Vorbemerkung
Der Beitrag analysiert – auf Basis der 30-jährigen Praxis der Autorin als Rechtsanwältin von Geschädigten – Betrugsrisiken für Geschäftstreibende und worauf sie und auch Richterinnen, die mit Betrugsfällen konfrontiert sind, achten sollten.
Die Autorin hat sich auf die Wiedergutmachung von Schäden, die Betrüger verursacht haben, spezialisiert. Ihr Beitrag greift auf eine reichhaltige, einigermaßen bunte Erfahrung und viele Erfolge bei der Rückführung von an Betrügerinnen verlorenem Vermögen zurück.
Die Zahlen, Daten, Fakten in diesem Beitrag sind unter anderem unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz recherchiert worden. Aus diesem Grund wird auf Quellenangaben – der Übersichtlichkeit wegen – überwiegend verzichtet.
Einleitung
„Fake it, till you make it!“ Dieser Spruch ermutigt Menschen, sich als erfolgreich und/oder kompetent zu präsentieren, um die erhofften Erfolge und/oder Fähigkeiten wirklich zu erreichen. Die Idee dahinter ist, dass durch das Nachahmen von Erfolg und/oder Selbstvertrauen eine echte innere Veränderung stattfinden kann. Allerdings gibt es auch Personen, die dieses Prinzip zu ihrem Geschäftsmodell erhoben haben. Sie erwecken gezielt falsche Vorstellungen und stellen sich langfristig auf unehrliche Weise dar. Solchen Menschen gelingt es, über Jahrzehnte regelmäßig Opfer zu finden, die sich durch ihre Darstellungen und Versprechungen täuschen lassen. Bekannte Beispiele sind:
- Frank Abagnale: Berühmt geworden durch den Film „Catch Me If You Can“ (2002), gab sich Frank Abagnale in den 1960er Jahren als Pilot, Arzt und Anwalt aus. Er fälschte Schecks im Wert von Millionen und reiste jahrelang um die Welt, bevor er im Alter von 21 Jahren verhaftet worden ist.
- Anna Sorokin (alias Anna Delvey): Anna Sorokin gab sich in New York als reiche deutsche Erbin aus und täuschte die High Society sowie Banken und Hotels um Hunderttausende von Dollar. Ihre Geschichte wurde 2022 in der Netflix-Serie „Inventing Anna“ verfilmt. Sie ist 2019 wegen Betrugs verurteilt worden.
- Elizabeth Holmes: Die Gründerin von Theranos versprach, mit ihrem Unternehmen eine revolutionäre Methode zur Blutuntersuchung entwickelt zu haben, die jedoch nie wie versprochen funktionierte. Holmes ist 2022 wegen Betrugs zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
Grundsätzlich ist Betrug ein reales Risiko für Geschäftsleute. Nach der Statistik werden 50% aller Organisationen innerhalb von zwei Jahren Opfer von gezieltem Betrug. Dahinter geht es nicht um aus Nachlässigkeit entstandene Fehler, sondern um vorsätzliches Ausnutzen von menschlichem Vertrauen und/oder Schwächen.
Besonders heikel erweist sich die „Honey Moon Phase“ für Start-ups. Geschäftsgründer befinden sich in der Anfangsphase in einer Aufbruchsstimmung, wo – ähnlich einem frisch verliebten Paar – das Vertrauen in den Partner geradezu übergroß ist. Für die mit Vorsatz agierenden Personen ist das eine ideale Voraussetzung, um ihr Opfer auszubeuten.
Das kann anhand des Betrugsdreiecks (Fraud Triangle, Abb. 1), das regelmäßig zur Erklärung von Betrug im Rahmen der Implementierung von Compliance-Management-Systemen verwendet wird, eindrücklich erklärt werden.

Betrugsdreieck
Das Betrugsdreieck ist ein Modell, das erklärt, warum Menschen betrügerische Handlungen begehen. Es basiert auf drei grundlegenden, „motivierenden“ Faktoren, die in Kombination das Risiko für Betrug erhöhen:
- Druck (Pressure): Druck ist der „motivierende“ Faktor, der eine Person dazu bringt, über einen Betrug nachzudenken. Dieser Druck kann finanzieller Natur sein (etwa Schulden, unerwartete Kosten), aber auch emotionaler oder sozialer Druck, wie hohe Erwartungen im Job oder der Wunsch nach einem luxuriöseren Lebensstil. Letzteres hat etwa Peter Hochegger in seinem FALTER-Interview jüngst (am 02.04.2025) eindrücklich erklärt. Oft entsteht dieser Druck durch äußere Umstände, die die Person als unausweichlich wahrnimmt.
- Gelegenheit (Opportunity): Der zweite Faktor ist die Möglichkeit, den Betrug zu begehen. Hier spielen interne Kontrollschwächen in Unternehmen eine wichtige Rolle. Wenn Systeme oder Kontrollen leicht zu umgehen sind oder es eine mangelhafte Überwachung gibt, bietet dies Tätern die Möglichkeit, ohne großes Entdeckungsrisiko zu betrügen. Häufige Beispiele sind das Fehlen einer klaren Aufgabenverteilung oder eine unzureichende Überwachung von Finanztransaktionen sowie fehlende Verpflichtungen zur Dokumentation.
Die Gründungsphase eines Unternehmens ist in der Regel durch interne Kontrollschwächen geprägt. Die Organisation steckt in ihren Kinderschuhen und ist in der Regel etwas chaotisch. Compliance- und Dokumentenmanagementsysteme fehlen meist. Damit sind Start-ups leichte Beute und häufiger Ziel von professionellen Betrügern. Ein Großteil aller Rechtsstreitigkeiten, die die Autorin aus der Gründerszene betreut hat, beruht auf dem oftmals (gänzlichen) Fehlen jeglicher Verschriftlichung des Vereinbarten.
Das wechselseitige Vertrauen ist in der Phase so groß, dass der Handschlag des Gegenübers reicht. Professionelle Betrüger wissen das zu nutzen. (Typische Unterhaltung eines Betrügers: „Wir können das gerne verschriftlichen. Wie du willst. Mir genügt dein Wort. Ich vertraue dir. Komm, lass uns xy tun.“ Hier schließt sich eine Aufforderung zu einer Aktivität an, die dem Opfer nahe liegt, zum Beispiel: „Komm, lass uns das feiern gehen!“)
Was die Vertrauensseligen in dem Moment vergessen: Vor Gericht trägt der Anspruchsstellende die Beweislast. Der Nachweis einer mündlichen Vereinbarung ist ein steiniger Weg, der mit Hilfe von Zeugenaussagen, von WhatsApp-Nachrichten und E-Mails und anderem gelingen kann, aber immer zeit- und kostspielig und vor allem sehr riskant ist. Ein solches Risiko sollte kein Unternehmer eingehen.
- Rationalisierung/Rechtfertigung (Rationalisation): Schließlich muss der Täter sein Verhalten vor sich selbst rechtfertigen können, um das moralische Dilemma zu überwinden. Typische Rechtfertigungen sind Gedanken wie „Ich werde es zurückzahlen, wenn es mir besser geht“ oder „Ich verdiene das, weil ich zu wenig bezahlt werde“. Diese Selbstrechtfertigungen helfen dem Täter, sein Verhalten vor sich selbst zu legitimieren.
Funktionsweise des Betrugsdreiecks
Das Betrugsdreieck zeigt, dass Betrug nicht einfach auf kriminelle Absichten reduziert werden kann, sondern dass eine Kombination von Druck, Gelegenheit und Rechtfertigung zu unrechtem Handeln führt.
Durch die Stärkung interner Kontrollen und das Schaffen einer Unternehmenskultur, die ethisches Verhalten fördert, können Unternehmen das Risiko für Betrug erheblich verringern.
Gerade für die Gründungsphase eines Unternehmens stellt das eine besondere Herausforderung dar. In dieser Phase wird – verständlicherweise – der Fokus auf die Entwicklung und Umsetzung der Geschäftsidee gelegt. Selten wird in dieser Phase an „Compliance“ gedacht. Das kann sich allerdings, wie die Erfahrung zeigt, bitter rächen.
Zu den Betrugsrisiken im Überblick
Das Risiko für Unternehmen in der westlichen Welt, Opfer von Betrug zu werden, ist beachtlich und wächst kontinuierlich, insbesondere aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und globalen Vernetzung. In westlichen Ländern wie den USA und Europa sind vor allem große Konzerne häufig betroffen, da ihre Komplexität und Größe mehr Angriffspunkte bieten. Allerdings sind auch KMUs und im Besonderen auch Start-ups nicht vor Betrug gefeit. Da sie seltener an Studien teilnehmen, fehlen verlässliche Zahlen, Daten, Fakten. In der rechtsanwaltlichen Praxis zeigt sich allerdings deutlich, dass Start-ups besonders gefährdet sind, Betrügern auf den Leim zu gehen, weil ihnen oft die erforderlichen internen Kontrollmechanismen und ausgefeilte Compliance-Management-Systeme fehlen.
Die Prävention von Betrug verlangt bekanntlich starke interne Kontrollen, regelmäßige Audits und eine Kultur der Transparenz. Zumindest die ersten beiden Maßnahmen sind in der Gründungsphase schwer umsetzbar.
Betrug von außen
Das Risiko für Unternehmen in der westlichen Welt, Opfer von Betrug zu werden, ist hoch. Aktuelle Statistiken zeigen, dass fast 50% aller Unternehmen in den letzten zwei Jahren mindestens eine Form von Betrug oder Wirtschaftskriminalität erlebt haben. Besonders häufig sind Cyberkriminalität und Korruption, wobei Hacker und organisierte Verbrechergruppen als die größten externen Bedrohungen gelten.
Ferner führt die Globalisierung dazu, dass Unternehmen mit einer Vielzahl von Geschäftspartnern und Lieferanten weltweit interagieren. Dies erhöht das Risiko, auf betrügerische Partnerinnen, gefälschte Waren oder korrupte Geschäftspraktiken hereinzufallen. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn in Märkten mit weniger strengen Regulierungen agiert wird.
Nach Schätzungen (zum Beispiel der Association of Certified Fraud Examiners) verlieren Unternehmen weltweit im Durchschnitt 5% ihres jährlichen Umsatzes durch Betrug (siehe hier). Dieses Risiko wird durch neue digitale Plattformen und E-Commerce weiter verschärft.
Betrug von innen
Das Betrugsrisiko durch Fremde wird durch das Risiko, dass eigene Beschäftigte das Unternehmen schädigen, verschärft. Hier liegen verlässliche Schätzung vor. Weltweit dürften etwa 5 bis 7% aller Beschäftigten in irgendeiner Form betrügerische Handlungen gegen ihr eigenes Unternehmen begehen (vgl. etwa Association of Certified Fraud Examiners 2022 Report to the Nations, siehe hier). Das betrügerische Verhalten am Arbeitsplatz kann von Vermögensunterschlagung über Korruption bis hin zu Finanzbetrug reichen.
Interessant ist, dass etwa ein Drittel der Betrugsfälle von Führungskräften begangen werden, wobei diese Fälle typischerweise länger andauern und durchschnittlich höhere finanzielle Schäden verursachen.
Spannend ist das typische Täterprofil. Statistisch gesehen sind die meisten Betrüger
- männlich
- zwischen 35 und 45 Jahre und
- häufiger in der mittleren oder oberen Führungsebene
- in Vertrauenspositionen zu finden (siehe hier).
Dass die Täter Führungskräfte sind, hängt mit ihren Möglichkeiten, Entscheidungen zu manipulieren und über Mittel unrechtmäßig zu verfügen, zusammen. Dass sie eine Vertrauensposition innehaben, ist hingegen als „Wurzelmangel“ einzuordnen, zumal das (später enttäuschte) geschenkte Vertrauen in der Regel der Ausgangspunkt des späteren Übels ist. Ohne dieses Vertrauen würde die dem Betrug innewohnende Täuschung des Opfers nicht möglich sein.
Zusammengefasst zeigt das Täterprofil häufig eine Mischung aus Vertrauensstellung, finanziellen Schwierigkeiten und der Fähigkeit, das interne Kontrollsystem zu umgehen oder zu manipulieren.
Der Volksmund weiß: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ – Wenn aber die internen Kontrollsysteme und Compliance-Management-Systeme (wie Vieraugenprinzip bei der Rechnungsfreigabe sowie geregelte Abläufe zur Entscheidungsfindung und zur Dokumentation uvm.) durch Personen, die mit hohem Vertrauen ausgestattet sind, umgangen werden, versagt selbst die beste Prävention. Das geschenkte Vertrauen, das eine Kontrolle verzichtbar erscheinen lässt, ist also die Wurzel des Übels. Sich das bewusst zu machen, ist ein wichtiger Schritt, um Betrug vermeiden zu können. Einschränkungen der Alleinverfügungsmacht, längere Urlaube und Absenzen (wie Sabbaticals), erzwungene Jobrotationen, wo uneingeweihte Dritte die Position übernehmen, helfen unter anderem zur Risikoreduktion.
Betrug in der Gründungsphase und Frühphase von Start-ups
Auch in der Gründungsphase und Frühphase von Start-ups ist das geschenkte Vertrauen die Wurzel des Übels.
Statistiken über Betrug in der Gründungsphase eines Unternehmens sind rar. Der Fokus der verfügbaren Studien liegt auf anderen Gründen für das Scheitern von Start-ups, wie zum Beispiel Cashflow-Problemen oder fehlendem Marktbedarf. In der Praxis ist zu beobachten, dass gerade in der Frühphase von Start-ups ein besonders hohes Risiko für Betrug besteht. Das hat zwei – spiegelbildliche – Seiten und zwei Gründe.
Erstens fehlen zu Beginn die Kontrollsysteme, die in einer späteren Unternehmensphase eines gut geführten Unternehmens in der Regel implementiert sind.
Zweitens besteht in dieser Phase in der Regel ein enormer Vertrauensvorschuss. Geschäftsgründer befinden sich in der Anfangsphase in einer Aufbruchsstimmung (siehe oben zur „Honeymoon Phase“ unter Geschäftspartnern), wo das Vertrauen besonders groß ist.
Für professionelle Hochstapler ist das eine ideale Voraussetzung für leichte Beute. Daher sind begüterte Gründer im Fadenkreuz von gezielt agierenden Betrügern, die sich nach monatelangem Studium ihres Opfers an dieses heranmachen und in der Folge dessen Vertrauen und Schwächen (Leidenschaften) ausnutzen.
Dazu kommt, dass die Gelegenheit Diebe macht. Da Kontrollsysteme in der Gründungsphase oft fehlen, kommt es auch vermehrt zu Gelegenheitsverbrechen. Start-ups sind daher doppelt gefährdet.
Dabei begünstigt das in der Start-up-Kultur kultivierte „Fake it till you make it“-Prinzip beides: den Betrug an den potentiellen Investoren und den Betrug an den Gründern.
Die Analyse fällt mit Hilfe des sogenannte Betrugsdreiecks (siehe Abb. 1) leicht.
Betrug an Investoren durch Gründer
Gründer stehen oft unter enorm großem Druck, Investorengelder einzuwerben. Sie müssen diese überzeugen, sonst verlieren sie ihr eigenes Investment und auch das aller anderen aktuellen Investoren. Der Insolvenzdruck schwebt wie ein Damoklesschwert von einer Finanzierungsrunde zur nächsten bedrohlich über ihnen. Dieser Druck kann dazu führen, dass Gründer gegenüber potentiellen Investoren falsche Angaben machen, um ihre Unternehmen attraktiver zu präsentieren.
Institutionelle Investoren, die die Möglichkeiten einer professionellen, ausgefeilten Due-Diligence-Prüfung nutzen können, genießen hier besseren Schutz.
Heikler ist die Situation für Investoren, die sich eine professionelle rechtliche und wirtschaftliche Due-Diligence nicht leisten können oder wollen, etwa weil der Aufwand bei kleineren Investments verhältnismäßig hoch ist, oder durch das erzeugte Vertrauen des Vertriebspersonals davon abhalten beziehungsweise durch hohe Renditeversprechen blenden lassen. In diesen Fällen wären Investoren gut beraten, das Investment wie Spielgeld fürs Casino zu betrachten, das auf eine einzige Zahl gesetzt wird. Wer sich dieses hohe Risiko nicht leisten kann oder will, sollte sein Geld konservativer veranlagen.
Betrug an Gründern durch Gründer
Neben dem Betrug an potentiellen Investoren (Anlegerbetrug) ist das Einschleichen der Unredlichen zu Lasten der redlichen Gründer ein weit verbreitetes Phänomen. Gerade integre Gründer fallen der „Fake it“-Haltung mancher Individuen, die sich in der Gründerszene breitmachen, zum Opfer.
Wie kann das sein?
In der Praxis ist zu beobachten, dass sich in der vergleichsweise „lockeren“ Gründerszene vermehrt Menschen einschleichen, die im Volksmund als „Hochstapler“ oder „Conman“ bezeichnet werden. Die Beschreibung dieses Verbrechertyps gibt bereits die Antwort auf die gestellte Frage:
Beschreibung von „Hochstapler“
KI (ChatGPT) beschreibt den Hochstapler wie folgt (siehe auch hier): Hochstapler finden immer wieder neue Opfer, weil sie oft sehr geschickt im Manipulieren von Menschen sind und bestimmte Schwächen oder Bedürfnisse ihrer Opfer ausnutzen. Es gibt einige Gründe, warum das funktioniert:
- Psychologische Manipulation: Hochstapler nutzen gezielt Emotionen, wie Gier, Angst oder Vertrauen aus. Sie bauen eine überzeugende Geschichte auf und wirken oft sehr charismatisch, so dass die Opfer leicht Vertrauen fassen.
- Wunsch nach Zugehörigkeit oder Erfolg: Viele Menschen sehnen sich nach sozialer Anerkennung, Reichtum oder Erfolg, was Hochstapler ausnutzen, indem sie unrealistische Versprechen machen. Opfer lassen sich von diesen Versprechen blenden und hinterfragen oft nicht kritisch.
- Wiederholungsmuster: Hochstapler verändern ihre Methoden ständig, um ihre Betrügereien zu verfeinern und sich neuen Situationen oder Technologien anzupassen. Sie lernen aus ihren früheren Erfahrungen und entwickeln ausgeklügeltere Taktiken.
- Opfer erkennen den Betrug zu spät: Oft merken Opfer erst, dass sie betrogen worden sind, wenn es zu spät ist. Die Scham zuzugeben, dass sie betrogen worden sind, hält sie oft davon ab, den Betrug zu melden, was es Hochstaplern erleichtert, weiterhin Opfer zu finden.
- Komplexität der Täuschungen: Viele Hochstapler verwenden sehr komplexe und ausgeklügelte Täuschungen, die schwer zu durchschauen sind. Sie nutzen gefälschte Dokumente oder arbeiten mit Komplizen, um ihre Geschichten glaubwürdig zu machen.
Diese Faktoren ermöglichen es Hochstaplern, trotz Aufklärung und Warnungen immer wieder neue Opfer zu finden.
Beschreibung von „Conman“
KI (ChatGPT) beschreibt den Conman wie folgt: Ein „Conman“ (kurz für „confidence man“, auf Deutsch: „Hochstapler“ oder „Betrüger“) ist eine Person, die durch Täuschung das Vertrauen ihrer Opfer gewinnt, um sie anschließend zu betrügen. Conmen nutzen psychologische Manipulationstechniken, um Menschen zu überlisten, indem sie sich als vertrauenswürdig oder kompetent darstellen, oft mit einer falschen Identität oder erfundenen Geschichten.
Typischerweise nutzen Conmen die Gutgläubigkeit, Gier oder das Bedürfnis der Opfer nach Erfolg, Liebe oder Zugehörigkeit aus. Beispiele für bekannte Conman-Taktiken sind „Ponzi-Schemata“, „Romance Scams“ und „Phishing“, wobei sie finanzielle oder materielle Vorteile aus ihren Opfern ziehen. Berühmte historische Conmen wie Charles Ponzi und Frank Abagnale zeigen, wie vielfältig ihre Methoden sein können.
Conmen operieren oft über lange Zeiträume, da sie ihre Opfer geschickt manipulieren, um das Misstrauen zu minimieren. Sie verlassen sich dabei auf eine Kombination aus Charisma, Lügen und Manipulation, um die Illusion von Glaubwürdigkeit aufrechtzuerhalten.
Täter-Opfer-Umkehr
In der Praxis ist ferner zu beobachten, dass sich Betrüger, denen das Handwerk gelegt wird, Schritt für Schritt als Opfer sehen. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber stetig. Je enger sich das Netz zuzieht, desto ausgeprägter fühlt sich der Betrüger als Opfer.
Aufgrund einer Kombination aus psychologischen Mechanismen, darunter auch die „Rechtfertigung“ (siehe dazu oben zum Betrugsdreieck), die sich die Täter für ihr unrechtes Handeln zurechtgelegt haben, neigen Betrüger dazu, sich als Opfer zu sehen, wenn sie ertappt werden. Hier sind einige Hauptgründe, die ChatGPT wie folgt zusammenfasst:
- Rationalisierung: Viele Betrüger verwenden Rationalisierungen, um ihre Handlungen zu rechtfertigen. Sie glauben, dass ihre Taten nicht wirklich falsch sind oder dass sie aufgrund äußerer Umstände keine andere Wahl hatten. Beispielsweise könnten sie denken: „Ich habe das Geld nur geliehen“ oder „Ich werde es zurückzahlen“. Wenn sie ertappt werden, halten sie an diesen Überzeugungen fest und sehen sich selbst als missverstanden oder unfair behandelt.
- Verleugnung und Selbsttäuschung: Betrüger entwickeln oft eine Form der „kognitiven Dissonanz“, bei der sie die Realität ihrer Handlungen leugnen, um ihr Selbstbild als ehrliche Menschen zu bewahren. Sie blenden die negativen Folgen ihrer Taten für andere aus und konzentrieren sich stattdessen auf ihre eigenen Entschuldigungen und Nöte.
- Viktimisierung durch Umstände: Viele Betrüger glauben, dass sie selbst Opfer ihrer Umstände sind, etwa durch finanzielle Not, Druck von außen oder mangelnde Chancen. Sie argumentieren, dass sie nur aus der Not heraus gehandelt haben und die eigentlichen Täter jene seien, die sie in diese Situation gebracht haben.
- Fehlgeleitetes Verantwortungsgefühl: Einige Betrüger fühlen sich als Opfer, weil sie glauben, dass ihre Opfer wissentlich ein Risiko eingegangen sind oder dass die Strafen, die sie erhalten, übermäßig hart sind. Sie könnten argumentieren, dass andere auch so gehandelt hätten, wenn sie in ihrer Situation gewesen wären.
Diese Mechanismen erleichtern es Betrügern, ihre Taten zu rechtfertigen und sich selbst als die eigentlichen Opfer darzustellen, selbst wenn sie den Schaden, den sie verursacht haben, bewusst ignorieren oder herunterspielen.
Schlussfolgerung für die Praxis
Wenn sich betrogene Gründer, Staatsanwälte und Richter die Beschreibungen von Hochstaplern und Conman sowie das Phänomen der Täter-Opfer-Umkehr bewusst vor Augen halten, so werden sie diese Aspekte in ihren Rechtsstreitigkeiten, regelmäßig wiederfinden.
In der Gründungsphase befindliche Geschäftsleute sollten sich ebenfalls mit diesem Täterprofil auseinandersetzen. Das Risiko ist gleich ernst zu nehmen, wie das Risiko, keinen Absatz für das Produkt oder keine weiteren Investoren zu finden. Das oben dargestellte, gesammelte Wissen sollte zum Einmaleins einer Gründung gehören. Das kann sie vor Schaden bewahren.
Beispiel aus der Praxis
Als illustres Beispiel sei hier eine Vorbereitungshandlung zum späteren Betrug an Gründern einer Aktiengesellschaft dargestellt. Mit Hilfe dieser Handlung verschaffte sich der mutmaßliche Betrüger (noch ist er nicht verurteilt) die Verfügungsmacht über eine Reihe von Supersportwagen, um seine künftigen Opfer über seine eigene Finanzkraft und erzielte Erfolge täuschen.
Hier ist zu sehen, wie es Flavio (Name geändert) bewerkstelligte, Reichtum (als sichtbares Zeichen seiner früheren Investmenterfolge) vorzuspiegeln.
Während eines Urlaubs gab sich Flavio als Förderer und Mäzen. Zu nächtlicher Stunde versprach er, Peters heiß ersehnte Karriere als Rennfahrer zu fördern und künftigen Reichtum als Flavios Finanzpartner in einer „gemeinsamen“ Gesellschaft. Im Gegenzug sollte Peter ihm – sofort – seine Supersportwagen zu Täuschungszwecken zu überlassen. Peter willigte ein. Schon am nächsten Tag präsentierte Flavio einen schriftlichen Vertrag, mit dem Peter seine Supersportwagen Flavio zum Gebrauch überließ. Der Zweck wurde im Vertrag auch festgehalten. Die Bestimmung liest sich wie folgt:
„Flavio und Peter verfügen über einen Fuhrpark an Sportwagen, vor allem Peter verfügt über mehrere Supersportwagen. Konkret geht es um folgende Fahrzeuge: Ferrari F40, F50, Pagani Zonda S Roadster, Porsche Carrera GT. Flavio wird diese Fahrzeuge nutzen, um XY voranzubringen. Hier ist gemeinsames Verständnis, dass Flavio kommunizieren kann, dass es gemeinsame beziehungsweise seine Fahrzeuge sind. Eine gegenteilige Darstellung darf durch Peter zu keiner Zeit gegenüber Dritten erfolgen, da es das, was im Finanzgeschäft am wichtigsten ist, den Ruf, nachhaltig schädigen würde.“
Die Umstände selbst hätten Peter irritieren sollen. „Vor allem“ Peter verfügt über mehrere Sportwagen, hätte die Alarmglocken aktiveren sollen. Das Ansinnen per se, mit fremdem Eigentum ahnungslose Dritte im Finanzgeschäft über die eigene Finanzkraft zu täuschen, hätte in Peter Misstrauen wecken sollen. Dass Flavio nicht in der Lage war, Peters Karriere als Rennfahrer zu fördern, überrascht rückblickend nicht. Dennoch ist es Flavio in einer einzigen Urlaubsnacht gelungen, Peter als Komplizen für die geplante Täuschung Dritter zu gewinnen. Nach 24 Stunden „Einsatz“ verfügte Flavio über Peters beeindruckenden Fuhrpark an Supersportwagen.
Flavio studiert seine Opfer im Vorfeld und weiß, wenn er sie anspricht, wo ihre „Schwächen“ liegen. Er versteht, die „richtigen Knöpfe“ bei seinen Opfern zu drücken, um sein Ziel zu erreichen. Hier erlag Peter den charismatisch präsentierten Zukunftsträumen von einer erfolgreichen Karriere als Rennfahrer und Reichtum als Flavios Finanzpartner.
Die Vorgangsweise funktioniert unter anderem, weil die gutgläubigen Opfer in der Regel im Umgang mit Betrügern unerfahren sind. So weiß der Volksmund auch nur den zu belächeln, der sich ein zweites Mal hinters Licht führen lässt: „Fool me once, shame on you, fool me twice, shame on me.“
Schlussfolgerungen für Richter
Der Aspekt, dass Betrüger überdurchschnittlich charismatisch und geschult sind, Vertrauen zu wecken, erschwert die zivile Anspruchsverfolgung. Während erfahrende Staatsanwälte entsprechend geschult sind, und – aus Erfahrung mit solchen Tätertypen – wissen, dass sie der Täter stets in ein Lügenkonstrukt einzulullen versucht, ist die Zivil- und Handelsgerichtsbarkeit weniger gut auf diese Art von Partei vorbereitet. Der Großteil aller Parteien in der Handelsgerichtsbarkeit ist nicht zuallererst „Betrüger“ von Beruf.
Richter in der Wirtschaftsgerichtsbarkeit sind daher gut beraten, sich bei Betrugsvorwürfen dieser Art mit dem Täterprofil auseinanderzusetzen (siehe dazu oben zu „Hochstapler“ und „Conman“) und die Glaubwürdigkeit der präsentierten Beweise vor diesem Hintergrund zu evaluieren. Dabei ist zu bedenken, dass die Geschädigten dank ihrer gefühlten „Naivität“ beziehungsweise ihres „blinden“ Vertrauens meist von Scham geprägt sind und der Weg in eine öffentliche mündliche Verhandlung peinlich ist und besonders schwerfällt.
Zudem erleichtert ein öffentlich ausgetragener Streit das Einwerben von Investorengeldern nicht unbedingt.
Der Ausschluss der Öffentlichkeit sollte in solchen Fällen daher wohlwollend erwogen werden.
Für Gründer und potentielle Gründer
Die nach Erkennen des Betrugs gefühlte Scham sollte das Opfer nicht von der Anspruchsverfolgung abhalten. Im Gegenteil: Hochstaplern kann das Handwerk nur durch Richterspruch gelegt werden. Sie selbst sehen sich bestenfalls als Opfer und haben nur selten ein Einsehen, dass die Tat gutzumachen ist. Nach dem Täterprofil sind sie notorische Wiederholungstäter. Sie machen immer weiter, auch wenn sie mit dem ergaunerten Vermögen bereits ein gutes Auskommen hätten.
Besser als nachträgliche Anspruchsverfolgung wäre gezielte Vorsicht in der Gründungsphase:
- Eine professionelle Due-Diligence des Geschäftspartners macht sich bezahlt. Wer darauf verzichtet, sollte die Finger vom Vorhaben lassen.
- Wichtige Entscheidungen immer überschlafen, mit unbefangenen Dritten in Ruhe besprechen und Berater hinzuziehen, wenn die eigene Kompetenz fehlt.
- Unter langjährigen Bekannten: Freundschaft und Geschäft professionell abgrenzen. Geschäftliches sollte so behandelt werden, wie wenn das Geschäft mit einem fremden Geschäftspartner abzuwickeln wäre. Gerade unter (vermeintlichen) Freunden genügt ein „Handschlag“ nicht, denn die gesunden Zweifel, die einem Fremden entgegengebracht werden, fehlen unter Freunden.
- Auf unterschriebene (!) Vereinbarungen darf nicht verzichtet werden. Entwürfe genügen nicht.
- Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser:
- Von Beginn an ein Vieraugenprinzip einführen, wobei das zweite Augenpaar nicht aus demselben Vertrauenskreis stammen darf.
- Kontrollmechanismen rasch ausbauen. Aus Selbstschutz sollte in Compliance und ein robustes IKS frühzeitig investiert werden.
- Von Beginn an ein Vieraugenprinzip einführen, wobei das zweite Augenpaar nicht aus demselben Vertrauenskreis stammen darf.
- Von Beginn an auf volle Transparenz im Gründerkreis setzen. Betrüger operieren mit Halbwahrheiten. Bei voller Transparenz engt sich der Spielraum für die Betrüger unbequem eng ein. Unter Umständen sucht er sich auch ein leichteres Opfer (siehe oben Betrugsdreieck – „Gelegenheit“).
Zusammenfassung
Zusammengefasst ist der Betrug im großen Stil verhältnismäßig gleich zu behandeln wie die Absicherung gegen den simplen Fahrraddiebstahl:
Wer in ein solides Schloss investiert und dieses mitführt, auch wenn es schwer und sperrig ist, und sich überdies Zeit fürs Versperren an einem passenden Ort (zum Beispiel einem Fahrradständer) nimmt, der wird vor Diebstahl eher gefeit sein.
Zweifelsohne sind die Absicherungsmaßnahmen lästig, aber ein „notwendiges Übel“.
Es gilt die gleiche Faustregel wie für zahnärztliche Kontrollen: „Vorbeugen ist besser als Heilen“. Der Ressourceneinsatz (Zeit und Geld), den die Prävention vor Betrug erfordert, erfordert ein Bruchteil dessen, was für die Rückerlangung von leichtfertig anvertrautem Vermögen einzusetzen ist. Der Weg zur Wiedergutmachung ist für Betrugsopfer steinig, steil und lang sowie von Rückschlägen und negativen Emotionen bis hin zu schlaflosen Nächten begleitet. Zeit, Geld und Nerven sind wertvolle Ressourcen, die zeitgleich beim Aufbau des Unternehmens fehlen könnten. Daher ist zu schlussfolgern: Die Beachtung der oben aufgelisteten Empfehlungen dient zuallererst dem Wohl des gemeinsamen Vorhabens und ist keineswegs verzichtbar.
Die Gründerszene sollte sich mit der Vermeidung der aufgezeigten Risiken deutlich mehr befassen. Die Investition von Geld und Zeit zur Absicherung gegen Betrug in der Start-up-Szene sollte eiligst zu den Best Practices gehören. ß


