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Omnibus-Regulierung will Nachhaltigkeitsberichterstattung vereinfachen

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Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagierte prompt, als die europäischen Staats- und Regierungschefs in ihrer Budapester Erklärung sofortige Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft forderten. Sie kündigte an, in den ersten 100 Tagen ihrer neuen Amtszeit eine Omnibus-Regulierung vorzuschlagen, durch die in vielen Regelungsbereichen zügige Vereinfachungen für Unternehmen erreicht werden sollen. Dabei sind zunächst pauschale Ziele einer Bürokratiereduktion von 25% für alle Unternehmen und speziell von 35% für kleine und mittlere Unternehmen in Aussicht gestellt worden. Dies gilt auch für den Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung, in dem in den vergangenen drei Jahren vor dem Hintergrund der weltweiten Klimakrise in Windeseile neue detaillierte Vorgaben für die Berichterstattung zu ESG-Themen entwickelt worden sind. Der Omnibus-Regulierungsvorschlag, der derzeit unter Federführung von EU-Kommissar Dombrovskis erarbeitet wird, soll nach dem kürzlich veröffentlichten Arbeitsprogramm noch im ersten Quartal 2025 von der Europäischen Kommission verabschiedet werden. Nach dem Ende Januar 2025 von der Kommission veröffentlichten Wettbewerbs-Kompass könnten dabei insbesondere Erleichterungen für eine neue Kategorie so genannter Mid-Cap-Unternehmen geschaffen werden, wobei diese bisher im Kontext der EU noch nicht einheitlich definierte Kategorie „kleinere“ große Kapitalgesellschaften umfassen dürfte.

Globales Umfeld bewirkt veränderte Prioritäten

Die Fokussierung solcher Überlegungen auf Fragen der Wettbewerbsfähigkeit zeichnete sich bereits im Lauf des Jahres 2024 ab. Die schlechte konjunkturelle Entwicklung der europäischen Wirtschaft und damit zusammenhängende geopolitische Herausforderungen fanden ihren Niederschlag auch im politischen Bereich. Auf europäischer Ebene formierte sich nach den Europawahlen im Sommer 2024 die Europäische Kommission neu. Nach Erscheinen des von der Europäischen Kommission beauftragten Draghi-Berichts im Herbst 2024 war klar, dass dem Bürokratieabbau durch die neue Europäische Kommission ein großer Stellenwert eingeräumt wird und dass den Berichtspflichten der CSRD bei den Überlegungen zur Reduktion eine prominente Rolle zukommt. Gleichzeitig hatte die bisherige deutsche Bundesregierung – trotz aller Streitigkeiten – in der gemeinsamen Wachstumsinitiative vom Sommer 2024 ebenfalls bereits die CSRD konkret als Handlungsfeld für die neue Kommission benannt. Der deutsche Druck Richtung Brüssel scheint sich zum Jahresende 2024, nicht zuletzt unter dem Eindruck der anstehenden Bundestagswahl, noch verstärkt zu haben und die schriftlichen Forderungen von einigen Bundesministerien und dem Bundeskanzler wurden in den sozialen Medien bekannt und diskutiert.

Regulatorische Unsicherheit für anstehende erste Berichtswelle

Kalt erwischt worden sind die etwa 550 Unternehmen der ersten Kohorte der CSRD-Berichterstattung durch die fehlende gesetzgeberische Umsetzung der CSRD in Deutschland. Auch wenn bei den seit etwa zwei Jahren laufenden Umsetzungsprojekten klar geworden ist, dass die bürokratischen Lasten der CSRD-Berichte – wie sie sich durch die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) im Detail manifestieren – enorm sind, waren die ESRS-Implementierungsprojekte zu diesem Zeitpunkt so weit fortgeschritten, dass eine Umkehr nicht mehr möglich war und auch nicht als zielführend angesehen wurde. Hier führte das Auseinanderbrechen der Ampelkoalition im November 2024 zu der merkwürdig anmutenden Situation, dass Unternehmen nun ihre Umsetzungsprojekte in den alten, noch geltenden Rechtsrahmen einer nichtfinanziellen Erklärung kleiden mussten. Das DRSC – aber auch andere deutsche Institutionen – reagierten kurzfristig mit Hilfestellungen, um in dieser außergewöhnlichen Situation zu unterstützen. Das DRSC selbst steht derzeit noch kurz vor der Veröffentlichung eines Anwendungshinweises zu besonders klärungsbedürftigen Fragestellungen. Die betroffenen Unternehmen werden nun in den kommenden Wochen ihre Berichte vorlegen, die allerdings im Ausmaß der ESRS-Anwendung und in der Form der Offenlegung – das heißt gegebenenfalls auch außerhalb des Lageberichtes – variieren können.

Dringender Handlungsbedarf bei zweiter Welle

Die geltende CSRD erfordert für etwa 13.500 große deutsche Kapitalgesellschaften die erstmalige Berichterstattung für das Geschäftsjahr 2025. Diese Unternehmen, die derzeit ihre CSRD-Berichterstattung vorbereiten, sind in besonderer Weise Gegenstand der gegenwärtigen Diskussionen um Erleichterungen durch die erwartete Omnibus-Regulierung. Diese Unternehmen brauchen schnell klare Signale dazu, welchen rechtlichen Rahmen sie zu erwarten haben. Mittels veränderter Schwellenwerte beziehungsweise die Einführung einer „Mid-Cap“-Kategorie könnten Anforderungen abgesenkt oder bestimmte Unternehmen ganz aus dem Pflichtanwendungsbereich der CSRD entlassen werden. Damit geht insbesondere die Frage einher, ob diese Unternehmensgruppe gegebenenfalls mehr Zeit für die Umsetzung hat. Hier stehen in den Forderungen für die Omnibus-Regulierung einzelner Mitgliedstaaten zwischen ein und zwei Jahren zeitlicher Verschiebung zur Diskussion. Nur mit ausreichender Vorbereitungszeit ist eine effektive Umsetzung möglich.

Deutsche Umsetzung mit neuer Bundesregierung

In gleicher Weise warten deutsche Unternehmen der ersten und zweiten Welle weiterhin auf eine deutsche Umsetzungsgesetzgebung zur CSRD. Durch die fehlende Verabschiedung der CSRD unter der bisherigen Bundesregierung ist die neue deutsche Bundesregierung gehalten, das Gesetzgebungsverfahren zur CSRD-Umsetzung neu, von Beginn an zu starten. Dies bedingt eine Wiederholung der bereits erfolgten Schritte, das heißt Abfassung eines Referenten- beziehungsweise Regierungsentwurfs und Verhandlung des Regierungsvorschlages in Bundestag und Bundesrat. Es ist nicht zu erwarten, dass von der Grundlinie der bisherigen Herangehensweise, mithin einer 1:1-Umsetzung der CSRD-Vorgaben abgewichen wird. Dennoch sind neue Nuancierungen in Detailfragen denkbar. Dies hängt von der neuen Regierungskoalition ab. Auch ist noch nicht klar, ob und inwieweit die Omnibus-Regulierung zudem die deutsche Umsetzung tangieren wird. Sicher scheint jedoch, dass durch den Neustart des Gesetzgebungsverfahrens mit einer Umsetzung nicht vor Sommer bis Herbst 2025 zu rechnen ist. Es deutet sich also eine weitere Phase regulatorischer Unsicherheit an. 

Autor

Georg Lanfermann Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V., Berlin Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Präsident DRSC

Georg Lanfermann

Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V., Berlin
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Präsident DRSC


lanfermann@drsc.de
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