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Greenwashing vermeiden

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Im Juli 2025 hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) ein Hinweispapier zu klaren, fairen und nicht irreführenden Nachhaltigkeitsangaben („Thematic notes on clear, fair and not misleading sustainability-related claims“) veröffentlicht, um die Verständlichkeit und Transparenz in der Nachhaltigkeitskommunikation zu stärken. Die aktuellen Regelungsvorhaben auf EU-Ebene zum Thema Greenwashing, insbesondere die Empowering-Consumers-Richtlinie [Richtlinie (EU) 2024/825], deren Umsetzung ins deutsche Recht durch das 3. UWG-Änderungsgesetz geplant ist, verdeutlichen die fortwährende hohe Relevanz dieses Themas für Marktteilnehmer und Verbraucher.

Das Hinweispapier der ESMA

Mit dem Hinweispapier gibt die ESMA erste praktische Empfehlungen zur Verwendung von ESG-Referenzen in der Nachhaltigkeitskommunikation. Diese sollen Marktteilnehmern dabei helfen, nachhaltigkeitsbezogene Angaben zu Produkten klar, fair und nicht irreführend zu gestalten. Die Empfehlungen stützen sich auf die vier zentralen Grundsätze Genauigkeit, Zugänglichkeit, Belegbarkeit und Aktualität und dienen primär zu Informationszwecken. Das erklärte Ziel des Hinweispapiers ist es, Greenwashingrisiken zu minimieren und nachhaltige Investitionen zu stärken.

Warum sind Nachhaltigkeitsangaben so wichtig?

Nachhaltigkeitsinformationen beeinflussen die Entscheidungen von Anlegern zunehmend, da sie ein entscheidendes Kriterium für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens sind und somit essentiell für die Einschätzung der Chancen und Risiken von Investitionen. Während die Nachfrage nach nachhaltigen Investitionen auf Seiten der Privatanleger steigt, gewinnen Nachhaltigkeitsangaben auch auf Unternehmens- und Investorenseite an Bedeutung, da diese zunehmend regulatorischen Pflichten in der Nachhaltigkeitskommunikation unterliegen.

Nachhaltigkeitsbezogene Angaben beziehen sich laut dem Hinweispapier auf alle wesentlichen Aspekte des Nachhaltigkeitsprofils eines Unternehmens oder Produkts. Sie werden entlang der gesamten Sustainable Investment Value Chain (SIVC) gemacht, insbesondere von Emittenten, Fondsmanagern, Benchmark-Administratoren und Anbietern von Wertpapierdienstleistungen.

Aufgrund der Komplexität dieser Informationen besteht jedoch die Gefahr, dass Aussagen – unabhängig von der Absicht der Marktteilnehmer – falsch interpretiert oder missverstanden werden.

Vier Grundsätze für glaubwürdige Nachhaltigkeitsangaben

Die ESMA formuliert vier zentrale Grundsätze auf Grundlage der Fortschrittsberichte der ESA zum Greenwashing, die als Leitfaden für alle nicht-regulatorischen Informationen dienen – etwa Marketingmaterialien oder freiwillige Berichte:

  • Genauigkeit (Accurate): Nachhaltigkeitsangaben sollten zum einen das Nachhaltigkeitsprofil des Unternehmens und/oder seiner Finanzprodukte fair und präzise widerspiegeln. Übertreibungen, Auslassungen und vage Formulierungen sind zu vermeiden. Die Verwendung von ESG-Terminologie und visuellen Elementen muss konsistent und sachlich erfolgen.
  • Zugänglichkeit (Accessible): Nachhaltigkeitsangaben sollten für Anleger leicht zugänglich, übersichtlich und verständlich sein. Insbesondere bei Informationen, die sich an Kleinanleger richten, empfiehlt sich bei komplexen Inhalten eine mehrschichtige Darstellung (Layering), beispielsweise durch eine schrittweise Präsentation.
  • Belegbarkeit (Substantiated): Nachhaltigkeitsangaben sollten durch klare und glaubwürdige Begründungen, Fakten und Prozesse gestützt werden. Diese sollten auf fairen, verhältnismäßigen und aussagekräftigen Methoden (einschließlich Vergleichen, Schwellenwerten oder zugrunde liegenden Annahmen) beruhen.
  • Aktualität (Up to date): Nachhaltigkeitsangaben sollten auf aktuellen Informationen basieren. Wesentliche Änderungen müssen zeitnah offengelegt und das Datum der Analyse muss klar angegeben werden.

ESG-Referenzen: Typische Fallstricke und Empfehlungen

Ein besonderer Fokus des Hinweispapiers liegt auf der Verwendung von ESG-Referenzen (zum Beispiel Qualifikationen, Labels, Ratings oder Zertifikaten), die in der Kommunikation mit Privatanlegern häufig verwendet werden und in mehrfacher Hinsicht irreführend sein können. Für die Verwendung solcher ESG-Referenzen stellt die ESMA Dos & Don’ts auf, die auf beobachteten Marktpraktiken beruhen.

Gute vs. schlechte Praxis: Dos & Don’ts

Aussagen zu allen Formen von ESG-Referenzen

Do’s:

  • Erläuterung, wie die Kriterien für die ESG-Referenz erfüllt, gemessen und überwacht werden und welchen Einfluss sie auf das ESG-Profil haben.
  • Bei Verknüpfungen mit Drittbewertungen: Angaben zur Bedeutung der Zertifizierung, zur Grundlage und Skala sowie zu Aussteller und zum Ausstellungsdatum.
  • Angaben zum Unternehmen, das die ESG-Referenz ausstellt, und Klärung, ob das Unternehmen eine regelmäßige Überprüfung der Zielumsetzung vornimmt.
  • Verlinkung weiterführender Informationen zur ESG-Referenz und/oder Nutzung einer mehrschichtigen Darstellung, um die Transparenz für Leser zu erhöhen.

Don’ts:

  • Verweise auf ESG-Referenzen für Produkte ohne Nachhaltigkeitsbezug.
  • Übertreibung der Bedeutung einer ESG-Referenz (zum Beispiel Zugehörigkeit zu einer Brancheninitiative oder Verleihung eines ESG-Preises).
  • Nutzung veralteter oder nicht repräsentativer ESG-Referenzen.
  • Nicht konsistente, wechselnde oder fallweise Verwendung mehrerer Quellen für eine bestimmte ESG-Referenz.

Angaben zu Brancheninitiativen

Bei der Kommunikation zu ESG-Initiativen und -Ratings sollte geklärt werden, was die Zugehörigkeit bedeutet und welche Verpflichtungen damit verbunden sind. Wenn Ratings auf selbst gemeldeten Informationen basieren, sollten alle relevanten Informationen offengelegt werden. Idealerweise wird ein Link zu den Selbstauskünften bereitgestellt.

Es sollten hingegen keine Initiativen genannt werden, die nicht mehr fortgeführt werden, oder es sollten nicht lediglich selektiv Informationen über eine Initiative kommuniziert werden (zum Beispiel sollte nicht auf ältere positive Ratings einer Initiative Bezug genommen werden, wenn es bereits neuere, weniger positive Ratings gibt). Zudem sollten keine Aussagen über Verpflichtungen auf Unternehmensebene in Informationen auf Produktebene getroffen werden, ohne zu erklären, inwiefern die Verpflichtung für die Produktebene relevant ist.

Angaben zu Labels und Auszeichnungen

Die Bedeutung eines ESG-Labels hängt stark von den zugrundeliegenden Kriterien ab. Zu prüfen ist daher, ob die Kriterien der Labels lediglich die Einführung bestimmter Prozesse vorsehen oder ob sie auch konkrete, messbare Nachhaltigkeitsergebnisse verlangen. Darüber hinaus sollte die Kommunikation zu bestehenden ESG-Labels und Auszeichnungen transparent erfolgen. Dies beinhaltet konkret die Offenlegung von Informationen zum Vergabeprozess, zu den Zulassungskriterien, zum Datum verschiedener Versionen oder Aktualisierungen, zu bestehenden Unterkategorien sowie zum Gültigkeitszeitraum einer ESG-Auszeichnung. Bei der Verwendung von Auszeichnungen ist außerdem stets zu prüfen, inwiefern mögliche Interessenkonflikte bestehen.

Zu vermeiden ist die Verwendung regulatorischer Angaben (zum Beispiel SFDR-Angaben) auf Produktebene als Label sowie die Nutzung von Logos oder Flaggen national zuständiger Behörden, wenn sie wie ein vergebenes Label wirken. Darüber hinaus sind Angaben zu regulatorischen Offenlegungspflichten zu unterlassen, wenn ein Produkt diesen Pflichten nicht unterliegt.

Angaben zu Vergleichen mit Wettbewerbern

Bei Angaben zu Vergleichen mit Wettbewerbern sollten stets die Vergleichsgruppe (Name), die Bewertungsgrundlage und die Gründe für die Auswahl genannt werden. Zudem sollte sichergestellt werden, dass die Auswahl fair und aussagekräftig ist. Für Fonds und Benchmarks gilt: Es muss die Abdeckungsquote der Referenzgröße, das Datum der Portfoliobestände und das Bewertungsdatum genannt werden. Bei Produkten sind nur Verweise zulässig, wenn ESG-Merkmale gefördert oder Nachhaltigkeitsziele verfolgt werden.

Als „Don’ts“ gelten Vergleiche ohne Offenlegung der Informationsquellen und der zugrundeliegenden Annahmen. Ebenfalls zu vermeiden sind die Nennung von Referenzen, die auf irrelevanten oder zu kleinen Vergleichsgruppen basieren, sowie die Erstellung interner ESG-Klassifizierungen, sofern diese nicht mit dem Nachhaltigkeitsprofil der betreffenden Produkte übereinstimmen.

Fazit

Auch wenn die Hinweise Marktteilnehmern explizit nur zu Informationszwecken dienen sollen, liefern sie dennoch eine praxisnahe Orientierungshilfe. Die statuierten Grundsätze zur Genauigkeit, Zugänglichkeit, Belegbarkeit und Aktualität werden durch die beschriebenen Beispiele der Do’s und Don’ts bei Nutzung von ESG-Referenzen praxisnah veranschaulicht. Sie sind für Marktteilnehmer daher durchaus hilfreich, um typische Fallstricke bei der Werbung mit nachhaltigen Produkten zu vermeiden, und tragen aus Sicht von Anlegern dazu bei, das Vertrauen in nachhaltige Investitionen zu stärken.

Autor

Carla Cristina Stamm lindenpartners, Berlin Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Carla Cristina Stamm

lindenpartners, Berlin
Wissenschaftliche Mitarbeiterin


stamm@lindenpartners.eu
www.lindenpartners.eu


Autor

Natascha Schum, LL.M. lindenpartners, Berlin Rechtsanwältin, Associate

Natascha Schum, LL.M.

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Rechtsanwältin, Associate


schum@lindenpartners.eu
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