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Aktuelle Ausgabe

Migration in Baden-Württemberg und Deutschland

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Migration ist ein vielschichtiges Thema, über das besonders emotional und polarisierend diskutiert wird und an dem in besonderer Weise Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Staates und dem Entscheidungswillen politischer Verantwortungsträger festgemacht werden. Zweifel, die es zu widerlegen gilt. Denn der Staat ist weit handlungsfähiger, als vielfach angenommen wird.

Probleme offen benennen

In den letzten zehn Jahren sind in der Bundesrepublik Deutschland rund drei Millionen Asylanträge gestellt worden. Hinzu kamen mehr als 1,2 Millionen Schutzsuchende aus der Ukraine. Allein Baden-Württemberg mit seinen 11,3 Millionen Einwohnern nahm seit 2015 über 290.000 Asylantragsteller auf. Seit 2022 kamen über 220.000 Menschen aus der Ukraine hinzu.

Mit diesen hohen Zugangszahlen sind Probleme verbunden, die offen zu benennen sind. In zahlreichen Kommunen fehlen Wohnraum, Kindergartenplätze, Schulkapazitäten und Ressourcen bei der medizinischen Versorgung und der Integration. Die Grenzen der Belastbarkeit sind vielerorts erreicht. Gleichzeitig stellen sich insbesondere Sicherheitsfragen. Daraus erwachsen gesellschaftliche und politische Verwerfungen.

Humanität braucht Ordnung

Wer dauerhaft Humanität und sozialen Frieden gewährleisten will, muss Migration wirksam begrenzen, steuern und ordnen. Aufgrund der Komplexität des Migrationsgeschehens ist das nicht leicht – und doch verfügen wir über entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten, deren sich die Bundesregierung und die Landesregierung von Baden-Württemberg wirkungsvoll bedienen.

Rückführungen: Ein deutliches Signal

In den letzten beiden Jahren konnten die Zahlen der Abschiebungen und der freiwilligen Ausreisen in Baden-Württemberg erheblich gesteigert werden. Tatsächlich ist der Staat hier deutlich leistungsfähiger, als allgemein angenommen wird.

2025 sind bislang im Monatsdurchschnitt 929 Asylsuchende nach Baden-Württemberg gekommen. Rund 635 Personen haben Baden-Württemberg 2025 monatlich verlassen – etwa die Hälfte davon wurde abgeschoben (darunter rund 90 Straftäter je Monat), die andere Hälfte ist gefördert freiwillig ausgereist.

Im Juni überstieg die Zahl der Ausreisenden die der Neuankömmlinge.

Sicherheit im Fokus: Rückführung straffälliger Ausländer

Allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 2025 sind 633 ausreisepflichtige Straftäter aus Baden-Württemberg abgeschoben worden. Dazu leistet der im Interesse der Sicherheit in unserem Land bereits 2018 eingerichtete Sonderstab Gefährliche Ausländer im Justiz- und Migrationsministerium, der mittlerweile durch Regionale Sonderstäbe bei den Regierungspräsidien ergänzt wird, in enger Zusammenarbeit mit Polizei, Verfassungsschutz, Ausländerbehörden und dem BAMF wichtige Arbeit. Sein Fokus liegt darauf, bei schweren Straftätern und Gefährdern Rückführungen vorzubereiten und durchzuführen.

Beschleunigung asylgerichtlicher Verfahren

Dass Asylverfahren zügig abgeschlossen werden, ist Ausdruck eines handlungsfähigen und durchsetzungsstarken Rechtsstaats. Im Übrigen entfalten schnelle Entscheidungen – insbesondere in Verbindung mit zeitnahen Rückführungen – migrationspolitisch eine steuernde Wirkung, gerade bei sicheren Herkunftsstaaten.

Deshalb haben wir in Baden-Württemberg die Verwaltungsgerichtsbarkeit massiv gestärkt und neu ausgerichtet. In einem Maßnahmenpaket wurden die Verwaltungsgerichte personell erweitert, Schwerpunktzuständigkeiten zugewiesen und ein Kompetenz- und Innovationszentrum Asyl am Verwaltungsgericht Karlsruhe geschaffen, das Vorreiter beim Einsatz digitaler Assistenzsysteme ist.

Die landesweit am Verwaltungsgericht Karlsruhe konzentrierten Verfahren von Klägern aus Herkunftsstaaten mit einer Anerkennungsquote von unter 5% wurden im 2. Quartal 2025 in Eilverfahren in 0,8 Monaten beziehungsweise in Hauptsacheverfahren in 2,2 Monaten abgeschlossen.

Maßnahmen der Bundesregierung zeigen Wirkung

Die unionsgeführte Bundesregierung hat sehr schnell zentrale migrationspolitische Maßnahmen umgesetzt, die wirken. Dazu gehören Grenzkontrollen und Zurückweisungen. Sie machen deutlich, dass die illegale Einreise nach Deutschland keine Einwanderungsoption ist. Die Festnahmen mutmaßlicher Schleuser erschweren deren kriminelles Geschäft, und die Entdeckung von Personen aus dem extremistischen oder islamistischen Spektrum erhöht unsere Sicherheit.

Dazu gehört auch die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte – zuvor reisten hierüber monatlich bis zu 1.000 Personen ein.

Auch die vereinfachte Einstufung sicherer Herkunftsstaaten per Rechtsverordnung – anstelle des bisherigen, langwierigen Gesetzgebungsverfahrens, das eine Zustimmung des Bundesrats erforderte – zählt zu diesen Maßnahmen wie auch die Aufhebung der verpflichtenden Bestellung von anwaltlicher Vertretung bei Abschiebehaft.

Notwendigkeit struktureller Reformen

Die Herausforderungen bleiben groß. Deshalb brauchen wir auch strukturelle Reformen – national wie europäisch. Es war richtig und wichtig, dass die EU das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) reformiert hat. Weitere Schritte sollten folgen. Ich möchte hier nur ein Beispiel nennen: Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei Leistungen, Integration und Zuständigkeiten bleiben gravierend. Solange das so ist, wird eine gleichmäßigere Verteilung scheitern. Warum definieren wir nicht einen europäischen Warenkorb an Grundleistungen für Asylbewerber – einheitlich und vergleichbar? Das würde Sekundärmigration wirksam eindämmen, da jedem Asylbewerber in allen europäischen Ländern dieselbe Versorgung zukommt, und es würde zugleich unterschiedlichen Lebenshaltungskosten Rechnung tragen.

Fachkräftezuwanderung ermöglichen

Neben der Begrenzung irregulärer Migration brauchen wir die gesteuerte Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften. Deutschland steht vor einem massiven Fachkräftemangel. Allein 2024 gingen laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft rund 49 Milliarden Euro an Produktionskapazität verloren, weil 573.000 qualifizierte Arbeitsplätze nicht besetzt waren. Im Jahr 2027 könnten es bereits 74 Milliarden Euro sein – wenn wir nicht handeln.

Das Paradoxon: Während Deutschland für Fluchtmigration zu attraktiv gewesen ist, ist es für Fachkräfte zu wenig einladend.

Baden-Württemberg hat deshalb eine Landesagentur für die Zuwanderung von Fachkräften eingerichtet. Seit dem 01.04.2025 können Arbeitgeber in Baden-Württemberg dort beschleunigte Fachkräfteverfahren digital beantragen. Das vereinfacht den Zugang zum Arbeitsmarkt – mit weniger Bürokratie, klaren Fristen und schnelleren Verfahren. Zwischen April und Juli 2025 wurden 995 Anträge eingereicht und 411 Vereinbarungen mit Arbeitgebern über die Durchführung des beschleunigten Verfahrens geschlossen. 311 dieser Verfahren konnten bereits abgeschlossen werden. Und dabei sind wir schnell: Im Durchschnitt dauerten die Verfahren von Abschluss der Vereinbarung bis zur Ausstellung der Vorabzustimmung 15 Tage.

Fazit

Deutschland hat einen klaren migrationspolitischen Kurswechsel vollzogen, der bereits deutliche Wirkung zeigt. Den Kurs gilt es beizubehalten, den Weg fortzusetzen. Nutzen wir die Chance, Vertrauen zurückzugewinnen und von der Leistungsfähigkeit unseres Gemeinwesens zu überzeugen.

Autor

Marion Gentges MdL Ministerin der Justiz und für Migration Baden-Württemberg, Mitglied des Landtags, Stuttgart

Marion Gentges MdL

Ministerin der Justiz und für Migration Baden-Württemberg,
Mitglied des Landtags, Stuttgart


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