SustainableValue ist eine Publikation der Produktfamilie Deutscher AnwaltSpiegel

SustainableValue ist eine Publikation der Produktfamilie Deutscher AnwaltSpiegel

Aktuelle Ausgabe

Erleichterungen bei der Lieferkettencompliance

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Die Lieferkettencompliance ist ein dynamisches und komplexes Feld, das sich kontinuierlich an gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Anforderungen anpasst.

Bisherige Erfahrungen mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sind ernüchternd

Die bisherigen Erfahrungen mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sind allerdings ernüchternd: Die Umsetzung und laufende Einhaltung der Pflichten sind mit erheblichem Personal- und Kostenaufwand verbunden. Die geforderten Prozesse wirken häufig übermäßig bürokratisch und formal. Viele zentrale Begriffe des Gesetzes bleiben unbestimmt, so dass erst die zahlreichen Handreichungen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) für mehr Klarheit gesorgt haben. Auch wenn die Ziele der Lieferkettencompliance grundsätzlich unbestritten sind, zeigt sich in der Praxis eine gewisse Zweckverfehlung: Unternehmen berichten, dass die meisten internen Vorfälle und Beschwerden arbeitsrechtliche Themen im Inland betreffen – etwa Arbeitsschutz oder Löhne. Diese Anliegen sind zweifellos relevant, aber nicht Kern des Gesetzes. Hinzu kommt ein deutlicher Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen, da ein internationales „Level Playing Field“ bislang fehlt.

Bundesregierung plant Abschaffung

Die neue Bundesregierung möchte dem LkSG nun an den Kragen. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, das Gesetz abzuschaffen und durch ein neues „Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung“ zu ersetzen. Dieses soll der Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) dienen – möglichst bürokratiearm und vollzugsfreundlich. Die Umsetzungsfrist läuft bis Mitte 2027. Neben diesem – eher mittelfristig angelegten und letztlich ohnehin anstehenden Gesetzesvorhaben – plant die neue Bundesregierung in Bezug auf das LkSG zwei „Sofortmaßnahmen“: die Abschaffung der Berichtspflicht sowie den Verzicht auf Sanktionen bei Verstößen gegen Sorgfaltspflichten – es sei denn, es geht um „massive“ Menschenrechtsverletzungen. Zudem strebt die Bundesregierung eine Abschwächung der CSDDD auf europäischer Ebene an.

Geringe praktische Auswirkungen auf die Unternehmenspraxis zu erwarten

Was bedeuten diese geplanten Erleichterungen konkret für Unternehmen? Bei genauer Betrachtung fällt der Effekt gering aus. Zunächst bleibt das LkSG weiterhin in Kraft, und die darin verankerten Sorgfaltspflichten müssen weiterhin umgesetzt werden – sowohl im eigenen Geschäftsbereich als auch entlang der Lieferkette.

Die angekündigte Streichung von Sanktionen bei „nicht-massiven“ Menschenrechts- und Umweltverstößen klingt vielversprechend, ist in der Praxis jedoch kaum relevant: Auch wenn derzeit bei Verstößen u.a. Bußgelder in Höhe von bis zu 8 Millionen Euro bzw. 2% des weltweiten Jahresumsatzes sowie der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge drohen, wurden bislang vom BAFA keine Bußgelder verhängt, obwohl zahlreiche Verfahren eingeleitet wurden. Zudem besteht für Unternehmen ohnehin die Pflicht zur Einhaltung geltenden Rechts – unabhängig von drohenden Sanktionen, denn die Legalitätspflicht der Geschäftsleitung bleibt selbstredend bestehen. Geschäftsführungen sind gesetzlich verpflichtet, das geltende Recht, unabhängig von einer konkreten Sanktionsandrohung umzusetzen. Eine punktuelle Aussetzung der Sanktionen entbindet verpflichtete Unternehmen daher nicht von ihrer rechtlichen Verantwortung zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.

Unklar bleibt überdies, was unter „massiven“ Menschenrechtsverletzungen konkret zu verstehen ist – gemeint sind wohl mindestens schwere, systematische Vergehen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter oder Kriegsverbrechen.

Auch hinsichtlich der versprochenen Abschaffung der Berichtspflicht verpufft die Euphorie bei genauerem Hinsehen: Die Abschaffung der Berichtspflicht ist generell eine gute Nachricht – allerdings wurde die Frist zur Einreichung der jährlichen Berichte beim zuständigen BAFA ohnehin bereits mehrfach verschoben, zuletzt auf Ende 2025. Unternehmen, die ihre Berichterstattung bis zu diesem Zeitpunkt einreichen, mussten auch schon bisher keine Sanktionen befürchten. Praktisch haben die allermeisten Unternehmen deshalb erst gar keinen Bericht eingereicht. Interne Dokumentationspflichten, die das LkSG vorsieht, bleiben von der Änderung ebenfalls unberührt. Zumindest fraglich ist derzeit, ob lediglich die Pflicht zur Einreichung von Berichten beim BAFA abgeschafft wird oder parallel auch die Pflicht zur Veröffentlichung von Berichten im Internet entfällt. Eine Abschaffung der LkSG-Berichtspflicht bedeutet auch nicht, dass nicht nach anderen Gesetzen lieferkettenspezifische Informationen zu sammeln und hierüber zu berichten ist. Zu erwähnen ist hier insbesondere die Berichtspflicht nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die ab 2027 viele Unternehmen treffen wird.

Auch keine Erleichterungen für Zulieferer

Gerade auch die Pflicht zur Implementierung von Präventionsmaßnahmen bleibt bestehen. Zulieferer werden daher – wie bisher – vollständig in Complianceprozesse eingebunden und mit Forderungen nach vertraglichen Zusicherungen oder Sanktionen bei Pflichtverstößen konfrontiert sein. Für diese Unternehmen – und dies dürfte letztlich fast jedes Unternehmen in der Bundesrepublik betreffen – ändert sich daher wenig. Zwar hatte das BAFA bereits vor einiger Zeit in seiner Handreichung zur Zusammenarbeit in der Lieferkette klargestellt, dass letztlich nur bei entsprechendem zuliefererseitigem Risiko einer Weiterwälzung der LkSG-Pflichten möglich ist und nicht pauschal jeder Zulieferer zur Mitwirkung verpflichtet ist. In der Praxis wägen die meisten Unternehmen allerdings genau ab, ob sie ihre Vertragsbeziehung beeinträchtigen oder sogar aufs Spiel setzen und stimmen entsprechenden Forderungen – z.B. nach Gegenzeichnung eines Supplier-Code-of-Conducts – in aller Regel zu.

Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung dürfte vergleichbare Standards vorsehen

Wie das geplante „Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung“ konkret aussehen wird, ist noch offen. Doch selbst im Zuge der CSDDD-Umsetzung sind nur begrenzte Erleichterungen zu erwarten, da die Richtlinie teils strengere Standards als das LkSG vorsieht. Sie verlangt von großen Unternehmen menschenrechtliche, umweltbezogene und klimarelevante Sorgfalt entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Diesen Druck werden Unternehmen noch entschlossener an ihre Lieferanten weitergeben.

Spannend bleibt zudem, wie sich die Bundesregierung zu Artikel 1 Abs. 2 der CSDDD positioniert. Dieser untersagt eine Absenkung bestehender nationaler Standards – Deutschland darf das Schutzniveau also nicht einfach senken. Aus deutscher Sicht ergibt sich hierdurch freilich ein Wettbewerbsnachteil gegenüber Staaten ohne nationale Vorgaben der ESG-Compliance.

Fazit: Von Erleichterungen kann keine Rede sein

Die ESG-Sorgfaltspflichten bleiben – und dürften mittelfristig sogar an Bedeutung gewinnen. Von echten Erleichterungen durch die angekündigten Änderungen in Bezug auf das LkSG kann kaum die Rede sein – auch nicht für Zulieferer außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs des LkSG.

Die europäische Gesetzgebung ist inzwischen ohnehin der Pfeiler der Lieferkettencompliance: Mit der CSDDD und der CSRD wurden zwei zentrale Rechtsinstrumente geschaffen, die das nationale Regelwerk nicht nur ergänzen, sondern mittelfristig ersetzen und die ESG-Compliance inhaltlich und strukturell weiterentwickeln. Ergänzt werden diese durch weitere EU-Vorgaben mit Relevanz für die Lieferkettencompliance – darunter die bereits geltende EU-Batterieverordnung und die EU-Konfliktmineralienverordnung sowie künftige Regelungen wie die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR, ab 2026) und der Digital Product Pass (ab 2027).

Autor

Dr. Simon Spangler LL.M. (UCT) Oppenhoff, Frankfurt am Main Rechtsanwalt, Partner

Dr. Simon Spangler LL.M. (UCT)

Oppenhoff, Frankfurt am Main
Rechtsanwalt, Partner


simon.spangler@oppenhoff.eu
www.oppenhoff.eu