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Prozesskostensicherheit im Eilrechtsschutz

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Nicht nur in Klageverfahren, auch in einstweiligen Verfügungs- oder Arrestverfahren stehen häufig hohe Kostenrisiken im Raum. Dieses Risiko trifft den Antragsgegner dann besonders hart, wenn der Antragsteller aus einem Staat stammt, mit dem kein Vollstreckungsabkommen besteht und in dem eine Vollstreckung von deutschen Titeln (nahezu) aussichtslos ist. Selbst bei ­Anträgen, die von vornherein unbegründet sind, läuft der Antragsgegner Gefahr, auf seinen Anwaltskosten sitzen zu bleiben. Grundsätzlich helfen für solche Fälle die Vorschriften über die Prozesskostensicherheit aus §§ 110 ff. ZPO weiter. Nach herrschender Meinung sind diese ­Vorschriften jedoch im Eilrechtsschutz aufgrund des dort geltenden, ­besonderen Beschleunigungsgebots nicht anwendbar und lassen den Antragsgegner hier schutzlos zurück.

Der folgende Beitrag zeigt eine Reihe von Argumenten auf, die im Einzelfall für eine Anwendbarkeit von Prozesskostensicherheit im einstweiligen Rechtsschutz sprechen.

Die Prozesskostensicherheit im Überblick

Nach § 110 Abs. 1 ZPO haben Kläger, die ihren gewöhn­lichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, auf Verlangen des Beklagten Prozesskostensicherheit zu leisten.

Liegen die Voraussetzungen vor, entscheidet das Gericht per Zwischenurteil und ordnet eine Sicherheitsleistung an, ­bestimmt deren Höhe nach freiem Ermessen sowie die Frist, binnen der die Sicherheit zu leisten ist. Dabei hat es zu ­berücksichtigen, welche Kosten voraussichtlich im Rahmen des Rechtsstreits entstehen werden, wobei nach der Rechtsprechung grundsätzlich alle denkbaren Kosten in Ansatz zu bringen sind.

Die Vorschriften zur Prozesskostensicherheit bezwecken, den obsiegenden Beklagten vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs im Ausland zu bewahren, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der EU oder des EWR auftreten. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn zwischen Deutschland und dem betreffenden Ausland kein Vollstreckungsabkommen besteht, die Gegenseitigkeit bei der Anerkennung und Vollstreckung nicht verbürgt ist und mithin die Gefahr besteht, dass ausländische Gerichte die Kostenentscheidung deutscher Gerichte nicht anerkennen, wie dies beispielsweise bei chinesischen Gerichten zu befürchten ist.

Das einstweilige Verfügungsverfahren

Einen Antrag auf einstweilige Verfügung nach § 935 ZPO kann eine Partei vor deutschen Gerichten stellen, um ­damit die schnelle vorläufige Sicherung von Rechten beziehungsweise die Regelung von Rechtsverhältnissen herbeizuführen, da ein reguläres Klageverfahren auf Grund seiner ­Dauer im Fall der Dringlichkeit keinen effektiven Rechtsschutz ­gewährleisten würde. Einen Kostenvorschuss muss der ­Antragsteller hierzu nicht stellen.

Über das Verfügungsgesuch entscheidet das für die Hauptsache zuständige Gericht entweder nach mündlicher Verhandlung durch Urteil oder im Beschlussweg. In dringenden Fällen sowie dann, wenn der Antrag zurückzuweisen ist, kann die Entscheidung innerhalb weniger Tage und ohne mündliche Verhandlung ergehen. Hat das Gericht Zweifel oder hätte die einstweilige Verfügung schwerwiegende Folgen für den Antragsgegner, wird das Gericht regel­mäßig eine mündliche Verhandlung anberaumen; im Übrigen findet eine mündliche Verhandlung nur statt, wenn ein ­Widerspruch gegen einen bereits erlassenen stattgebenden Beschluss erfolgt.

Anwendbarkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren wird mehrheitlich abgelehnt

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die ­Regelungen zur Prozesskostensicherheit auf das einstweilige Verfügungsverfahren entsprechend anwendbar sind, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt, jedoch mehrheitlich abgelehnt. Eine höchstrichterliche Entscheidung existiert bislang nicht.
Dem Wortlaut nach sind die Vorschriften zur Prozess­kostensicherheit auf Rechtsschutzgesuche, die nicht die Form der Klage vorsehen, streng genommen nicht anwendbar, da hier ausdrücklich nur von „Klägern“ die Rede ist.

Die herrschende Meinung, die sich zudem gegen eine entsprechende Anwendbarkeit ausspricht, argumentiert damit, dass mit dem Antrag auf Kostensicherheit praktisch immer eine Verzögerung einhergehe. Dies gilt insbesondere dann, wenn Grund oder Höhe einer beantragten Prozesskosten­sicherheit streitig sind. Diese Verzögerung sei mit dem besonderen Eilcharakter des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und dem grundrechtlich geschützten Recht auf effizienten Rechtsschutz nicht vereinbar. Der Schutz des Antragsgegners sei überdies ausreichend gesichert, da es im Ermessen des Gerichts stehe, die Vollziehung der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung des Antragstellers abhängig zu machen.

Gute Argumente sprechen für einzelfallbezogene Anwendbarkeit im Eilverfahren

Indes greift gerade letzteres Argument nicht, wenn der ­Antrag von vornherein unbegründet ist. Es sprechen gute Argumente für die Anwendung der Prozesskostensicherheit im einstweiligen Verfügungsverfahren. Dabei ist in jedem Einzelfall stets das Beschleunigungsinteresse des Antrag­stellers einerseits und das Sicherungsinteresse des Antragsgegners andererseits in den Blick zu nehmen.

Anwendbarkeit ist dem Gesetz nach nicht ausgeschlossen

Zunächst ist der strengen ablehnenden Ansicht entgegenzuhalten, dass der einstweilige Rechtsschutz in der abschließenden Aufzählung der Ausschlussgründe in § 110 Abs. 2 ZPO nicht genannt und die entsprechende Anwendbarkeit der Regelungen nach der Gesetzessystematik mithin nicht ausgeschlossen ist.

Entsprechend hat der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich die analoge Anwendung der Vorschriften auch in Verfahren bei Antrag auf Vollstreckbarerklärung von ausländischen Schiedssprüchen anerkannt (BGH, ­Beschluss vom 12.01.2023 – I ZB 33/22). Es komme darauf an, ob Sinn und Zweck des Verfahrens für oder gegen eine analoge Anwendung der Vorschriften sprechen. Der strengen Ansicht, die eine Analogie der §§ 110 ff. ZPO grundsätzlich ausschließen will, hat der BGH damit eine Absage erteilt.

Interessenlage ist vergleichbar

Zudem spricht der hinter der Prozesskostensicherheit ­stehende Schutzgedanke für die Anwendbarkeit der Regelungen, denn die Interessenlage des Antragsgegners im Eilrechtsschutz ist mit der eines Beklagten im Klageverfahren vergleichbar. Auch der Antragsgegner im einstweiligen Verfügungsverfahren hat für den Fall des Obsiegens in Bezug auf die Vollstreckbarkeit seines Kostenerstattungsanspruches, der seine eigenen Anwaltskosten und Aufwendungen umfasst, ein gesteigertes Sicherungsinteresse.

Diesem Sicherungsinteresse wird auch eine nachträgliche Sicherheitsleistung vor Vollziehung einer ergangenen einstweiligen Verfügung nicht gerecht, da diese nicht die Kosten des Antragsgegners umfassen kann, wenn sich ein Anwalt zur Verteidigung gegen den Antrag bestellt und es nicht zum Erlass einer einstweiligen Verfügung kommt. Vielmehr wäre hier nur der Fall eines erfolgreichen Widerspruchs erfasst.

Hohes Missbrauchspotential – Schutzbedürfnis besteht „erst recht“

Ferner droht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ein hohes Missbrauchspotential, wenn ausländische Unternehmen mit verhältnismäßig geringem Aufwand und der Aussicht auf eine schnelle gerichtliche Entscheidung etwaige missbräuchliche Anträge stellen können, ohne sich dabei im Einzelfall einem Vollstreckungsrisiko bezüglich der Kosten ausgesetzt zu sehen. Dies gilt im einstweiligen Rechtsschutz umso mehr, als dass der Antragsteller dort anders als im Klage­verfahren aufgrund der Eilbedürftigkeit nicht zur ­Einzahlung eines Vorschusses zur Deckung der Gerichtskosten verpflichtet und die Hemmschwelle entsprechend niedrig ist.

Mündliche Verhandlung oder lange Fristen lassen Beschleunigungsinteresse zurücktreten

Daneben tritt folgende Erwägung, mit der auch die Mindermeinung in der Rechtsprechung argumentiert: Zwar darf eine gerichtliche Entscheidung durch das Verlangen nach ­einer Prozesskostensicherheit nicht unzumutbar zu Lasten des Antragstellers hinausgezögert werden. Sofern das ­Gericht im Eilrechtsverfahren aber beispielsweise eine mündliche Verhandlung anberaumt, verzögert sich die ­gerichtliche Entscheidung ohnehin und das Beschleunigungsinteresse des Antragstellers tritt hinter das Sicherungsinteresse des Antragsgegners zurück. In diesem Fall wird dies auch von weiten Teilen der Rechtsprechung bereits so gesehen und findet im oben zitierten Beschluss des BGH ebenfalls Bestätigung.

Bei Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gewinnt das Sicherungsinteresse des Antragsgegners zudem insofern an Bedeutung, als dass sich in diesem Fall die ihm bei Obsiegen zu erstattenden anwaltlichen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz um eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 erhöhen.
Aber es mag auch andere Fälle geben, in denen das Beschleunigungsinteresse ersichtlich zurücktritt. So kann es Fälle geben, in denen ohnehin eine längere Stellungnahmefrist gesetzt ist oder es dem Antragsteller auf eine Entscheidung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ankommt, der zwar mit einem Klageverfahren realistisch nicht erreichbar ist, aber dennoch weiter in der Zukunft liegt.

Sicherheit ist in kurzer Zeit realisierbar

Des Weiteren ist die Stellung einer Sicherheit heutzutage auch innerhalb kurzer Zeit, jedenfalls aber innerhalb von zwei Wochen, beispielsweise durch eine Bankbürgschaft oder die Hinterlegung von Geld realisierbar. Setzt das Gericht eine mündliche Verhandlung an oder gewährt dem Antrags­gegner eine Fristverlängerung zur Erwiderung, könnte die Stellung der Sicherheit in der Zwischenzeit praktisch realisierbar und dem Antragsteller mithin zumutbar sein. Ob durch die Sicherheitsleistung tatsächlich eine Verzögerung eintritt, ist daher abhängig von den Umständen des Einzelfalls zu bewerten.

Anwendbarkeit im Urkundenprozess anerkannt

Die Anwendbarkeit der Prozesskostensicherheit ist weiterhin auch im Urkundenprozess anerkannt. Dessen Ziel und die Interessenlage der Beteiligten sind dabei mit denen im einstweiligen Rechtsschutz vergleichbar. Auch der Urkunden­prozess soll dem Kläger durch Beschränkung der Beweis­mittel in beschleunigter Form zu einem vollstreckungsfähigen Titel verhelfen, sodass sich dort ebenso das Beschleunigungsinteresse und das Sicherungsinteresse der Beteiligten gegenüberstehen. Zu beachten ist jedoch, dass im Urkundenprozess – anders als im Eilrechtsschutz – standardmäßig eine mündliche Verhandlung stattfindet.

Verzögerung nach BGH auch in anderer Hinsicht zumutbar

Ferner hat der BGH entschieden, dass im einstweiligen Verfügungsverfahren auch die Vorschriften über das ­Zwischenverfahren zwecks Rechtswegbestimmung nach § 17a Abs. 2 ff. GVG trotz der damit verbundenen Verzögerungen uneingeschränkt anzuwenden sind und der Eilcharakter ein Abweichen hiervon nicht rechtfertigt. Entscheidend sei ­dabei, dass eine gerichtliche Entscheidung nicht unzumutbar zulasten des Antragstellers hinausgezögert wird. Gleiches müsste daher auch für das Verlangen nach Kostensicherheit gelten.

Fazit

Wie aufgezeigt, ist eine differenzierende Handhabung der Prozesskostensicherheit im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens angebracht. Dabei ist eine Einzelfallbetrachtung unabdingbar, wobei stets das Sicherungs­interesse des Antragsgegners einerseits und das Beschleunigungsinteresse des Antragstellers andererseits gegeneinander abzuwägen sind. Dabei ist stets die Frage zu stellen, ob die gerichtliche Entscheidung durch das Verlangen nach einer Prozesskostensicherheit unzumutbar zulasten des Antragstellers hinausgezögert wird. Sofern aber etwa eine mündliche Verhandlung anberaumt wird oder sich eine Verzögerung anderweitig ausschließen lässt, sprechen – vorbehaltlich etwaiger Besonderheiten des Einzelfalls – gute Argumente für die Zumutbarkeit einer Sicherheitsleistung.

 

stephanie.quass@luther-lawfirm.com

katharina.klenk@luther-lawfirm.com