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Sustainable Corporate Governance als Basis für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen

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Nachhaltigkeitsrisiken bleiben

Weder die aktuelle Omnibusdiskussion noch der propagierte Paradigmenwechsel im Hinblick auf ESG ändern etwas daran, dass eine gute Corporate-Governance-Struktur, die die wesentlichen Umwelt- und Sozialfaktoren des Unternehmens berücksichtigt, das Fundament für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen darstellt. Dies liegt auf der Hand, wenn man sich vor Augen führt, dass der Klimawandel voranschreitet und Ressourcen knapper werden und somit die Risiken für Unternehmen und die negativen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit bestehen bleiben – ganz unabhängig davon, wie sich die Regulatorik entwickelt. So hat beispielsweise die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in ihrem Bericht zu den Risiken im Fokus 2025 festgehalten, dass Risiken aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung für Unternehmen wichtig sind und in Aussicht gestellt, physischen Risiken in der Aufsicht mehr Gewicht zu geben. Das Weltwirtschaftsforum geht in seinem Global Risk Report 2025 gar so weit, Umweltrisiken – angeführt von extremen Wetterereignissen, dem Verlust der biologischen Vielfalt und dem Zusammenbruch von Ökosystemen – als dominierend für den Zehnjahreshorizont anzusehen.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Unternehmen, die derartige Gefährdungen nicht ernst nehmen, riskieren, dass sich Nachhaltigkeitsrisiken mit möglicherweise weitreichenden negativen Folgen realisieren. Gesellschaften, die es verpassen, sich rechtzeitig an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, nehmen in Kauf, mit ihrem Geschäftsmodell nicht mehr erfolgreich auf dem Markt bestehen zu können. Es ist daher im ureigensten Interesse eines jeden Unternehmens, sich Strukturen zu geben, die den Eintritt bestehender Nachhaltigkeitsrisiken verhindern und gleichzeitig neue Chancen für die positive Geschäftsentwicklung auch in schwierigen Zeiten schaffen. Dies setzt die Analyse der relevanten Nachhaltigkeitsfaktoren und die Umsetzung der Ergebnisse dieser Analyse in einer guten Sustainable Corporate Governance voraus.

Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK), der die insoweit geltende Best Practice definiert, gibt hierzu vor, dass „der Vorstand (…) die mit den Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Risiken und Chancen für das Unternehmen sowie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit systematisch identifizieren und bewerten“ soll (Empfehlung A.1 Satz 1 DCGK).

Die Frage danach, wie die Identifikation von Risiken, Chancen und Auswirkungen konkret aussehen kann, führt auf die im Rahmen des EU-Green-Deals entwickelte Regulatorik zurück. Der EU-Green-Deal hat zum Ziel, die Volkswirtschaften in der Union umfassend zu transformieren und resilienter gegenüber multiplen Risiken zu machen. Dazu wurde die doppelte Wesentlichkeitsanalyse entwickelt und in die ESRS (European Sustainability Reporting Standards) aufgenommen.

Die Wesentlichkeitsanalyse ist ein effektives Tool, um die wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs) zu identifizieren, weshalb es auch nicht berichtspflichtigen Unternehmen zu empfehlen ist, diese Methode zu nutzen – sei es auch in einer abgespeckten Version.

Umsetzung in Strukturen und Unternehmensrichtlinien

Die so herausgearbeiteten Risiken und negativen Auswirkungen bedürfen selbstverständlich einer effektiven Steuerung. Dazu gehört in einem ersten Schritt die Zuweisung konkreter Verantwortlichkeiten. Unternehmen müssen sich die Frage stellen, ob sie einzelnen Personen (Chief Sustainability Officer oder Chief Compliance Officer), Abteilungen (Compliance- oder ESG-Abteilung) oder bestimmten Gremien (Sustainability-Board) die administrative Verantwortung und Organisation dieser Aufgaben übertragen wollen.

Anschließend müssen die Berichtswege und -zeiträume für die Information von Geschäftsleitungs- und Aufsichtsorganen über Nachhaltigkeitsaspekte festgelegt und in entsprechenden Geschäftsordnungen oder anderen Governancedokumenten festgehalten werden.

Die verantwortlichen Personen oder Gremien haben dann entsprechende Maßnahmen zur Steuerung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen, wie beispielsweise schriftliche Unternehmensrichtlinien, zu entwickeln.

Erfahrungsgemäß sollten Unternehmen über ein Mindestset an Unternehmensrichtlinien verfügen, das – neben einem Code of Conduct – zumindest noch eine Compliance-, eine Risikomanagement-, eine Umwelt-, eine Antikorruptions- und eine Whistleblowerrichtlinie sowie einen Supplier Code of Conduct enthält. Inhalt, konkrete Ausgestaltung und gegebenenfalls bestehender Ergänzungsbedarf der Richtlinien hängen jeweils von der individuellen Situation des Unternehmens, den Ergebnissen der Wesentlichkeitsanalyse, den Erwartungen der Vertragspartner (Stichwort: Fragebögen) und relevanten Anforderungen von Ratingagenturen ab.

Damit die Richtlinien auch tatsächlich befolgt werden (können), müssen sie klar formuliert sein und die im Unternehmen gelebte Praxis widerspiegeln. Zentral ist, dass die Richtlinien bekanntgegeben und für alle zugänglich sind sowie entsprechende Schulungen für die Mitarbeitenden durchgeführt werden.

Schließlich sind die wesentlichen Risiken und negativen Auswirkungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten in das Risiko- und Compliance-Management-System zu integrieren (was in der Regel auch die Implementierung bzw. Anpassung von Risikomanagement- und Compliancerichtlinien erfordert).

Unternehmen, die sich die Mühe machen, ein solches organisatorisches Gerüst zu schaffen, profitieren auf der einen Seite von der erheblichen Risiko- und Haftungsbegrenzung für das Unternehmen und seine Organe und vermögen auf der anderen Seite die Opportunitäten einer guten Sustainable Corporate Governance zu heben.

ESG als strategischer Wettbewerbsvorteil

Eine gute Corporate Governance – entsprechende Transparenz vorausgesetzt – schafft Vertrauen bei sämtlichen Stakeholdern, wie Banken, Finanzierern, Kunden und Mitarbeitenden.

Aber auch ESG-Ratingagenturen legen Wert auf die Qualität der Corporate Governance eines Unternehmens. Bei Ecovadis beispielsweise macht die Bewertung der Governance-Aspekte etwa 25% des Gesamtratings aus. Gerade Gesellschaften, die in Sachen Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle einnehmen möchten, sollten daher ganz besonders auf ihre Corporate Governance achten, um zu verhindern, dass ein wohlverdientes gutes Rating durch Mängel in der Corporate Governance unerreichbar wird.

Wettbewerbsvorteile ergeben sich aber auch daraus, dass Unternehmen, die Nachhaltigkeit strategisch und in den Unternehmensstrukturen verankern, die Implikationen von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren auf ihr Geschäftsmodell wirklich kennen und auf diese frühzeitig reagieren können.

Ferner bewahren sich solche Unternehmen auch in Zukunft ihre Finanzierungsfähigkeit, da Investoren, aber auch Banken, die Einhaltung bestimmter ESG-Standards – unabhängig von einer Nachhaltigkeitsberichtspflicht – voraussetzen. Eine gute Corporate Governance ist auch bei dieser Zielgruppe von erheblicher Relevanz, steht sie doch für Verlässlichkeit und Stabilität – für risikoaverse Stakeholder ein besonders wichtiger Aspekt. Aber auch Talente bevorzugen Arbeitgeber mit nachhaltiger Ausrichtung, und ein großer Teil der Verbraucher in Deutschland legt Wert auf verantwortungsvolles Handeln von Herstellern.

Eine gute Sustainable Corporate Governance leistet daher zweierlei: Auf der einen Seite trägt sie wesentlich zur Risikosteuerung bei, auf der anderen Seite hilft sie Unternehmen, wichtige Opportunitäten wahrzunehmen. Auch vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu verstehen, dass ESG nicht nur eine Verpflichtung ist. Eine gute Sustainable Corporate Governance steht vielmehr für unternehmerische Weitsicht, Risikominimierung und strategische Positionierung im Wettbewerb.

Fazit

In Zeiten der Negation von ESG-Risiken sei Unternehmen ganz besonders empfohlen, eine fundierte Analyse ihrer Gefährdungen in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekte vorzunehmen, daraus eine Nachhaltigkeitsstrategie abzuleiten und diese sowie die Ergebnisse der Risikoanalyse in die Gestaltung der (Sustainable) Corporate Governance einfließen zu lassen.

Auch angesichts der erheblichen Risiken fehlender Governance-Strukturen ist es für die Unternehmensleitung unerlässlich, für eine gute Corporate Governance einschließlich eines effektiven Richtlinienmanagements zu sorgen. Dies eröffnet zugleich verschiedenste Opportunitäten:

Risiken

  • Verlust der Finanzierungsfähigkeit
  • Belastung von Geschäftsbeziehungen
  • Anschein mangelhaften Risikomanagements
  • Anschein fehlender Ernsthaftigkeit im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken und negativen Auswirkungen auf das Unternehmen
  • Reputationsschäden durch öffentliche Kritik
  • Nachteile bei ESG-Ratings

Opportunitäten

  • Sicherung der Finanzierungsfähigkeit
  • Attraktivität für Kunden, Mitarbeitende und Geschäftspartner
  • Mittelbare Steigerung des Unternehmenswerts durch Stärkung der Resilienz und des Vertrauens von Stakeholdern
  • Risikominimierung durch Schaffung klarer Strukturen und Zuweisung von Verantwortlichkeiten
  • Vorteile bei ESG-Rankings und Audits

Autor

Jens Magers RITTERSHAUS Rechtsanwälte, München Rechtsanwalt, Partner, Chair der Sustainability & Impact Practice

Jens Magers

RITTERSHAUS Rechtsanwälte, München
Rechtsanwalt, Partner, Chair der Sustainability & Impact Practice


jens.magers@rittershaus.net
www.rittershaus.net


Autor

Dr. Christina Eschenfelder RITTERSHAUS Rechtsanwälte, Mannheim Rechtsanwältin, Partnerin, Co-Chair der Sustainability & Impact Practice

Dr. Christina Eschenfelder

RITTERSHAUS Rechtsanwälte, Mannheim
Rechtsanwältin, Partnerin, Co-Chair der Sustainability & Impact Practice


christina.eschenfelder@rittershaus.net
www.rittershaus.net