BFH: Pflicht der Rechtsanwälte zur Abgabe Zusammenfassender Meldungen trotz Schweigepflicht

Von Peter Fabry und Christine Herdt

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 27.09.2017 (Aktenzeichen XI R 15/15) darüber entschieden, dass ein Rechtsanwalt, der Beratungsleistungen an im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer erbracht hat, die für diese Fälle vorgeschriebene Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung mit den darin geforderten Angaben (etwa: Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Mandanten, Gesamtbetrag der Beratungsleistungen an den Mandanten) nicht unter Berufung auf seine Schweigepflicht verweigern kann.

Sachverhalt und Streitfrage

Die Klägerin, eine deutsche Rechtsanwaltsgesellschaft, erbrachte gegenüber ihren in übrigen EU-Mitgliedstaaten ansässigen Mandanten sogenannte sonstige Leistungen aus anwaltlicher Tätigkeit. Für die Beurteilung der Umsatzsteuerbarkeit bei sonstigen Leistungen gegenüber Unternehmern (B2B-Bereich) ist der Ort der Leistung maßgebend.

Gemäß § 3a Abs. 2 UStG wird die anwaltliche Tätigkeit am Sitz des im Ausland ansässigen Leistungsempfängers ausgeführt und ist damit im Inland nicht umsatzsteuerbar. Demzufolge erteilte die Rechtsanwaltsgesellschaft Rechnungen ohne deutsche Umsatzsteuer und sah von deren Abführung ab, da infolge der Umkehr der Steuerschuldnerschaft (sogenanntes Reverse-Charge-Verfahren) die Mandanten als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer in ihrem jeweiligen Ansässigkeitsstaat schulden.

Insofern wurden zwar die Beratungsleistungen als innergemeinschaftliche sonstige Leistungen erklärt, jedoch wurden keine Zusammenfassenden Meldungen gemäß § 18a UStG abgegeben. Durch die Beklagte, das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), wurde die Rechtsanwaltsgesellschaft aufgefordert, Zusammenfassende Meldungen für das zweite Quartal 2010 abzugeben. Gegen die förmliche „Erinnerung“ an die Abgabe der Zusammenfassenden Meldung für das zweite Quartal 2010 des BZSt vom 17. Oktober 2011 wandte sich die Klägerin im Rahmen einer Sprungklage an das Finanzgericht (FG). Darin machte die Klägerin geltend, dass sie als Rechtsanwaltsgesellschaft unter Berufung auf § 102 Abs. 1 Nr. 3 BSt. b) AO die Weitergabe von Informationen verweigern dürfte, die ihr im Rahmen ihrer Mandatsbeziehung bekannt geworden sind, was also die Nennung der USt-IdNr. ihrer im Ausland ansässigen Mandanten einschließe. Das FG wies die Sprungklage mit Urteil vom 15.04.2015 ab (FG Köln, Entscheidung vom 15.04.2015 – 2 K 3593/11). Gegen das vom FG abgewiesene Urteil erhob die Rechtsanwaltsgesellschaft Klage zum BFH unter Berufung auf die Verletzung der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als auch die ihres materiellen Rechts im Hinblick auf die nach ihrer Ansicht unzutreffend vorgenommene Abwägung des FG zwischen der anwaltlichen Schweigepflicht und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Zudem hat das FG unzutreffend eine konkludente Einwilligung der Mandanten in die Offenlegung ihrer Daten angenommen.

Entscheidungsgründe

Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Eine Berufung auf die Schweigepflicht greift nicht durch, weshalb sie weiterhin zur Abgabe der von ihr angeforderten Zusammenfassenden Meldung verpflichtet ist. Die anwaltliche Schweigepflicht steht nach Ansicht des BFH der Angabe der Zusammenfassenden Meldung nicht entgegen. Die Mandanten, als Empfänger der anwaltlichen Beratungsleistung, haben, so der BGH, durch Verwendung ihrer USt-IdNr. konkludent in die Weitergabe ihrer unter der USt-IdNr. abrufbaren Daten gegenüber den Steuerbehörden eingewilligt und die Rechtsanwaltsgesellschaft insoweit von ihrer Schweigepflicht entbunden. Gemäß § 43a Abs. 2 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BORA) sind Rechtsanwälte zur Verschwiegenheit verpflichtet, weshalb diese die Auskunft darüber verweigern können, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist. Nach Auffassung des BFH wirkt das Auskunftsverweigerungsrecht des Rechtsanwalts nicht grenzenlos. Insbesondere gilt das Verweigerungsrecht nicht für Mandanten, die auf eine Geheimhaltung ihrer Identität verzichtet haben. Mandanten haben stets das Recht, Berufsträger von ihrer Schweigepflicht entbinden zu können, und zwar auch stillschweigend. Sofern der Rechtsanwalt freiwillig Angaben macht, etwa in Bezug auf die Mitteilung der USt-IdNr., sind diese verwertbar. Nach dem EU-weit harmonisierten – demnach auch ausländischen Leistungsempfängern bekannten – System der Besteuerung innergemeinschaftlicher Dienstleistungen willigt der leistungsempfangende Unternehmer jedenfalls aufgrund der Verwendung der USt-IdNr. gegenüber dem leistenden Unternehmer in die Offenbarung der USt-IdNr. in einer Zusammenfassenden Meldung ein. Im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens, also der Umkehr der Steuerschuldnerschaft, muss der Mandant als Leistungsempfänger nach Art. 250 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und dem damit korrespondierenden nationalen Gesetz seines Ansässigkeitsstaats den Umsatz in seiner Umsatzsteuererklärung angeben. Das führt zu einer Offenbarung der Mandatierung gegenüber den Steuerbehörden.

Praxishinweise

Das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren – also die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, auch Abzugsverfahren genannt – ist eine Sonderregelung bei der Umsatzsteuer. Tritt dieser Spezialfall ein, muss der leistungsempfangende Unternehmer und nicht der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer entrichten. Nichtsdestoweniger bleibt der leistende Unternehmer verpflichtet, die sonstige Leistung im Rahmen seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung (§ 18b Satz 1 Nr. 2 UStG) zu erklären und somit gegenüber den Finanzbehörden anzuzeigen. Im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens sind Unternehmer, die im EU-Ausland steuerpflichtige sonstige Leistungen i. S. d. § 3a Abs. 2 UStG erbringen, gemäß § 18a UStG verpflichtet, dem BZSt im vorgeschriebenen Meldezeitraum eine Zusammenfassende Meldung auf elektronischem Weg nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. In der Zusammenfassenden Meldung ist die Summe der Umsätze sowie die USt-IdNr. der im übrigen EU-Ausland ansässigen Leistungsempfänger anzugeben. Mittels der Angabe der USt-IdNr. ist die Identität des Leistungsempfängers zweifelsfrei zuordenbar. Dadurch bleibt den Berufsträgern kein Raum mehr, um sich auf die berufliche Verschwiegenheitspflicht berufen zu können. Und zwar, weil die Mandatsbeziehung durch die Verwendung der USt-IdNr. im Binnenmarkt bereits offengelegt wird, was die BFH-Entscheidung im Anschluss an vorangegangene Verfahren deutlich zum Ausdruck gebracht hat.

Neu ist allerdings das Verständnis des Gerichts, dass die bloße Verwendung der USt-IdNr. eine Einwilligung zur Offenlegung mandatsbezogener Daten impliziert. Dem leistungsempfangenden Unternehmer bleibt jedoch nichts anderes übrig, als seine USt-IdNr. zu verwenden, möchte er am internationalen Geschäftsverkehr teilnehmen. Verzichtet er auf die Angabe seiner USt-IdNr., so kann er auch keinen Vorsteuerabzug geltend machen und wäre damit im Rahmen des Abzugsverfahrens in doppelter Hinsicht mit Umsatzsteuer belastet. Ein Wahlrecht steht ihm faktisch nicht zu. Wo kein Wahlrecht besteht, kann unseres Erachtens auch nicht von Einwilligung des leistungsempfangenden Unternehmers in die Offenlegung seiner Daten die Rede sein. Im Streitfall hat der BFH die Auseinandersetzung mit § 18a UStG offengelassen. Im Sinne der Rechtsfortbildung wäre es jedoch erstrebenswert gewesen, zu diskutieren, ob die in § 18a UStG gesetzlich normierte Pflicht zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung die verfassungsrechtlich geschützte anwaltliche Schweigepflicht in zulässiger Weise  einschränkt.

peter.fabry@luther-lawfirm.com

Christine.herdt@luther-lawfirm.com

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