ComplianceBusiness ist eine Publikation der Produktfamilie Deutscher AnwaltSpiegel

ComplianceBusiness ist eine Publikation der Produktfamilie Deutscher AnwaltSpiegel

Aktuelle Ausgabe

Änderungen im Sanktionsstrafrecht ante portas

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

In seiner Sitzung am 06.11.2025 hat sich der Bundestag in erster Lesung mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstößen gegen restriktive Maßnahmen der Europäischen Union (Drs. 21/2508) befasst. Kern des Entwurfs sind die Straf- und Bußgeldtatbestände der §§ 18 und 19 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) sowie § 82 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV).

Hintergrund

Bereits im April 2024 trat die Richtlinie der Europäischen Union 2024/1226 zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union in Kraft („EU-Richtlinie“). Ziel ist es, innerhalb der Europäischen Union eine Harmonisierung bei der Bestrafung von Sanktionsverstößen herzustellen. Im Kern geht es um die Schaffung von einheitlichen Straftatbeständen für bestimmte Verstöße gegen die Sanktionsvorschriften der EU, die Definition von Mindeststrafen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend zugleich sein sollen, sowie um die Festlegung von einheitlichen Verjährungsfristen. Dies ist aus Sicht der EU notwendig, um die wirksame Anwendung restriktiver Maßnahmen der Union sicherzustellen (siehe hierzu meinen Beitrag in ComplianceBusiness 04/2024. Ein von der vorhergehenden Bundesregierung vorgelegter Gesetzentwurf von Oktober 2024 fiel dem Grundsatz der Diskontinuität zum Opfer. Der nun im Gesetzgebungsverfahren befindliche Entwurf entspricht der Vorgängerversion beziehungsweise dem am 14.08.2025 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vorgelegten Referentenentwurf jedoch in weiten Teilen.

Was müssen Unternehmen jetzt wissen?

Auch wenn viele der in der Richtlinie genannten Sanktionsverstöße in Deutschland bereits nach aktuell geltender Rechtslage als Straftaten verfolgt werden können und sich der Umsetzungsbedarf hierzulande daher in Grenzen hält, gibt es doch eine Reihe von Änderungen, die zu beachten sind:

Es erfolgt eine Anpassung und Ergänzung der Straftatbestände in § 18 Abs. 1 AWG, insbesondere werden künftig Verstöße gegen sogenannte sektorale Transaktionsverbote kriminalisiert. Hierbei handelt es sich nicht um die klassischen, sektoralen Sanktionsverbote wie etwa Ein- und Ausfuhrverbote, sondern um beispielsweise das Transaktions- beziehungsweise Kooperationsverbot nach Art. 5aa Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014, welches das Eingehen oder Durchführen von Geschäften mit bestimmten staatseigenen russischen Unternehmen verbietet. Ein Verstoß hiergegen ist derzeit nach § 82 Abs. 9 Nr. 9 AWV nur als Ordnungswidrigkeit zu ahnden und wird nunmehr zur Straftat hochgestuft.

Neu ist auch die vorgesehene erhöhte Strafbewehrung als besonders schwerer Fall für zwei Konstellationen der Sanktionsumgehung: Zum einen das Szenario unvollständiger oder unrichtiger Angaben zu einem Warenvorgang gegenüber einer öffentlichen Stelle und zum anderen das Nutzen einer Drittstaatsgesellschaft durch den Täter, sofern Letzterer auf diese Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausübt, um einen Sanktionsverstoß zu verschleiern.

Sofern sich ein Verstoß gegen ein Handelsverbot auf sogenannte Dual-Use-Güter, also Güter mit doppeltem Verwendungszweck, bezieht und dieser Verstoß leichtfertig erfolgt, ist auch dieser in Zukunft strafbewehrt.

Meldepflichten stärker im Fokus

Auch sollen Verstöße gegen die sogenannte Jedermannpflicht unter Strafe gestellt werden. Hierzu zählt etwa die in Artikel 6b Verordnung (EU) Nr. 833/2014 enthaltene allgemeine Meldepflicht, wonach alle sachdienlichen Informationen über Sanktionsverstöße, die die Umsetzung der Sanktionsverordnung erleichtern, binnen zwei Wochen an die zuständige Behörde zu melden sind.

Geht es um Informationen über eingefrorene Gelder oder eingefrorene wirtschaftliche Ressourcen, die in Ausübung einer Berufspflicht erlangt worden sind, soll nach dem Regierungsentwurf eine nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfolgte Meldung künftig ebenfalls strafbewehrt sein. Dies soll aber nicht für die zur Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten Berechtigten gelten, wenn sie im Rahmen ihrer Verschwiegenheitspflicht bestimmte Informationen nicht melden, die ihnen in ihrer beruflichen Funktion anvertraut oder bekanntgegeben worden sind. Dieser neu geschaffene persönliche Strafausschließungsgrund für Rechtsanwälte, Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte ersetzt den bislang in § 18 Abs. 13 AWG enthaltenen Strafausschließungsgrund, wonach die Nachholung einer unterlassenen Meldung zur Strafbefreiung führt und der aktuell nicht auf die genannten Berufsgruppen, die einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, beschränkt ist.

Ob es tatsächlich zu der im Regierungsentwurf vorgesehenen Änderung kommt, ist offen. So halten der federführende Wirtschaftsausschuss und der Rechtsausschuss des Bundesrats die avisierte Fassung des persönlichen Strafausschließungsgrunds für nicht weitgehend genug. Sie haben daher in ihrer an den Bundesrat gerichteten Beschlussempfehlung angeregt, die Einführung einer strafbefreienden Selbstanzeige zu prüfen, die gerade nicht auf die einer gesetzlichen Schweigepflicht unterfallenden Berufsgruppen limitiert ist. Zur Begründung wird etwa angeführt, dass Finanzdienstleister eine große Zahl an personellen Ressourcen benötigen, um sicherzustellen, dass die Sanktionen effektiv umgesetzt werden. Das erfordere hochqualifiziertes Personal, was sich aber nur dann für diese komplexe und zeitkritische Tätigkeit finden lasse, wenn die Beschäftigten nicht damit rechnen müssten, sich bei ihrer Tätigkeit strafbar zu machen.

Wegfall eines weiteren Strafausschließungsgrunds

Ebenfalls gestrichen wird der bislang in § 18 Abs. 11 AWG enthaltene Strafausschließungsgrund für Fälle, in denen ein Sanktionsverstoß innerhalb von 48 Stunden nach Veröffentlichung der Sanktionsverordnung im EU-Amtsblatt begangen wird und der Täter bei Begehung keine Kenntnis von dem verletzten Verbot oder Genehmigungserfordernis hatte. Hier kommt in Zukunft nur noch dann Straffreiheit in Betracht, wenn der Sanktionsverstoß in Ausübung einer humanitären Hilfeleistung für eine bedürftige Person begangen worden ist. Gegen die Streichung der Umsetzungsfrist regt sich indes Widerstand seitens des Bundesrats: Der Wirtschafts- und der Rechtsausschuss haben auf mögliche praktische Probleme durch den Entfall der Umsetzungsfrist für neue Finanzsanktionen von hingewiesen. Bezug genommen wird vor allem auf den Zahlungsverkehr als Massengeschäft mit hohem Teilautomatisierungsgrad, da die technische Umsetzung neuer Sanktionen in den Zahlungsverkehrssystemen regelmäßig einen gewissen Zeitaufwand erfordere.

Konkret soll die Bundesregierung gebeten werden, den Wegfall des Strafausschließungsgrunds zu überdenken, sollte sich in der geschäftlichen Praxis bestätigen, dass hierdurch eine effiziente Umsetzung von Finanzsanktionen erheblich erschwert wird.

Härtere Strafen zu erwarten

Für juristische Personen und Personenvereinigungen werden Sanktionsverstöße künftig teurer: In Umsetzung der Richtlinie, die Mindeststandards für das Höchstmaß von Geldbußen gegen Unternehmen vorsieht, soll künftig das Höchstmaß der Geldbuße 40 Millionen Euro betragen. Dabei handelt es sich um eine Vervierfachung des aktuell geltenden Bußgeldrahmens von bis zu 10 Millionen Euro. Das neue Höchstmaß soll nicht nur gelten, wenn es sich bei der der Unternehmensbuße zugrundeliegenden Anknüpfungstat um eine vorsätzliche Straftat nach § 18 Abs. 1 AWG handelt, sondern auch wenn der Buße eine vorsätzliche Aufsichtspflichtverletzung, mithin eine Ordnungswidrigkeit nach § 130 Abs. 1 OWiG, zugrunde liegt. Unternehmen, die nicht ausreichend in ihre Sanktionscompliance investieren, werden daher bei Verstößen künftig tiefer in die Tasche greifen müssen. Präventive Maßnahmen werden daher umso wichtiger, dies auch vor dem Hintergrund, dass künftig auch mit einer weiteren Zunahme an Ermittlungsverfahren seitens staatlicher Behörden zu rechnen ist.

Ausblick

Die Bundesregierung drückt bei der Umsetzung aufs Gaspedal. So hat sie von der in Art. 76 Abs. 2 Satz 3 GG vorgesehenen Möglichkeit, eine Vorlage, die sie bei der Zuleitung an den Bundesrat ausnahmsweise als besonders eilbedürftig bezeichnet hat, nach drei Wochen dem Bundestag zuzuleiten, Gebrauch gemacht. Im Bundestag wurde der Entwurf nun im vereinfachten Verfahren ohne Debatte an die Ausschüsse für Wirtschaft und Energie, Recht und Verbraucherschutz sowie Menschenrechte und humanitäre Hilfe überwiesen. Mit Blick auf das im Juli 2025 von der Europäischen Kommission gegen Deutschland und andere Mitgliedstaaten eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren wegen der nicht fristgerechten Umsetzung der Richtlinie ist davon auszugehen, dass das Gesetz relativ zeitnah in Kraft treten dürfte – ob die in den Beschlussempfehlungen der Bundesratsausschüsse enthaltenen Änderungen berücksichtigt werden, bleibt indes abzuwarten.

Autor

Dr. Kerstin Wilhelm Linklaters LLP, München Rechtsanwältin, Solicitor (England and Wales), Partnerin, Co-Head Crisis Management & Compliance kerstin.wilhelm@linklaters.com www.linklaters.com

Dr. Kerstin Wilhelm

Linklaters LLP, München
Rechtsanwältin, Solicitor (England and Wales), Partnerin, Co-Head Crisis Management & Compliance


kerstin.wilhelm@linklaters.com
www.linklaters.com