu, so dass Deutschland regelmäßig keine Möglichkeit der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns zusteht.

Einführung von § 50i EStG

Als Reaktion auf die Entscheidung des BFH und die nach Auffassung des Gesetzgebers hieraus resultierenden „Steuerausfälle in Milliardenhöhe“ wurde durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.2013 die Vorschrift des § 50i EStG eingeführt. Ziel der Vorschrift ist unter anderem die Sicherung des inländischen Besteuerungsrechts an nach einem Wegzug realisierten Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften oder anderen Wirtschaftsgütern, welche vor dem 29.06.2013 in das Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft eingelegt wurden.

Zur Verhinderung einer Umgehung von der nach § 50i EStG vorgesehenen Besteuerung durch steuerneutrale Umwandlungen wurde die Vorschrift durch das Kroatien-AnpG vom 25.07.2014 um einen zweiten Absatz erweitert. Erfasst werden sollten hiervon insbesondere Gestaltungen, bei denen Beteiligungen an §-50i-EStG-Gesellschaften steuerneutral nach 20 Abs. 2 Satz 2

UmwStG auf inländische Kapitalgesellschaften übertragen werden und Deutschland bei einer anschließenden Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile abkommensrechtlich kein Besteuerungsrecht zusteht.

Der gesetzliche Anwendungsbereich von § 50i Abs. 2 EStG ist dabei jedoch so umfassend ausgestaltet worden, dass nahezu sämtliche Umstrukturierungen von §-50i-EStG-Gesellschaften gewinnrealisierend vorzunehmen sind. Hierzu zählen – insoweit regelüberschießend – auch reine Inlandsfälle, bei denen ein Wegzug niemals stattgefunden hat. Wird beispielsweise eine wesentliche Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft vor dem 29.06.2013 in eine deutsche, gewerblich geprägte Personengesellschaft eingelegt und geht diese Beteiligung im Rahmen einer unentgeltlichen Unternehmensnachfolge auf den Sohn des Gesellschafters über, verhindert § 50i Abs. 2 EStG den steuerneutralen Vermögensübergang, obwohl keine Realisation, Entstrickung oder Entnahme vorliegt. Gleiches würde für die Umwandlung der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft gelten. Sogar die Aufnahme einer originär gewerblichen Tätigkeit durch die bisher lediglich gewerblich geprägte Personengesellschaft wird von § 50i Abs. 2 EStG erfasst und führt zur Aufdeckung der stillen Reserven.

Die Einführung von § 50i Abs. 2 EStG stellte insbesondere Familienunternehmen aufgrund offener Auslegungsfragen sowie mangels klarer, praktisch umsetzbarer Vorgaben vor große Schwierigkeiten bei geplanten Umstrukturierungen. Da die Finanzverwaltung in aller Regel keine verbindlichen Auskünfte im Zusammenhang mit § 50i EStG erteilte, mussten Umstrukturierungen in Anbetracht fehlender Rechtssicherheit meist verschoben werden.

Neues Anwendungsschreiben führt zur teilweisen Steuerneutralität aufgrund Billigkeitserlass

Mit Schreiben vom 21.12.2015 (BStBl 2016 I S. 7) hat das Bundesfinanzministerium (BMF) erstmals Stellung zu Übertragungen von §-50i-EStG-Gesellschaften in Inlandsfällen bezogen. Kern des Schreibens ist die Einschränkung der überschießenden Wirkung des § 50i Abs. 2 EStG. Klarstellend äußert sich die Finanzverwaltung jedoch zunächst dahingehend, dass nach ihrer Auffassung § 50i EStG unabhängig von der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen Anwendung findet, wodurch grundsätzlich auch der Anwendungsbereich für reine Inlandsfälle eröffnet ist. Gleichwohl wird jedoch auch von Seiten der Finanzverwaltung eine überschießende Tendenz durch § 50i Abs. 2 EStG anerkannt. Insofern können nach dem BMF-Schreiben Inlandsfälle aus sachlichen Billigkeitsgründen abweichend von § 50i Abs. 2 EStG steuerneutral vorgenommen werden, soweit ein gleichlautender Billigkeitsantrag sowohl von dem übertragenden als auch von dem übernehmenden Rechtsträger vorliegt und das deutsche Besteuerungsrecht an den gemäß § 50i EStG steuerverstrickten Wirtschaftsgütern weder ausgeschlossen noch beschränkt wird.

Die vom BMF-Schreiben genannten Ausnahmen betreffen bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen Einbringungen nach §§ 20, 24 und 25 UmwStG sowie Umwandlungen nach §§ 3, 9, 11, 15 und 16 UmwStG. Ebenfalls genannt sind Überführungen und Übertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG sowie Fälle des Strukturwandels. Die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG ist vom Anwendungsbereich der Billigkeitsregelung jedoch nur erfasst, sofern die Übertragung auf eine natürliche Person erfolgt. Unklarheit herrscht somit bei Übertragungen auf juristische Personen. Während Übertragungen auf Personengesellschaften aufgrund ihrer transparenten Besteuerung wohl begünstigt sind, wäre eine steuerneutrale Übertragung auf Stiftungen wohl nicht länger möglich.

Fazit

Die Finanzverwaltung schafft mit dem BMF-Schreiben vom 21.12.2015 zumindest in Teilbereichen erfreulicherweise Klarheit. Insbesondere Familienunternehmen können mit einiger Rechtssicherheit wieder auf zentrale steuerrechtliche Vorschriften zurückgreifen und aufgeschobene Umstrukturierungen nunmehr durchführen. Allerdings werden einige wichtige Anwendungsfragen durch das BMF-Schreiben nicht geklärt, wodurch die Vor­aussetzungen der Billigkeitsregelungen wohl in vielen Fällen im Wege einer verbindlichen Auskunft mit der Finanzverwaltung abzustimmen sind. Eine praxisnahe Lösung kann letztlich nur durch eine gesetzliche Änderung erlangt werden.

peter.fabry@luther-lawfirm.com

alexander.momberger@luther-lawfirm.com

13 replies on “Familienunternehmen können aufatmen”

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