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Aktuelle Ausgabe

Brandenburg zieht die Zügel an in Sachen Digitalisierung

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Gründung Digitalministerium & Digitalbudget


Die Digitalpolitik des Landes ist Chefsache geworden und in einem eigenen Ressort gebündelt. Nun gibt es erstmals eine klare fachliche Zuständigkeit für den Digitalfortschritt im Land Brandenburg. Die vielfältigen Themen der ­Digitalisierung werden so immer mit am Kabinettstisch behandelt. Dabei haben wir das neue Ministerium in Rekordzeit aufgebaut. Es schafft Synergien, stärkt die ­digitalpolitische Koordination und bricht Silos auf. Unser Ziel ist es, die Digitalisierung im Land schnell voran­zubringen. Das Digitalbudget ist ein hierfür zentrales ­Instrument; es verbindet die Ausweisung und Bündelung der ­zentralen Digitalausgaben des Landes in einem Haushaltsplan mit klaren Qualitätsanforderungen für die Ausgabe dieser Gelder. So werden Standards vereinheitlicht, Prioritäten gesetzt und strategische Ziele gemeinsam mit den Fachressorts in die Tat umgesetzt. Ein Monitoring­system wird den Stand der Umsetzung nachverfolgen.


Flächendeckende Verwaltungsdigitalisierung


Brandenburg legt bei der Verwaltungsdigitalisierung den Hebel in Richtung Beschleunigung um. Im Mittelpunkt ­stehen die Kommunen und ihre Bedarfe. Ziel ist es, die wichtigsten Leistungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) ­flächendeckend in allen Kommunen anzubieten. Hierfür richten wir das Vorgehen komplett neu aus – und wechseln in eine Projektstruktur. Das Ministerium führt die Gesamtprogrammsteuerung. Ein zentrales Management priorisiert Vorhaben, unterstützt Projektteams und verzahnt die Finanzierung. Das schafft Rechts- und Planungssicherheit für alle Beteiligten. Rückgrat der Umsetzung sind der ­zentrale ­Support, agile Arbeitsweisen und eine Kommunikationsplattform als Umsetzungscommunity. Die Zusam­men­arbeit folgt einer echten Kooperationskultur über Ressort- und Ebenengrenzen hinweg. Gesetzt ist dabei auch eine zentrale Finanzierung. Das Land schafft somit Verbindlichkeit, starke Angebote und klare Zielverein­barungen.


Künstliche Intelligenz (KI) in der Verwaltung


Ein weiterer Schwerpunkt ist die Koordination im Bereich KI, insbesondere beim Einsatz in der Verwaltung. Wir möchten die Chancen von KI in der Verwaltung nutzen, aber auch die Risiken sichtbar machen und minimieren. Die Potentiale sind auch für die öffentliche Verwaltung ­riesig. Gerade wiederkehrende Prozesse und Vorgänge sind prädestiniert für den Einsatz von KI.


Ein erstes Großprojekt ist die Einführung eines KI-Tools für die Landesbehörden. Das Tool wird das einfache, aber rechtssichere Zusammenfassen von behördeninternen Dokumenten und Daten ermöglichen und sowie die Text­erstellung unterstützen. So wird KI uns helfen, alltägliches Verwaltungshandeln zu vereinfachen und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Service zu bieten. Gleichzeitig werden dienstleistende Verwaltungen entlastet und haben mehr Zeit für die wirklich schwierigen oder beratungsintensiven Fälle.


Once Only


Ein weiteres zentrales Vorhaben meines Ministeriums ist die Umsetzung des Once-Only-Prinzips. Ziel ist es, öffentliche Stellen so zu vernetzen, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen ihre Daten gegenüber der Verwaltung nur noch einmal angeben müssen – die Behörden tauschen die bereits vorliegenden Daten (nach Einwilligung durch den Berechtigten) untereinander aus. ­Verwaltungsleistungen werden auf diese Weise nutzungsfreundlicher. Von elementarer Bedeutung ist hierbei das National-Once-­Only-Technical-System (NOOTS) als technische Infrastruktur für den Nachweisaustausch – sprich: die Datenautobahn für den automatischen Datenaustausch zwischen den Behörden. Brandenburg hat den NOOTS-Staatsvertrag als eines der ersten Länder ratifiziert.


Durch das dazugehörige Projekt „Registermodernisierung“ versetzen wir die Stellen, in denen die Daten lagern (Personen­standsregister, Grundbuch usw.), technisch in die Lage, an die „Datenautobahn“ des NOOTS angeschlossen zu werden. Hierzu ist das Land durch die Digitalagentur Brandenburg und das Amt Scharmützelsee als Pilot­kommune in einem von drei ausgewählten Konsortien des „Register-as-a-Service“-Wettbewerbs (RaaS-Wettbewerb) des Gov-Tec-Campus vertreten. Ziel des Konsortiums ist die Entwicklung eines Prototyps für ein cloudbasiertes Gewerberegister.


Metropolregion Berlin-Brandenburg als Zentrum für Data-Center-Infrastruktur


Die Metropolregion Berlin-Brandenburg entwickelt sich zunehmend zu einem wichtigen Zentrum für Rechen­zentren und damit auch für souveräne Cloud- und KI-Infra­struktur in Deutschland. Der Markt für Rechenzentren wächst rasant: Bis 2030 wird die Leistung deutscher Rechenzentren voraussichtlich um rund 70% ansteigen, angetrieben durch die zunehmende Nachfrage nach Cloud-Computing und KI. Die Metropolregion Berlin-­Brandenburg gewinnt durch eine günstige Flächenverfügbarkeit, eine gut ausgebaute nachhaltige Energieversorgung und Netzwerkinfrastruktur zunehmend an Bedeutung. Besonders hervorzuheben ist das neue Rechenzentrum von Schwarz Digits in Lübbenau (Spreewald) mit einer Investitionshöhe von 11 Milliarden Euro und einer geplanten Anschlussleistung von 200 Megawatt (MW). Dieses Projekt unterstreicht das Potential der Region als europäischer, souveräner Cloud- und KI-Infrastrukturstandort. Die Ansiedlung von Rechenzentren und KI-Infrastrukturen in der Metropolregion Berlin-Brandenburg schafft zukunftssichere Arbeitsplätze und fördert regionale Wertschöpfung in strukturschwachen Gebieten. Das steigende Interesse an nachhaltiger Energieversorgung und Abwärmenutzung stellt die Region zudem als vorbildlichen Standort für energie­effiziente Rechenzentren heraus.


Digitalisierung der Justiz


Ich bin fest davon überzeugt, dass nur eine Justiz auf der Höhe der Zeit als dritte Gewalt zur Akzeptanz unseres demokratischen Rechtsstaats einen angemessenen Beitrag leisten kann – und den brauchen wir heute dringender denn je. Ich habe mir daher vorgenommen, die Digitalisierung der Justiz und insbesondere den Einsatz von KI zügig und energisch voranzutreiben.


Elektronische Akte


Auf dem Weg zur modernen Justiz steht zunächst die elektronische Aktenbearbeitung. Die Einführung der elektro­nischen Akte an allen Gerichten des Landes war und ist ein Kraftakt, den Brandenburg erfolgreich meistert: Zum 01.01.2026 werden alle neu angelegten Verfahrensakten bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften elektronisch geführt. Die Einführung ist ein komplexes Großprojekt, das über viele Jahre hinweg geplant und umgesetzt worden ist. Die Herausforderungen reichten dabei von technischen Fragen über die Anpassung gewohnter Arbeitsabläufe bis hin zur Schulung tausender Beschäftigter. Zahlreiche Pilotprojekte, Testphasen und Rückmeldeschleifen waren notwendig, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Dies ist ein wesentlicher Meilenstein zur Digitalisierung in der Justiz – denn sie schafft die Voraussetzungen für die weiteren Schritte. Mit der Einführung der elektronischen Akte ist die digitale Transformation der Justiz also keineswegs ab­geschlossen – sie geht gerade erst los. Es werden die Voraussetzungen geschaffen, um große Datenschätze auch mit Hilfe von KI strukturiert verwenden zu können.


KI in der Justiz


Der Einsatz von KI in der Justiz birgt ein enormes Potential, die Effizienz zu steigern, den Zugang zum Recht zu verbessern und die Qualität der Rechtspflege zu erhöhen. Die effizientere Bearbeitung soll den Beteiligten durch verkürzte Verfahrenslaufzeiten zugutekommen. Die KI-Software kann sich zudem positiv auf die Rechtssicherheit aus­wirken, indem vergleichbare Fallgestaltungen aus der Masse der Verfahren einfacher berücksichtigt werden ­können. Auch kann die sonst aufgewendete Zeit für andere richterliche Tätigkeiten verwendet werden. Gleichwohl müssen sich die KI-Projekte den besonderen rechtlichen und ethischen Herausforderungen stellen. Dabei ist für mich klar: Der Einsatz von KI kann und darf den Einsatz einer Richterin oder eines Richters nicht ersetzen. Die Technik wird den Menschen hier nicht verdrängen – am Ende entscheidet immer der Mensch.


Schon heute kommt KI in der Justiz in Brandenburg teilweise zum Einsatz: In Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium und Richterinnen und Richtern entwickelte sich die zentrale KI-Anwendung „KAI“ (Königs Wusterhausen Artificial Intelligence). KAI ist 2024 mit dem Ziel entwickelt worden, dazu beizutragen, die Bearbeitung von Fluggastrechteverfahren zu beschleunigen. Der Einsatz von KAI ermöglicht eine automatisierte Unterstützung durch die Analyse und Filterung vorheriger vergleichbarer Entscheidungen, was insbesondere bei hohen Fallzahlen eine Entlastung darstellt. Damit trägt KAI wesentlich dazu bei, die Effizienz zu steigern. Aktuell wird KAI beim Amts- und Flughafengericht Königs Wusterhausen eingesetzt, um praktische Erfahrungen mit dieser innovativen Techno­logie zu sammeln und ihre Einsatzmöglichkeiten in der täglichen Arbeit zu evaluieren. Eine wesentliche Erfahrung ist, dass dieses Projekt aus der Ebene der Anwender­gruppen heraus entstanden ist (bottom-up). Das Prinzip – vom Richter für den Richter – ist im Rahmen des Akzeptanz­managements besonders glücklich, da es eine große intrinsische Motivation in der Nutzung erzeugt und das Projekt entsprechend viel Akzeptanz erfährt. Derzeit prüfen wir die Erweiterung des Tools auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Ein weiteres Projekt namens „MAKI“ (Massenverfahrens­assistenz mit Hilfe von KI) ist gegenwärtig in der Entwicklung. Mit dem Ziel, die Richterschaft bei der Bearbeitung von Massenverfahren zu unterstützen, hat das Justizministerium Niedersachsen die Anwendung erarbeitet. MAKI verfügt künftig über Funktionalitäten im Bereich der Metadatenextraktion, des Wissens- und Textbausteinmanagements und zudem über integrierte generative KI. Brandenburg beteiligt sich an der Entwicklung der Anwendung und bringt seine Perspektive und Erfahrungen ein. Dabei ergänzen sich MAKI und KAI. Während KAI als Recherchewerkzeug fungiert, zielt MAKI auf die intelligente Assistenz bei der Erstellung von Texten und Schriftsätzen sowie der Bearbeitung repetitiver Verfahrensschritte. Beide Systeme sollen langfristig gemeinsam die digitale Innovationskraft der Justiz in Brandenburg stärken.

Darüber hinaus wird parallel zu KAI und MAKI und der Pilotierung der Chatanwendungen Beck-Chat die Einführung eines Legal-AI-Workspace vorangetrieben. Dies stellt eine Erweiterung dar, da es nicht nur die Recherche ermöglicht, sondern die Bearbeitung juristischer Aufgaben umfasst, insbesondere die Möglichkeit, Dokumente zu überprüfen, zu überarbeiten oder neu zu entwerfen. Für diese umfassende Nutzung werden aktuell Tests im Justizbereich durchgeführt und in Vorbereitung der Einführung rechtliche Rahmen bestimmt.

Autor

Dr. Benjamin Grimm, Minister der Justiz und für Digitalisierung des Landes Brandenburg, Potsdam

Dr. Benjamin Grimm

Minister der Justiz und für Digitalisierung des Landes Brandenburg, Potsdam


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