Unternehmen müssen sich derzeit besonders mit Handelsbeschränkungen (z.B. Sanktionen) und -hemmnissen (z.B. Zöllen) auseinandersetzen. Die im Laufe dieses Jahres von den USA eingeführten Zölle stellen viele Unternehmen vor komplexe (Rechts-)Fragen. Gleiches gilt für die aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängten Sanktionen oder Handelsbeschränkungen, die aufgrund der globalen Covidpandemie eingeführt wurden.
Sanktionen und Zölle sind oft die Ursache von Leistungsstörungen bei internationalen Vertragsverhältnissen. Sanktionen können etwa in Form von Einfuhr- und Ausfuhrverboten verhängt werden. Als Konsequenz kann eine der Vertragsparteien ihre Hauptleistungspflicht nicht oder nur verspätet erfüllen. Hohe nachträglich eingeführte Zölle können zu einer wesentlichen Störung des Äquivalenzverhältnisses führen. Eine Partei könnte in der Folge beabsichtigen, sich aus dem Vertrag zu lösen. Es stellt sich auch die Frage, wer die Zölle letztlich monetär tragen muss.
Sofern Handelsbeschränkungen- oder -hemmnisse das Bestehen oder den Wert von Auslandsinvestitionen nachhaltig und wesentlich beeinträchtigen, können Investoren auch Ansprüche nach völkerrechtlichen Investitionsschutzverträgen prüfen.
Wer trägt die Zölle im Handelsverkehr?
Wer die anfallenden Zölle, Steuern und andere öffentliche Abgaben zu tragen hat, richtet sich nach dem Vertrag und, sofern keine Regelung getroffen wurde, nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht. Bei internationalen Warenlieferungen treffen die Parteien meist eine vertragliche Regelung, wobei oft auf INCOTERMS Bezug genommen wird. Bei den INCOTERMS handelt es sich um weltweit anerkannte, standardisierte Klauseln, welche im internationalen Handel die Risiko- und Kostentragung regeln. Die INCOTERMS werden von der Internationalen Handelskammer (ICC) herausgegeben und regelmäßig aktualisiert.
Nach zehn von elf Klauseln der INCOTERMS 2020 trägt der Käufer die Kosten für die Einfuhr, einschließlich der Zölle (siehe hier). Lediglich nach DDP (Delivered Duty Paid bzw. geliefert verzollt) hat der Verkäufer alle Gefahren und Kosten der Lieferung der zur Einfuhr freigemachten Ware bis zu diesem Ort einschließlich Zölle, Steuern und andere Abgaben zu tragen. Allerdings wird die DDP-Klausel für grenzüberschreitende Lieferungen in viele Länder (z.B. Großbritannien, Japan oder Mexiko) nicht empfohlen. Die Behörden dieser Länder verlangen, dass ein inländisches Unternehmen die erforderlichen Steuer- und Zollerklärungen vorzunehmen hat, zum Beispiel Mehrwertsteueranmeldungen oder Einfuhrzollabfertigungen. Dafür wird oft ein inländischer Sitz bzw. eine Niederlassung verlangt, weshalb für diesen Fall empfohlen wird, eine abweichende Vereinbarung zu treffen oder überhaupt eine andere Klausel zu wählen (siehe hier). Überwiegend werden Kosten für Zölle vom Käufer getragen.
Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Zölle den Preis von Produkten in internationalen Lieferketten über mehrere Stationen massiv verteuern können. Oftmals kann dann der (Weiter-)Verkäufer in einer Lieferkette nicht zum vereinbarten Preis liefern bzw. eine Lieferung zum vereinbarten Kaufpreis stellt sich als verlustbringend heraus. Sofern für diesen Fall nicht vertraglich vorgesorgt ist, sind Leistungsstörungen und einseitige Vertragsauflösungen eine häufige Konsequenz von Zöllen, welche auch in der internationalen Streitlösungspraxis ihren Niederschlag finden.
Nachträgliche Vertragsanpassung?
Zur Vorbeugung von wirtschaftlich nicht oder nur mehr unvertretbar zu erfüllenden Verträgen enthalten internationale Verträge oft Regelungen und Mechanismen zur Risikotragung und Anpassungen bei einer nachträglichen Änderung der Umstände. Bei Abschluss des Vertrages sollten die Vertragsparteien daher erwägen, Zölle und Sanktionen ausdrücklich als solche Umstände zu benennen.
Sogenannte Force-Majeure-Klauseln bzw. im deutschsprachigen Raum auch oft „Höhere-Gewalt-Klauseln“ genannt, dienen der Risikoverteilung bei Ereignissen, die außerhalb der Kontrolle der Parteien liegen und die Erfüllung eines Vertrages verhindern oder beeinträchtigen. Die Ereignisse, für jene die Berufung auf höhere Gewalt zulässig ist, werden in den Klauseln häufig in einer Aufzählung genannt (z.B. „Krieg“, „Währungs- und Handelsbeschränkungen, Embargo, Sanktionen“; „Befolgung von Gesetzen oder Regierungsanordnungen“). Zusätzlich findet sich häufig ein Auffangtatbestand in der Klausel. Wenn ein solches Ereignis eintritt, ist die Partei, die davon betroffen ist, oft vorübergehend von ihrer Leistungsverpflichtung befreit. Bei längerer Verhinderung wird ihr zumeist ein Kündigungsrecht eingeräumt.
Die Musterklausel der Internationalen Handelskammer für Höhere Gewalt (siehe hier) ist eine hilfreiche Leitlinie für die Verfassung solcher Klauseln. Ob Zölle und Sanktionen von der Force-Majeure-Klausel erfasst sind, ist bei nicht ausdrücklicher Nennung mittels Auslegung zu ermitteln. Eine ausdrückliche Regelung ist daher empfehlenswert.
„Hardship“-Klauseln sind enger und erfassen Ereignisse, die das Äquivalenzverhältnis grundlegend verändern und dazu führen, dass die Leistungen in einem krassen Missverhältnis zueinanderstehen. Die nachträgliche Einführung von sehr hohen Zöllen könnte im Einzelfall, je nach dem Wortlaut der Klausel, einen solchen Fall darstellen.
Beim Unternehmenskauf und bei Joint-Venture-Verträgen sind auch „Material Adverse Change“-Klauseln (MAC-Klauseln) üblich. Diese gewähren einer Vertragspartei ein Rücktrittsrecht bei wesentlichen nachteiligen Veränderungen. Die Auswirkungen hoher Zölle könnten den Tatbestand einer solchen Klausel je nach Wortlaut im Einzelfall erfüllen.
Es empfiehlt sich, bei den oben genannten vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten, mögliche Szenarien konkret im Vertrag zu benennen. Ohne vertragliche Regelung muss auf die gesetzlichen Regelungen zurückgegriffen werden. Das deutsche BGB enthält eine Regelung zum Wegfall der Geschäftsgrundlage. Auch im österreichischen Recht ist dieses Institut anerkannt. Allerdings wenden die Gerichte einen strengen Maßstab an. Es ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die Einführung von hohen Zöllen oder Sanktionen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führt.
Wenn das UN-Kaufrecht anwendbar ist, kommt Artikel 79 UN-Kaufrecht zur Anwendung. Demnach hat eine Partei dann nicht für die Nichterfüllung einzustehen, wenn die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und es von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluss in Betracht zu ziehen, ihn oder die Folgen zu vermeiden bzw. zu überwinden.
Um die Geschäftsbeziehung längerfristig zu erhalten, kann es auch empfehlenswert sein, den Vertrag neu zu verhandeln, sofern hier Bereitschaft besteht. Im Einzelfall kann nach dem anwendbaren Recht auch eine Pflicht zur Neuverhandlung bei gravierenden wirtschaftlichen Änderungen gegeben sein.
Vorteile von Schiedsverfahren bei internationalen Verträgen
Im Falle von Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmen über die Handhabung von Sanktionen und Zöllen empfiehlt sich die Vereinbarung eines internationalen Schiedsgerichts. Schiedsrichter mussten sich in den letzten Jahren regelmäßig mit den Auswirkungen von Sanktionen und Handelshemmnissen befassen. Internationale Schiedsrichter haben daher in der Regel große Expertise in der rechtlichen Beurteilung von Handelshemmnissen und deren wirtschaftlichen Auswirkungen.
Zudem sind Schiedsverfahren in der Regel vertraulich. Sensible Fragen der Preisanpassung, welche fast immer auch die Offenlegung von Preiskalkulationen und Einkaufspreisen umfassen, können so vertraulich unter Ausschluss der Öffentlichkeit (und der Konkurrenz) verhandelt werden.
Sanktionen werden in dem Staat, der sie erlässt, regelmäßig als Fragen des ordre public angesehen, weshalb eine Nichtbeachtung ein Vollstreckungshindernis ist. Der sanktionierte Staat wird wiederum seine eigenen Gegenmaßnahmen als ordre public ansehen und eine Befolgung der Sanktionen verbieten. Für betroffene Unternehmer bedeutet dies, dass eine Vollstreckung von Entscheidungen schwieriger wird, weil potentiell weniger Vollstreckungsstaaten zur Verfügung stehen. Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit bietet zumindest insofern Abhilfe, als das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 von fast allen Staaten ratifiziert wurde und eine Vollstreckung (zumindest potentiell) in sehr vielen Staaten möglich ist. Den Auswirkungen von Sanktionen auf die Vollstreckung kann man so allenfalls leichter entgehen.
Internationale Handelsbeschränkungen und Investitionsschiedsverfahren
Viele Staaten haben bilaterale Investitionsschutzverträge (Bilateral Investment Treaties, BITs) oder multilaterale Investitionsschutzabkommen abgeschlossen (allgemein Investor-State Dispute Settlement, ISDS). Auch Handelsabkommen enthalten oft Kapitel zum Investitionsschutz. Diese schützen Auslandsinvestitionen durch völkerrechtliche Schutzstandards (z.B. Schutz vor entschädigungsloser Enteignung, fair and equitable treatment, Schutz vor Diskrimination etc.). Im Fall einer Verletzung durch einen Vertragsstaat kann das betroffene Unternehmen einen solchen Anspruch in der Regel in einem Schiedsverfahren durchsetzen.
Sofern Sanktionen und Zölle nicht von der Anwendung von ISDS ausgenommen sind, könnten sie enteignungsgleiche Maßnahmen darstellen, wenn die betroffene Eigentumsposition nachhaltig und in der Substanz entzogen wird. Wirken sich Maßnahmen nur auf Auslandsinvestitionen aus, ist eine Verletzung des Grundsatzes des „fair and equitable treatment“ möglich, der unter anderem legitime Erwartungen des Investors und die Bestandskraft von Verwaltungsentscheidungen schützt. Investitionsschutzverträge verbieten oft auch willkürliche oder diskriminierende Maßnahmen.
Sanktionen und Zölle könnten allenfalls auch die Meistbegünstigungsklausel (Most Favoured Nation Clause) verletzen, die häufig in Investitionsschutzverträgen oder Handelsabkommen zu finden ist. Sie verlangt, dass die Vertragsstaaten des Investitionsschutzabkommens Investoren nicht weniger günstig behandeln als Investoren anderer Staaten (siehe hier).
Ein Beispiel eines mit Handelsbeschränkungen befassten Investitionsschiedsverfahrens ist ein im Dezember 2024 gegen Tunesien eingeleitetes, noch anhängiges ICSID-Schiedsverfahren eines italienischen Sandproduzenten unter dem Tunesien-Italien BIT von 1985. Der Investor reklamiert in diesem Verfahren, dass der tunesische Staat Ausfuhrzölle massiv erhöht und die tunesischen Zollbehörden Zölle willkürlich angewendet, Geldstrafen verhängt, und Ausfuhren blockiert hätten. Dies habe zu einer Schließung der Abbaustätten des Investors in Tunesien geführt (siehe hier).
Angesichts der derzeitigen enormen Erhöhungen von Zöllen und anderen Handelshemmnissen erscheint es wahrscheinlich, dass in Zukunft eine Vielzahl ähnlicher Streitigkeiten vor Schiedsgerichten verhandelt werden.
Fazit
Handelsbeschränkungen und Zölle sind nicht neu, gewannen in letzter Zeit aber stark an Bedeutung. Unternehmen, die im internationalen Handel und in internationalen Lieferketten tätig sind, sollten in ihren Verträgen klare Regelungen für Zölle und andere Handelshemmnisse vorsehen, insbesondere wenn diese die wirtschaftliche Ausgewogenheit von Verträgen aushebeln können. Die Vereinbarung eines Schiedsgerichts bewährt sich auch zur Lösung von Vertragsstreitigkeiten, die Ihren Ursprung in Zöllen und anderen Handelshemmnissen haben.



