Am 20.01.2025 wurde der alte und neue US-Präsident Donald Trump vereidigt. Wie zuvor bereits angekündigt, verfügte Donald Trump postwendend den neuerlichen Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen. Ebenso zügig ordnete er noch am Tag eins per Dekret an, dass die Vergabe staatlicher Darlehen für regenerative Energien gestoppt wird. Das soll laut Presseberichten ein Kreditvolumen von mehr als 300 Milliarden (!) US-Dollar betreffen. Gleichzeitig ziehen sich US-Banken und Vermögensverwalter aus Net-Zero-Initiativen zurück. Hinzu kommen die von Donald Trump angekündigten Maßnahmen zur „Rekarbonisierung“ der USA. Und auch über das „E“ hinaus schaut es für ESG-Themen in den USA aktuell eher nicht gut aus. Schon seit längerer Zeit hat sich dort Streit um die Beachtung von ESG-Aspekten durch Unternehmen und institutionelle Anleger entwickelt, entfacht auch durch frühere Verlautbarungen von US-Vermögensverwaltern zur hohen Bedeutung von ESG für ihre Geschäftstätigkeit.
Diese Diskussion um das Thema ESG ist natürlich längst auch nach Deutschland und Europa hinübergeschwappt. Hierzulande vermischt sie sich mit dem jahrzehntealten Thema des Bürokratieabbaus. Ein Überblick:
Holpriges Zustandekommen der CSDDD in 2024
Für die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), das europäische Pendant zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), war in den Trilogverhandlungen Ende 2023 eigentlich bereits ein Kompromiss gefunden worden. Anfang 2024 folgte gleichwohl ein beispielloses Hin und Her. Der nicht gerade positiv besetzte Begriff „German Vote“ machte die Runde. Am Ende wurde die Richtlinie mit Mühe und Not und einigen Erleichterungen doch noch vor der Europawahl verabschiedet.
Diskussion um die Abschaffung des LkSG in 2024
In Deutschland entwickelte sich parallel eine Diskussion um die Abschaffung des zum 01.01.2023 in Kraft getretenen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG). Das war insofern etwas verwunderlich, weil auch nach einer Abschaffung des LkSG schon bald wieder eine vergleichbare neue Regulierung zu schaffen wäre. Denn die CSDDD ist von den EU-Mitgliedsstaaten – und damit auch Deutschland – spätestens mit Wirkung ab 2027 in nationales Recht umzusetzen. Mittlerweile steht jedoch auch das (wieder) in Frage (dazu sogleich). Stand heute ist das LkSG jedenfalls bis auf weiteres geltendes Recht. Von verschiedenen Parteien vorgelegte Gesetzgebungsvorschläge zur Abschaffung des LkSG sind bis dato allesamt gescheitert. Die weitere Entwicklung nach der Bundestagswahl? Offen.
Diskussion um Vereinfachung der noch jungen ESG-Regulierung auf EU-Ebene
Mit Ausnahme des deutschen LkSG, das bereits vor der CSDDD verabschiedet worden war, stammen die wesentlichen regulatorischen Initiativen im Bereich ESG von der EU-Ebene. Zu nennen sind hier insbesondere die CSDDD (s.o.). die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie die Nachhaltigkeitsbewertung von Wirtschaftsaktivitäten nach der Taxonomie-VO. Alle diese Regelwerke gingen aus der Umsetzung des so genannten Green Deals hervor, den die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer ersten Amtszeit Ende 2019 angekündigt hatte. Die Umsetzung der CSRD steht – trotz Ablauf der Umsetzungsfrist im Sommer 2024 – in Deutschland und einigen weiteren EU-Mitgliedsstaaten noch aus. Zugleich hat im Nachgang zu den Europawahlen die Diskussion um Anpassungen der noch jungen ESG-Regelwerke begonnen. Im November 2024 hat der Europäische Rat in der Budapester Erklärung einen „Neuen Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit“ vorgestellt und darin einen „revolutionären Vereinfachungsprozess“ eingefordert, der insbesondere eine Verringerung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten (gemeint ist die CSRD) um mindestens 25% mit sich bringen soll. In der Folge hat die neue EU-Kommission eine so genannte Omnibus-Verordnung zu der CSRD, der Taxonomie-VO und der CSDDD angekündigt. Seither wird munter gerätselt und gefordert, was diese Omnibus-Verordnung im Einzelnen enthalten soll. Eine nähere Darstellung der einzelnen Forderungen würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Ein erster konkreter Entwurf der EU-Kommission ist für den 26.02.2025 angekündigt.
Die Omnibus-Verordnung ist mittlerweile offenbar „Chefsache“. Nach der Agenda für die Kommissionssitzung am 26.02.2025 zeichnet für den TOP „Omnibus package: Chapeau communication and omnibus proposal“ neben dem Vizepräsident Stéphane Séjourné nunmehr auch die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen selbst verantwortlich. Inhaltlich scheinen sich gegenüber den bestehenden Regelwerken einigermaßen gravierende Veränderungen anzudeuten. So hat sich der Vizepräsident Stéphane Séjourné Mitte Januar 2025 für einen „Aufschub“ ausgesprochen und ferner einen „massive simplification shock“ mit der Aufhebung von Berichtspflichten und vielen Änderungen im Hinblick auf Bürokratie angekündigt. Am 29.01.2025 hat die EU-Kommission ihren „Competitiveness Compass“ vorgelegt, in dem sie den strategischen Rahmen für ihre Arbeit in den kommenden fünf Jahren definiert. Ein wesentliches Ziel der Kommission ist nunmehr eine drastische Reduzierung des Regelungs- und Verwaltungsaufwands. Zu diesem Zweck plant die EU-Kommission gleich mehrere „Simplification Omnibus packages“. Bezüglich CSRD, CSDDD und Taxonomie-VO kündigt sie weitreichende Vereinfachungen an. Insbesondere möchte die EU-Kommission eine der Unternehmensgröße angepasste Regulierung gewährleisten. Zu diesem Zweck will sie eine Definition für eine neue Unternehmenskategorie, die so genannten Small Mid Caps, vorschlagen. Dabei soll es sich um Unternehmen handeln, die größer sind als KMU, aber kleiner als Großunternehmen. Dadurch sollen „Tausende von Unternehmen in der EU“ im gleichen Sinne wie die KMU von einer „maßgeschneiderten Vereinfachung der Rechtsvorschriften“ profitieren. Das dürfte so zu verstehen sein, dass etwa der Anwendungsbereich der CSRD, der ab 01.01.2025 eigentlich alle großen Kapitalgesellschaften i.S.v. § 267 Abs. 3 HGB umfassen soll, seitens der EU entsprechend eingeschränkt werden soll. Details und Zeitplanung für ein entsprechendes EU-Gesetzgebungsverfahren: Offen.
Bewertung und Ausblick
Was das Ziel klarer und effizienter Vorgaben, Vorhersehbarkeit und Planungssicherheit anbelangt, besteht bei der noch jungen ESG-Regulierung offensichtlich noch Optimierungspotential. Gleichzeitig zeichnet sich aktuell die Gefahr ab, dass – angetrieben von der Hoffnung auf kommende regulatorische Erleichterungen im ESG-Bereich – ESG-Themen bei den Unternehmen nicht mehr die (ggf. auch unabhängig von derartigen Erleichterungen) gebotene Beachtung finden. Denn die Gründe, die den Gesetzgeber in den letzten Jahren zu mehr – wenn auch optimierungsfähiger – Regulierung im ESG-Bereich veranlasst haben, dürften weitgehend fortbestehen. Wenn man die neue ESG-Regulierung also für einen Moment wegdenkt, findet man sich in den Überlegungen von vor paar Jahren wieder.
In diesem Zusammenhang kam uns die Erstausgabe von SustainableValue im April 2021 und unser Artikel „Sustainability ist Chefsache! Warum Nachhaltigkeit in jedem Fall auf den Tisch der Geschäftsleitung gehört“ in Erinnerung. Damals schrieben wir: „Unabhängig von den angestrebten weiteren regulatorischen Maßnahmen drängt der Markt (d.h. insbesondere Kunden, Kapitalgeber, Vertragspartner …) die Unternehmen schon jetzt zunehmend zu mehr Nachhaltigkeit. Denn auch jenseits gesetzlicher Normierung setzt sich vermehrt die Erkenntnis durch, dass Nachhaltigkeit für ein langfristig erfolgreiches Wirtschaften essentiell ist. Und genau hier liegt die wesentliche, oft aber noch unterschätzte Verbindung zu den allgemeinen rechtlichen Anforderungen an die Unternehmensleitung. Auf den Punkt gebracht lautet die Botschaft: Vorstand bzw. Geschäftsführung sollten nicht erst das Entstehen verbindlicherer, detaillierter Compliancepflichten im Bereich Nachhaltigkeit abwarten. Vielmehr bieten schon die bestehenden gesellschaftsrechtlichen Pflichten – einschließlich der Anforderungen der Business Judgement Rule – genügend Anlass für die Geschäftsleitung, sich angemessen mit den für das jeweilige Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsaspekten zu befassen. Der Vorteil: Es werden dabei in der Regel nicht nur Kosten und Risiken sichtbar, sondern auch die individuellen Vorteile und Chancen für das jeweilige Unternehmen.“
Daran hat sich bis heute nichts Grundlegendes geändert – und wird sich voraussichtlich auch in Zukunft nicht ändern. Denn selbst wenn die Nachhaltigkeitserwartungen einzelner Stakeholder (z.B. Kunden) infolge der aktuellen Entwicklungen und politischen Diskussionen (vorübergehend?) wieder abnehmen sollten, dürften relevante andere Handlungstreiber bestehen bleiben. Das gilt insbesondere für die Risiken, die Unternehmen im Zusammenhang mit ESG-Themen drohen, einschließlich der hierdurch getriebenen Erwartungen von Banken und Versicherungen. Mit Blick auf Strategie und Geschäftsmodell des Unternehmens dürften darüber hinaus auch die Chancen relevant bleiben, die sich aus ESG-Themen für das Unternehmen langfristig ergeben können.
Jedenfalls für börsennotierte Aktiengesellschaften kommt dies seit April 2022 auch in Empfehlung A.1 des Deutschen Corporate Governance Kodex zum Ausdruck. Da der Kodex allgemein auf anerkannten Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung beruht, ist diese Empfehlung inhaltlich prinzipiell verallgemeinerungsfähig:
„Der Vorstand soll die mit den Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Risiken und Chancen für das Unternehmen sowie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit systematisch identifizieren und bewerten. In der Unternehmensstrategie sollen neben den langfristigen wirtschaftlichen Zielen auch ökologische und soziale Ziele angemessen berücksichtigt werden. Die Unternehmensplanung soll entsprechende finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Ziele umfassen.“
Börsennotierte Aktiengesellschaften sind gemäß § 161 AktG verpflichtet, etwaige Abweichungen von dieser Empfehlung in der so genannten Entsprechenserklärung zu erläutern. Dass die aktuelle politische Diskussion auch zu einer Änderung dieser Kodexempfehlung führt, zeichnet sich derzeit nicht ab. Und auch unabhängig davon bleibt die Geschäftsleitung mit Blick auf ihre allgemeine Sorgfaltspflicht gut beraten, relevante ESG-Aspekte angemessen zu berücksichtigen, um sich nicht später dem haftungsbewehrten Vorwurf ausgesetzt zu sehen, insoweit etwas übersehen zu haben.



