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Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil

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Die großen Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nur durch Dialog und Zusammenarbeit bewältigen“, sagte Physik-Professor Michael Huth, Vizepräsident der Goethe-Universität, zum Auftakt des zweiten ESG-Forums. Die Frankfurter Universität ist wie im Vorjahr Mitinitiatorin der F.A.Z.-Konferenz, die am 16.09.2025 unter dem Motto „Wirtschaftlich & nachhaltig handeln“ im Tower der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stattfand.

Wissenschaftler, Ökonomen, Privatpersonen und Volkswirte hätten alle unterschiedliche Perspektiven auf Themen wie Klimaschutz, Ressourcennutzung und soziale Gerechtigkeit, stellte Huth vor den rund 170 angereisten Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft heraus. „Nur in einem solchen Forum besteht die Möglichkeit, dass alle diese Stimmen gehört werden.“

Wie wichtig der Schutz von Lebensräumen und Biodiversität ganz generell für die Wirtschaft sei, machte die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz Sabine Riewenherm deutlich. „Flüsse sind Transportwege, Hitzewellen erzeugen höhere Energiekosten“, sagte die Biologin. Über die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts sei abhängig von der Natur.

Bei einer Paneldiskussion, moderiert von F.A.Z.-Wirtschaftsredakteur Jan Hauser, stand die Frage im Mittelpunkt, wie Unternehmen eine nachhaltige Transformation gelingen kann. Belinda Borck, Global Public Policy Coordinator beim Schokoladenhersteller Tony’s Chocolonely, betonte, Kakao sei ein Produkt, das sich nur durch sehr komplexe Lösungen nachhaltig beschaffen lasse. „Wir beziehen unseren Kakao aus Ghana und der Elfenbeinküste. Dort hat die Kakaoindustrie fast 90% des Regenwalds zerstört, und jedes zweite Kind ist in beiden Ländern in Kinderarbeit.“ Um dem entgegenzuwirken, arbeite das Unternehmen mit dem Discounter Aldi zusammen, um gemeinsam Beschaffungsprinzipien umzusetzen. Die „Tony’s Open Chain“ setze auf Rückverfolgbarkeit, existenzsichernde Einkaufspreise und langfristige Partnerschaften. Julia Adou, Director Sustainability bei Aldi Süd, erklärte: „Es geht nicht nur um Environmental oder nur um Social oder nur um Governance, sondern immer um alle drei ESG-Faktoren zusammen.“

Bürokratie als Hindernis

Kritisch diskutiert wurde die überbordende Bürokratie. „Die CSRD und ESRS sind überreguliert“, befand Melanie Sack, Vorstandssprecherin des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW). „Wir brauchen nicht noch einen Datenpunkt mehr, sondern müssen die Kosten-Nutzen-Relation im Blick behalten.“ Zudem gebe es auf europäischer Ebene Prüfverfahren und Rechtsakte, die teilweise im Widerspruch zueinander stünden. Nadine-Hélène Santiago, Chief Sustainability Officer des Schweizer Kosmetikherstellers Weleda, berichtete auch von positiven Erfahrungen mit CSRD. Der Bericht gebe Aufschluss über Chancen und Risiken und stelle Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen her. „Nur müssen die angefragten Datenpunkte sinnhaft sein“, fügte sie hinzu.

Zwischen den Programmpunkten bot sich den Gästen die Gelegenheit zum Austausch über ESG-Maßnahmen in ihren eigenen Organisationen. Teilnehmerin Lara Meyer vom Elektrounternehmen Phoenix Contact in Blomberg berichtete, ihr Arbeitgeber wolle durch Abfallverwertung, Energiemanagement und Gebäudemodernisierungen umliegende Lebensräume besser schützen. Magdalena Moyat vom Fußballclub Eintracht Frankfurt schilderte, ihr Arbeitgeber verfolge eine datengetriebene ESG-Strategie, mit der Nachhaltigkeit in 25 Handlungsfeldern gemessen werde. Gesprächsmöglichkeiten ergaben sich auch bei den Ausstellungen der Softwareunternehmen Arvato Systems und Planted sowie der Deutschen Welthungerhilfe.

Das Beratungsunternehmen ESG-Beirat und der Verein Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland luden in einer Deep-Dive-Session dazu ein, über die Frage zu diskutieren, was ein Sozialunternehmen ausmacht. „Der Begriff Sozialunternehmen umfasst ein Spektrum“, erklärte Birgitt Heilig vom Verein Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland. Er reiche vom Social Start-up über klassische gGmbHs bis zu Organisationen mit Wurzeln in der Wohlfahrt. Entscheidend sei bei all diesen Unternehmensformen, dass die gesellschaftliche Wirkung über dem Profit stehe. „Das ist die Existenzberechtigung für ein modernes Sozialunternehmen.“ Dennoch stehe Profitorientierung hierzu nicht im Widerspruch: „Ein bisschen Pragmatismus schadet nicht. Ohne Gewinne kann ein Sozialunternehmen nicht am Markt bestehen.“ Deshalb seien die Geschäftsmodelle von Sozialunternehmen und profitorientierten Unternehmen durchaus „kompatibel, aber nicht deckungsgleich“.

Rainer Dunkel, Geschäftsführer des Unternehmens ESG-Beirat, ergänzte: „Ein Sozialunternehmen ist nur dann erfolgreich, wenn es am Markt Bestand hat.“ Erst wenn Produkte und Dienstleistungen tatsächlich nachgefragt würden, entstehe gesellschaftliche Relevanz. „Der Profit ist ein Mittel zum Zweck, um der Gesellschaft zu dienen. In der Gewichtung liegt er tiefer als bei ‚People, Planet, Profit, Purpose‘.“ Das Konzept geht auf den britischen Vordenker John Elkington zurück, der 1994 die Idee der Triple Bottom Line prägte – also einer Bilanz, die neben ökonomischen auch soziale und ökologische Erfolge misst. Später entwickelte sich daraus die Quadruple Bottom Line, die den „Purpose“, also den übergeordneten Sinn des wirtschaftlichen Handelns, als vierte Dimension hinzufügte. Dieses erweiterte Modell gilt heute als Leitbild nachhaltiger Unternehmensführung.

Rote Linien und Pragmatismus

Auch das Publikum diskutierte über rote Linien. Ein Einwurf lautete, unter hohem ökonomischem Druck seien „schmutzige Aufträge“ manchmal unvermeidlich – sofern das übergeordnete Ziel bleibe, Transformation zu ermöglichen. Heilig ergänzte: „Wo zieht man die Linie? Diese Diskussion ist nie abgeschlossen.“ Heute werde etwa die Zusammenarbeit mit Rüstungspartnern anders bewertet als noch vor vier Jahren.

Bei einem Bühnengespräch zwischen Stefan Klebert, Chef des Maschinenbauers GEA, und F.A.Z.-Wirtschaftsredakteur Philipp Krohn wurde deutlich, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht im Widerspruch stehen müssen. „Wir innovieren nicht mehr im Sinne von ‚größer, schneller, weiter‘, sondern so, dass wir mit weniger Energie und weniger Ressourcen auskommen“, sagte Klebert. Auch wenn Kunden nichts von Klimaschutz hielten, hätten die Einsparungen einen finanziellen Effekt. „Bei manchen Anlagen können wir Energiekosten um bis zu 50% reduzieren.“ Der Konzern, der am 22.09.2025 in den Dax aufgerückt ist, hat sich dazu verpflichtet, seine Anleger kontinuierlich über Fortschritte seiner ESG-Maßnahmen zu informieren. Mit Investitionen von rund 200 Millionen Euro in Fabrikumbauten wolle man zeigen, dass GEA seine nachhaltige Transformation ernst nehme. Von diesem eingeschlagenen Pfad gebe es „kein Zurück“.

Auf dem Abschlusspanel sagte Nina Sproedt, Head of Sustainability bei Lufthansa, synthetische Kraftstoffe für Flugzeuge seien derzeit noch zehnmal teurer als herkömmliches Kerosin. „Der Weg zu nachhaltigem Fliegen ist steinig und ein Marathon.“ Alix Chambris, Vice President Sustainability bei Viessmann, blieb optimistisch: „Nachhaltigkeit ist immer noch rentabel.“ Trotz wirtschaftlicher und politischer Krisen sei sie weiterhin ein relevanter Faktor. „Es lohnt sich, auch wenn der Gegenwind größer geworden ist.“ 

Autor

Tobias Müller F.A.Z. Business Media GmbH, Frankfurt am Main Redakteur DIE STIFTUNG

Tobias Müller

F.A.Z. Business Media GmbH, Frankfurt am Main
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tobias.mueller@faz-bm.de
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