Wirtschaftsmediationen gehen schnell, sind kostengünstig und in drei Vierteln aller Fälle erfolgreich. Trotzdem sind Mediationen zwischen Unternehmen in Deutschland noch überraschend selten. Anders als in den USA wird hierzulande meistens vor (Schieds-)Gerichten geklagt, weil viele Unternehmen nicht wissen, wie eine Mediation praktisch abläuft und nur wenige Rechtsanwälte dazu gezielt beraten. Zudem wird der Vorschlag, ein Mediationsverfahren durchzuführen, von der Gegenseite häufig noch als vermeintliche Schwäche wahrgenommen, was eine verhandlungstaktische Herausforderung darstellt.
Der nachfolgende Bericht gibt zunächst einen kurzen Einblick in den Ablauf eines Mediationsverfahrens und erklärt, warum Konflikte in Sanierungs- und Insolvenzsituationen besonders mediationsgeeignet sind. Anschließend wird gezeigt, wie der Einsatz von Wirtschaftsmediationen durch spezialisierte Rechtsanwälte und die Einbindung von Prozessfinanzierern gefördert werden kann, um effiziente Streitlösungen zu erreichen.
Überblick: Mediationsverfahren
Die Mediation ist ein freiwilliges außergerichtliches Verfahren zur kooperativen Lösung eines Konflikts, das von einem unabhängigen Mediator geleitet wird. Der Mediator fungiert dabei als neutraler Verhandlungsberater beider Konfliktparteien und trifft selbst keine Entscheidung. Das Ziel der Mediation besteht vielmehr darin, dass die Parteien eine eigenverantwortliche Lösung ihres Konflikts erarbeiten, die ihren Interessen bestmöglich entspricht.
Ausgehend von den identifizierten streitigen Themen, ermittelt der Mediator dazu im Gespräch mit den Parteien deren tatsächliche Interessen, die hinter den oft verhärteten Verhandlungspositionen stecken. Der Übergang von den Positionen zu den dahinterliegenden Interessen ist die eigentliche Problembearbeitung in der Mediation, wobei es entscheidend auf das kommunikative und verhandlungspsychologische Geschick des Mediators ankommt. Den Parteien ist nämlich regelmäßig nicht bewusst, was sie eigentlich wirklich wollen. Selten geht es um Geld allein.
Fast allen wirtschaftlichen Konflikten liegen eine missglückte Kommunikation und fehlende Wertschätzung zwischen den beteiligten Unternehmensvertretern zugrunde. In einem Rechtsstreit bleiben diese tieferliegenden Konfliktursachen unergründet und können folglich bei Vergleichsverhandlungen oder der Urteilsfindung nicht berücksichtigt werden. Denn vor Gericht ist nur der Sachverhalt relevant, der zur Subsumtion unter die streitentscheidende Norm und zur Entscheidung über die Klageanträge erforderlich ist, in denen sich die vordergründigen Positionen der Parteien widerspiegeln, und selten deren tatsächliche Interessen.
Nachdem die Interessen geklärt sind, sucht der Mediator auf dieser Grundlage zusammen mit den Parteien nach individuellen und oftmals kreativen Lösungsmöglichkeiten für den Konflikt. Hierin liegt gegenüber einem Gerichtsverfahren eine weitere Chance, da die Parteien eigenverantwortlich eine Lösung gestalten können, die zu ihren Interessen passt und keine Entscheidung von außen oktroyiert bekommen, bei der sich schnell beide Parteien als Verlierer fühlen. Anders als in Gerichtsverfahren kann die Lösungsfindung dabei zukunftsorientiert sein, wenn die Parteien weiter zusammenarbeiten wollen oder anderweitig wirtschaftlich verbunden sind. Dies erweitert den Lösungshorizont. Das Ergebnis der Mediation wird schließlich als Vergleichsvereinbarung dokumentiert und kann bei Bedarf auch als Vollstreckungstitel ausgestaltet werden.
In der Praxis gibt es vielfältige Ausgestaltungen dieses Grundkonzepts. Beispielsweise helfen Shuttlemediationen weiter, wenn die Parteien so zerstritten sind, dass direkte persönliche Gespräche nicht mehr möglich sind. Dann spricht der Mediator abwechselnd mit einer Partei allein und berichtet anschließend der anderen. Komediationen unter Leitung von zwei Mediatoren sind hilfreich, wenn der Konflikt komplex ist, viele Parteien beteiligt sind oder es zur Lösung des Streits auf spezielles Fachwissen ankommt, beispielsweise in Sanierungsverfahren. In Wirtschaftsmediationen ist es üblich, dass die Parteien von ihren Anwälten während des Verfahrens begleitet werden.
Natürlich eignen sich nicht alle Streitigkeiten für eine Mediation. Wenn es auf die Klärung einer singulären Rechtsfrage ankommt oder zwischen den Parteien keine Geschäftsbeziehung mehr besteht, bietet sich eher eine gerichtliche Klärung an. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Insolvenzverwalter bei der Abwicklung des schuldnerischen Unternehmens gegen einen ehemaligen Lieferanten einen Insolvenzanfechtungsanspruch geltend macht und es sonst keine weiteren Verbindungen zur Insolvenzmasse gibt.
Mediation in Restrukturierungs- oder Sanierungsverfahren
In Restrukturierungs- oder Sanierungsverfahren sind viele Konflikte hingegen sehr mediationsgeeignet, da die Beteiligten meistens ein gemeinsames wirtschaftliches Interesse daran haben, eine Insolvenz und Zerschlagung des Unternehmens zu vermeiden, weil dies für alle die schlechteste Lösung darstellt. Der Konflikt liegt meist im Bereich der erforderlichen Sanierungsbeiträge und abgebrochener Vertragsverhältnisse nach Eintritt der Krise. Eine gerichtliche Klärung würde zur Vermeidung einer Insolvenz zu spät kommen und bietet nicht den Gestaltungsspielraum, dessen es in Sanierungsverfahren bedarf. Außerdem sind meistens mehrere Parteien in die Lösung einzubeziehen, wie beispielsweise Gesellschafter, Banken und Lieferanten, was in einer Mediation deutlich leichter gelingt. In Insolvenzverfahren, bei denen eine Fortführung des Betriebs beabsichtigt ist, kann sich eine ähnliche Situation ergeben.
Kürzlich wurde der „Bundesverband Mediation in Restrukturierung & Insolvenz e.V.“ von Sanierungsberatern und Insolvenzverwaltern in Köln gegründet, um den Einsatz von Mediationsverfahren in Krisensituationen zu fördern. Dies zeigt, dass die Branche die Vorteile von Mediationen als Alternative zu gerichtlichen Streitigkeiten erkannt hat und bereit ist, dieses alternative Konfliktlösungsverfahren einzusetzen.
Trotz der dargestellten Vorzüge hat sich der praktische Einsatz von Mediationsverfahren zur Lösung von wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten in den vergangenen Jahren weltweit sehr unterschiedlich entwickelt. In den USA, Australien und England werden Mediationen von Unternehmen häufig Gerichtsverfahren vorgezogen. So vereinbaren Unternehmen oft schon bei Abschluss von komplexen Verträgen, dass sie bei künftigen Streitigkeiten zunächst ein Mediationsverfahren durchführen und erst nach einem Scheitern der Mediation eine Klage vor einem (Schieds-)Gericht erheben werden.
In Deutschland zeigt sich noch ein eher gegenteiliges Bild. Unternehmen setzen Mediationen im Verhältnis zu gerichtlichen Verfahren nach wie vor selten ein. Allein bei innerbetrieblichen Konflikten ist die Mediation in der Praxis etabliert. Unter dem Strich scheint in Deutschland die Anzahl der Mediatoren, die sich auf Konflikte zwischen Unternehmen konzentrieren, die tatsächliche Nachfrage deutlich zu übersteigen.
Erfolgsquote und Vergütungslösungen bei Wirtschaftsmediationen
An der Erfolgsquote von Wirtschaftsmediationen kann es nicht liegen. Denn diese ist auch in Deutschland erstaunlich hoch. Durchschnittlich drei Viertel aller Mediationen enden mit einer Einigung der Parteien. An der Bekanntheit von Mediationsverfahren als Alternative zu einer gerichtlichen Klage dürfte es auch nicht (mehr) allein liegen. Fast allen Anwälten, die sich mit Prozessführung beschäftigen, ist Wirtschaftsmediation zumindest ein Begriff, wenngleich es noch Irrtümer und Vorurteile gibt.
Wie lässt sich der Rückstand von Mediationen in Deutschland dann erklären? Ein Grund könnte in den traditionellen anwaltlichen Vergütungsmodellen liegen.
Erfolgreiche Wirtschaftsmediationen sind in der Regel nach wenigen Sitzungen beendet, manche dauern nur einige Stunden. Gerichtsverfahren ziehen sich oft jahrelang über mehrere Instanzen und erfordern entsprechend viele umfangreiche Schriftsätze und Verhandlungstermine. Da die meisten Wirtschaftsanwälte in Deutschland ausschließlich nach Zeitaufwand vergütet werden, besteht eine Gefahr von (unbewussten) monetären Fehlanreizen, wenn sie keine Alternative zu dem klassischen Stundensatzmodell finden. In den USA vereinbaren Anwälte mit ihren Mandanten oft ein Erfolgshonorar, so dass sie von einer effizienten außergerichtlichen Streitlösung wirtschaftlich profitieren. Dies dürfte neben den oft hohen Prozesskosten maßgeblich zu der Verbreitung von Wirtschaftsmediationen in den USA beigetragen haben.
Hierzulande gibt es bei genauerer Betrachtung ebenfalls zulässige anwaltliche Vergütungslösungen, die an den Erfolg einer Mediation anknüpfen. Gerade in Sanierungsfällen dürfte ein Erfolgshonorar oft zulässig sein, da es an den erforderlichen finanziellen Mitteln fehlt. Darüber hinaus ist nach der jüngsten gesetzlichen Neuregelung ein Erfolgshonorar im Einzelfall schon dann zulässig, wenn der Mandant bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde; auf die wirtschaftliche Situation des Mandanten kommt es dabei nicht mehr an (§ 4a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RVG). Denkbar ist auch die Vereinbarung einer erhöhten Einigungsgebühr, um den Anwalt, der die Mediation begleitet, angemessen an einem schnellen wirtschaftlichen Erfolg zu beteiligen. Darüber hinaus entlastet eine effiziente Konfliktlösung auch den Anwalt, der dadurch (bei gleicher Kapazität) mehr Mandanten betreuen kann als bei langwierigen gerichtlichen Verfahren.
Mediationen hängen von den beteiligten Anwälten ab
Blendet man die lösbare Vergütungsfrage aus, steht und fällt eine Mediation letztlich mit der Mediationserfahrung der beteiligten Anwälte und deren Verhandlungsgeschick.
Zunächst muss der Anwalt, der eine Konfliktpartei berät, überhaupt einmal erkennen, dass der Konflikt mediationsgeeignet ist. Dabei ist es hilfreich, wenn er selbst ausgebildeter Wirtschaftsmediator ist. Da der Anwalt als Parteivertreter nicht neutral ist, kann er die Mediation jedoch nicht selbst durchführen, so dass er über ein gutes Netzwerk von unterschiedlichen Mediatoren verfügen sollte, um seinen Mandanten bei der Auswahl eines passenden Mediators beraten zu können. Denn letztlich hängt der Erfolg einer Mediation stark von der Qualifikation und fachlichen Expertise des Mediators ab. Ist beides vorhanden, können auch komplexe Fälle mit fachspezifischen Problemen gelöst werden.
Entscheidend ist schließlich das kommunikative und verhandlungstaktische Geschick des beratenden Anwalts, welches darüber entscheidet, ob der Vorschlag eines Mediationsverfahrens von der Gegenseite als Chance für eine effiziente Lösung des Konflikts verstanden oder als Zeichen der Schwäche abgetan wird, was zum Abbruch der Verhandlungen führen kann.
Einbindung eines spezialisierten Prozessfinanzierers
Die Einbindung eines spezialisierten Prozessfinanzierers kann helfen, die eigene Verhandlungsposition zu stärken und die Gegenseite von einem Mediationsverfahren zu überzeugen.
Bei der Prozessfinanzierung handelt es sich um eine Finanzdienstleistung, die seit Ende der 90er Jahre in Deutschland angeboten wird. Dabei übernimmt der Prozessfinanzierer für den Kläger alle Kosten eines Rechtsstreits, so dass der Kläger seinen Anspruch ohne eigenes finanzielles Risiko verfolgen kann. Im Gegenzug erhält der Finanzierer im Erfolgsfall einen zuvor festgelegten Anteil des Prozesserlöses, oft im Bereich von 30%. Falls der Prozess verloren wird, trägt der Prozessfinanzierer sämtliche Kosten allein.
Dieses Konzept wurde über mehrere Jahrzehnte von verschiedenen Anbietern in Deutschland nahezu unverändert angewandt, wobei die Finanzierung auf Klagen vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten begrenzt war. Seit kurzem gibt es Prozessfinanzierer, die das traditionelle Konzept weiterentwickelt haben und bei ihren Finanzierungslösungen bewusst auch außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren, wie Wirtschaftsmediationen, vorsehen.
Aus Sicht des Prozessfinanzierers bietet ein Mediationsverfahren im Vergleich zu einem gerichtlichen Rechtsstreit mehrere Vorteile, die mit den Interessen des Anspruchsinhabers deckungsgleich sind: Die statistisch hohe Erfolgsquote von Mediationen senkt das Risiko des Kapitalverlusts. Außerdem sind die Kosten eines Mediationsverfahrens deutlich geringer als bei einer Klage. Hinzu kommt ein schnellerer Return on Investment wegen der kurzen Dauer einer erfolgreichen Mediation.
Neben den Kosten der Mediation übernimmt der Finanzierer üblicherweise auch die Kosten eines Gerichtsprozesses, falls die Mediation scheitern sollte. Damit kann der Anspruchsinhaber seine Ansprüche notfalls ohne finanzielles Risiko klageweise geltend machen. Dies stärkt seine sogenannte BATNA („Best Alternative to a negotiated Agreement“) und damit seine Verhandlungsposition in der Mediation.
Besteht ein tatsächliches oder gefühltes finanzielles Machtgefälle zwischen den Konfliktparteien, kann dies dadurch ausgeglichen werden, dass der Anspruchsinhaber dem vermeintlich überlegenen Gegner seine Unterstützung durch den Prozessfinanzierer – also seine BATNA – offenlegt. Dadurch wir dem Gegner verdeutlicht, dass ihm tatsächlich eine durchfinanzierte Klage mit einem Gang durch alle Instanzen droht, falls er sich einer konstruktiven außergerichtlichen Lösung verweigert. Der Vorschlag einer Mediation erscheint dann nicht mehr als Zeichen von Schwäche, sondern als letzte Chance, um einen kostenintensiven und risikoreichen Rechtsstreit zu vermeiden. Dies kann eine zunächst verhandlungsunwillige Partei dazu motivieren, an einem Mediationsverfahren teilzunehmen.
Dies gilt insbesondere für Krisen- und Sanierungsfälle, in denen mache Konfliktpartei darauf spekuliert, dass eine Klage des angeschlagenen Unternehmens mangels finanzieller Ressourcen ausbleibt oder in einem Rechtsstreit ein billiger Vergleich geschlossen werden kann, da zumindest die Mittel für den Instanzenzug fehlen.
Andererseits wird der Finanzierer im eigenen Interesse darauf achten, dass die von ihm unterstützte Partei ihre gestärkte BATNA bei Vergleichsverhandlungen in der Mediation nicht überschätzt und einen angemessenen Vergleich nicht allein deshalb ausschlägt, weil sie meint, anschließend risikolos klagen zu können.
Üblicherweise führen Finanzierer nämlich eine objektive Prozessrisikoanalyse durch und besprechen diese mit ihren Kunden. Eine Klage ohne Kostenrisiko beseitigt schließlich nicht das Risiko, den Rechtsstreit nach einem geplatzten Vergleich zu verlieren und letztlich mit leeren Händen dazustehen. Der Finanzierer fungiert insoweit als „Agent of Reality“, wie es in der Mediation bezeichnet wird.
Die Erlösbeteiligung des Finanzierers motiviert den Anspruchsinhaber zusätzlich, eine wirtschaftlich angemessene Einigung in der Mediation zu finden und eine Klage zu vermeiden. Scheitert die Mediation und kommt es zu einer Klage, steigt die Erlösbeteiligung des Finanzierers aufgrund des dadurch erhöhten Kosten- und Prozessrisikos zumeist deutlich an. Teilweise erhöht sich die Erlösbeteiligung zusätzlich, je länger der Streit dauert. Beides beugt mutwilligen Klagen vor und fördert eine effiziente Konfliktlösung in der Mediation.
christoph.schubert@hausfeld.com