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Compliance & Internal Investigations

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Die BWD-Task-Force „Compliance & Internal Investigations“ hat sich, wie bereits berichtet (siehe hier), seit ihrer Gründung in diesem Jahr intensiv mit der Entwicklung von Standards für Internal Investigations beschäftigt. Naturgemäß war und ist Ausgangspunkt all dieser Überlegungen die anwaltliche Sicht, wobei aber gerade auch die Einschätzung von Unternehmensjuristen bedeutsam und teilweise richtungsweisend war und bleibt. Zwischenzeitlich konnten durch die intensive Zusammenarbeit von insgesamt 17 BWD-Kanzleien 24 Thesen/Empfehlungen zur Durchführung von Internal Investigations erarbeitet werden. Derzeit sind wir in dieser Task Force damit beschäftigt, die detaillierten Begründungen für die einzelnen Thesen/Empfehlungen zu erarbeiten beziehungsweise zu überarbeiten. Wir gehen demzufolge davon aus, dass spätestens bis Februar/März 2025 die Thesen/Empfehlungen einschließlich der Begründungen veröffentlicht werden können.

Die Arbeit der Task Force

Dies ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn wie wir alle wissen, wird es im Februar Neuwahlen geben. Die ­Karten werden neu gemischt. Leider sind Internal Investigations und insbesondere auch der gescheiterte Entwurf des Verbandssanktionengesetzes (VerSanG) sicherlich nicht die Top-Themen für die neue Regierung(skoalition). Und zwar, obwohl gerade diese Themen, zumindest auf mittlere Sicht, nicht ad acta gelegt werden können, sondern endlich einer fundierten und verbindlichen gesetzlichen Regelung bedürfen. Deshalb hat die Task Force „Compliance & Internal Investigations“ parallel zu der Entwicklung des entsprechenden BWD-Standards damit begonnen, grundsätzliche Empfehlungen/Forderungen an den Gesetzgeber zu erarbeiten und dann auch in einer dem politischen Diskurs auf hohem Niveau entsprechenden Form zu präsentieren. Die anstehenden Neuwahlen, die nach allen vor­liegenden Voraussagen die Bildung einer neuen Regierungskoalition und die damit einhergehenden Koalitionsverhandlungen zur Folge haben werden, stellen grundsätzlich den Rahmen zur Festlegung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs im Bereich der Internal Investigations dar. Diese nicht nur zu thematisieren, sondern auf der Grundlage detaillierter Lösungsmodelle und Vorschläge für eine Neuregelung einzubringen, wird Aufgabe des BWD und seiner Task Force sein. Hierbei werden einerseits die im Entwurf bereits vorliegenden BWD-Standards zu Internal Investigations eine tragfähige Grundlage bilden. Dabei will es die BWD-Task-Force „Compliance & Internal Investigations“ jedoch nicht belassen. Eingebracht werden sollen andererseits insbesondere auch spezifische Empfehlungen für den präsumtiven Gesetzgeber und damit die zukünftigen Koalitionspartner.

Die in der BWD-Task-Force bislang erörterten grundsätz­lichen Themen und Empfehlungen für den Gesetzgeber ­lassen eine sicherlich interessante und Grundsatzfragen aufwerfende rechtspolitische Diskussion erwarten. Um in diesem frühen Stadium nur einige Themen zu nennen:

  • Der gescheiterte Entwurf des Verbandssanktionen­gesetzes beschäftigte sich auch mit der Frage, ob und inwieweit Rechte Beschuldigter und/oder von Zeugen gewahrt werden. Der diesbezügliche gesetzgeberische Ansatz ging jedoch ausschließlich dahin, dass die Einhaltung im Verbandssanktionengesetz formulierter (Mindest-)Anforderungen Voraussetzung für eine positive Berücksichtigung der unternehmensseitigen Auf­klärungsbemühungen im Rahmen etwaiger Ermittlungs-, Behörden- und/oder Strafverfahren sein kann. Gänzlich unbeachtet blieb dabei die Fragestellung, was mit etwaigen, nicht im Wege der Einhaltung der normierten Standards erzielten Ermittlungsergebnissen außerhalb des Verbandssanktionengesetzes geschieht. Die zugunsten der jeweils Betroffenen und Zeugen umfassend zu gewährleistenden Zeugnisverweigerungsrechte, Beweisverwertungsverbote und anderes mehr sollten beziehungsweise können auf diesem Wege von vornherein nicht im zwingend gebotenen Umfang gewahrt werden.
  • Zudem stellt sich nach wie vor die Frage, wie es denn sein kann, dass anwaltlicherseits ermittelte Ergebnisse und sogar abschließende und auf Wunsch des Mandanten gegebenenfalls sogar äußerst kritische Ermittlungsberichte durch die Ermittlungsbehörden beschlagnahmt werden können/dürfen.

    Den Erstellern des Entwurfs zum nicht Gesetz gewordenen VerSanG schien dieses Problem offensichtlich keiner Regelung bedürftig. Die spätere Rechtsprechung hierzu hat – jedenfalls aus Anwaltssicht – mit aller ­Deutlichkeit ergeben, dass dies zumindest eine Fehl­einschätzung war. Es kann hier nicht der Ort sein, dieses heikle und komplexe Thema im Einzelnen zu erörtern. Als Feststellung aus anwaltlicher Sicht bleibt daher nur der folgende warnende Hinweis: Es kann nicht sein, dass Anwälte auf der entsprechenden Grundlage eines Mandatsverhältnisses mit hochsensiblen internen Ermitt­lungen betraut werden, die letztlich Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens und zumindest strafrechtsähn­licher Sanktionen gegen Unternehmen werden können oder sind, ohne im Hinblick auf die Frage der Beschlagnahmefähigkeit dieser Unterlagen eindeutig Stellung zu beziehen oder dies sogar totzuschweigen. Ganz unabhängig von den zahlreichen auf der Hand liegenden unterschiedlichen Interessen, zumindest der Staats­anwaltschaft, der Unternehmens- und der Anwaltsseite, stellen sich hier grundsätzliche Fragen, die das anwalt­liche Selbstverständnis, die objektive Beurteilung der Tätigkeit eines Anwalts im Mandanteninteresse und die rechtsstaatlich gebotenen, wenn nicht sogar daraus zwingend folgenden Konsequenzen betreffen. Mit anderen Worten: Eine Privatisierung strafrechtlicher oder sonstiger behördlicher Ermittlungen kann und darf nicht zu einer Umgehung rechtlicher Mindeststandards führen. Wenn aber doch, so setzt dies eine eingehende juristische Diskussion mit dem hierfür verantwortlichen Gesetzgeber und seinen politischen Repräsentanten ­voraus.
  • Hinzu tritt generell die Frage des gebotenen und letztlich rechtlich zwingend zu normierenden Umgangs mit ­Zeugen sowie den von Vorwürfen Betroffenen im ­Rahmen von Internal Investigations.
  • Aus Anwaltssicht ist zudem festzuhalten, dass ihm/ihr im Zuge von Internal Investigations eine völlig neue Aufgabe zukommen kann, die bis hin zum von der Öffentlichkeit geforderten, seitens des Mandanten gewünschten und von den staatlichen Behörden erwarteten gänzlich unabhängigen Aufklärer gehen kann. All die hiermit verbundenen rechtlichen Problemstellungen sind bislang noch nicht in der Form einer eindeutigen gesetzlichen Richtschnur für die Anwälte geregelt ­worden, sie werden teilweise in der Praxis noch nicht einmal gesehen und diskutiert. Die Anwälte befinden sich diesbezüglich in einem Nirwana, das bis hin zu Vorwürfen der Strafvereitelung und anderem mehr führen kann. Die Lösung dieses Problems in all seinen Facetten wird sicherlich nicht einfach werden, sie wird aber gerade deshalb innerhalb der BWD-Task-Force intensiv diskutiert werden, um auch insoweit Forderungen/Empfehlungen mit Blickrichtung auf den Gesetzgeber zu formulieren, die vor allem auch der anwaltlichen Wirklichkeit gerecht werden. Im Rahmen all dieser Diskussionen wird auch die Haltung des derzeit aktuellen anwaltlichen Berufsrechts zu dieser spezifischen und neuen anwalt­lichen Herausforderung zu behandeln und kritisch zu hinterfragen sein.

Mit dieser kurzen und exemplarischen Beschreibung der spannenden Themen, die derzeit im Bereich „Internal Investigations“ virulent sind und seitens der entsprechenden BWD-Task-Force intensiv diskutiert und nach den bisherigen Erfahrungen am Ende des Diskussionsprozesses auch einvernehmlichen Standpunkten zugeführt werden, soll es an dieser Stelle sein Bewenden haben.

Ausblick

Über all die weiteren Aktivitäten der Task Force „Compliance & Internal Investigations“ werden wir zum gegebenen Zeitpunkt berichten. Nicht vernachlässigt werden soll dabei das ebenso spannende Thema Compliance. Die dortigen Themen reichen von der Diskussion über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, die völlig ausufernden Berichtspflichten von Unternehmen in verschiedensten compliance­relevanten Bereichen bis hin zur Problematik des mit den zumindest teilweise isolierten Wegen in Deutschland/Europa verbundenen Standortnachteils und den daraus zu ziehenden Konsequenzen. Dies gilt beispielsweise im Hinblick auf die erhöhten Anforderungen, entsprechende Regulierungsgesetze gegebenenfalls noch besser und ein­gehender zu diskutieren und vor allem auch die Notwendigkeit der mit ihnen verbundenen Zielsetzungen zu erläutern, idealerweise sogar zu verdeutlichen. Denn nur auf dieser Basis können entsprechende Gesetzesvorhaben im politischen und gesetzgeberischen Diskurs durchgesetzt werden. Nur so erlangen sie auch die erforderliche Umsetzungsakzeptanz.

Wir, die BWD-Task-Force, freuen uns auf einen erfahrungsgemäß sicherlich zielführenden internen und externen Austausch von Überlegungen und Meinungen.

Autor

Dr. Ulrich Wastl
Westpfahl Spilker Wastl, München
Rechtsanwalt, Partner
u.wastl@westpfahl-spilker.de
www.westpfahl-spilker.de
Dr. Ulrich Wastl
Westpfahl Spilker Wastl, München
Rechtsanwalt, Partner
u.wastl@westpfahl-spilker.de
www.westpfahl-spilker.de
 

Autor

Nata Gladstein
Westpfahl Spilker Wastl, München
Rechtsanwältin, Partnerin
n.gladstein@westpfahl-spilker.de
www.westpfahl-spilker.deNata Gladstein
Westpfahl Spilker Wastl, München
Rechtsanwältin, Partnerin
n.gladstein@westpfahl-spilker.de
www.westpfahl-spilker.de
 

Autor

Dr. Philippe Litzka
Westpfahl Spilker Wastl, München
Rechtsanwalt, Partner
ph.litzka@westpfahl-spilker.de
www.westphahl-spilker.deDr. Philippe Litzka
Westpfahl Spilker Wastl, München
Rechtsanwalt, Partner
ph.litzka@westpfahl-spilker.de
www.westpfahl-spilker.de