DisputeResolution ist eine Publikation der Produktfamilie Deutscher AnwaltSpiegel

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Aktuelle Ausgabe

Strategies for Success: Forensics, Litigation and Arbitration

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Mit einem fantastischen Ausblick auf das vorfrühlingshaft belebte Mainufer fand am Nachmittag des 29.02.2024 der erste AnwaltSpiegel-Roundtable des Jahres unter dem Titel „Strategies for Success: ­Forensics, Litigation and Arbitration – Hot topics in 2024“ im Westhafen Tower in Frankfurt am Main statt. Gemeinsam mit dem langjährigen Kooperations­partner Accuracy ­präsentierten F.A.Z. Business Media und die Produkt­familie Deutscher AnwaltSpiegel eine Plattform für Entscheidungsträger aus internationalen Unternehmen, um sich mit hoch­karätigen Referenten aus Kanzleien und Beratungsunternehmen sowie führenden Praktikern aus Rechts- und Compliance­abteilungen auszutauschen. Die Gast­ge­ber Prof. Dr. Thomas ­Wegerich (Herausgeber, ­Deutscher ­AnwaltSpiegel) und ­Guido Althaus (Partner, Accuracy) freuten sich in ihrer Begrüßung sehr ­darüber, dass knapp 80 Unternehmensvertreter und Fachkollegen den Weg in die Finanz­metropole fanden, die künftig auch Sitz der EU-Geldwäschebehörde AMLA sein wird.

Nachdem die letzte gemeinsame Veranstaltung mit Accuracy vor fast genau vier Jahren die Frage behandelt hatte, wie mit Hilfe neuer Technologien die aktuellen Herausforderungen für Recht und Compliance adressiert werden können (zum Programm), war es spannend zu erfahren, welche Schwierigkeiten Unternehmen, Kanzleien und Beratungsfirmen seit der Covid-19-Pandemie und dem Angriff Russlands auf die Ukraine zu bewältigen haben.

Commercial Diplomacy – Kollaborative Schlichtung bei komplexen Infrastrukturprojekten

Im ersten Panel mit dem Titel „Commercial Diplomacy – Collaborative Settlements in Complex Infrastructure Projects“ diskutierte Richard Scott (Partner, Accuracy, London) mit erfahrenen Spezialisten aus den Bereichen Litigation und Arbitration, wie Streitigkeiten in Zusammenhang mit komplexen Infrastrukturprojekten auf eine strukturierte und standardisierte Weise beigelegt werden können. Seine ­Gesprächspartner waren Dr. Ulrich Hagel, Chief Com­pliance and Security Officer und Global Head of Litigation bei ­ALSTOM (früher Bombardier Transportations), Dr. André Körtgen, General Counsel, Vice President of Legal and Contracts und Chief Compliance Officer bei Thales Deutschland, und Dr. Alexander Steinbrecher, LL.M., Chefjustiziar und Stabsabteilungsleiter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), sowie Dr. Christian Knütel, Partner für Gesellschafts- und Finanzrecht bei Hogan Lovells in Hamburg.

Die engagierte Diskussion konzentrierte sich auf die Herausforderungen, denen die Experten bei ihren technisch und kommerziell anspruchsvollen Projekten begegnet sind und was man aus ihnen lernen kann. Es ging z.B. um überzogene Forderungen, verlängerte Ausführungszeiten (Extension of Time, EOT) oder kulturelle Differenzen zwischen den Beteiligten, die wiederum zu hohen Kosten, Mangel an Objektivität und langen Zeiträumen für die Streitbeilegung führen und das Management und die Projektteams von ihren ­eigentlichen Aufgaben ablenken. Die Unvorhersehbarkeit des Ausgangs erschwert zudem eine langfristige Vorausplanung.

Um die Parteien wieder an einen Tisch zu bringen und mehr Transparenz in den Konflikten zu gewährleisten, erweist sich ein strukturierter und kollaborativer Ansatz, die Klärung der Bedingungen für Dispute-Resolution bereits auf Vertrags­ebene sowie die Einbeziehung objektiver und externer Expertise – z.B. ein Dispute Adjudication Board (DAB) – als geeignete Herangehensweise, die den größten Erfolg für eine Einigung verspricht. Eine strukturierte Schlichtung beinhaltet dabei ein vorab vereinbartes Set von Standards und Schritten, wie z.B. die Festlegung des Zeitplans, der Aufgabenbereiche sowie der Maßnahmen, die im Falle einer Abweichung ergriffen werden.

Data Analysis & Artifical Intelligence – Anwendung und Bedeutung für Compliance und Investigations

Das zweite Panel an diesem Nachmittag behandelte die ­Frage, welche Auswirkungen die Entwicklungen im Bereich der Datenauswertung und künstlichen Intelligenz auf Comp­lianceprogramme und interne Untersuchungen ­haben werden. Moderator Morgan Heavener (Partner, Accuracy, Paris) hatte dazu Dr. Hanno Hinzmann, Global Field Compliance Officer bei SAP, Dr. Michael Holzhäuser, Partner im ­Bereich Competition bei Ashurst in Frankfurt am Main, und ­Dr. ­Andrea Pomana, Partnerin in der Kartell- und Wett­bewerbsrechtspraxis bei Mayer Brown in Brüssel und Frankfurt am Main, auf dem Podium versammelt, um ihre einschlägigen Erfahrungen und Positionen darzulegen.

Die Diskussion beleuchtete, wie Regulierungsbehörden, insbesondere in den USA, von Unternehmen zunehmend erwarten, dass sie Datenanalytik in ihre Compliance- und Untersuchungsprozesse einbinden. So nutzt das US-Justizministerium (DOJ) die technischen Möglichkeiten, um Verstöße insbesondere im Zusammenhang mit dem Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) proaktiv zu identifizieren und zu verfolgen. Dr. Hanno Hinzmann erläuterte, wie es SAP gelang, das eigene Complianceprogramm zu verbessern, indem beispielsweise die Kapazität der Risikoanalyse auf 150 Länder erweitert wurde. Der deutsche Softwarekonzern hatte sich Anfang des Jahres gegen eine Zahlung von rund 220 Millionen US-Dollar mit den Behörden geeinigt, die Ermittlungen wegen Bestechungsvorwürfen in Aserbaidschan, Ghana, Kenia, Malawi und Tansania sowie in Indo­nesien und Südafrika einzustellen. Ohne Schuldeingeständnis hat sich SAP nachfolgend ein sogenanntes Self-Monitorship auferlegt, um Kooperationsbereitschaft zu signalisieren.

Der lebendige Austausch der Experten umfasste auch praktische Überlegungen und Herausforderungen bei der Integration von KI und Daten in Complianceprogramme, insbesondere im Hinblick auf europäische Datenschutz­bestimmungen und die Notwendigkeit, einen Ausgleich zwischen der Nutzung von Mitarbeiterdaten und den Interessen der Betriebsräte zu finden. Zusammenfassend vertrat das Panel die Auffassung, dass Datenanalytik und künstliche Intelligenz sowohl im reaktiven wie im präventiven Com­pliancebereich eine entscheidende Rolle spielen werden, doch gelte es, den Fokus von der technischen hin zu einer systemischen Perspektive zu verlagern, um dem mensch­lichen Faktor bei der adäquaten Interpretation der Daten und Muster gerecht zu werden.

Post M&A – Effektive Konzepte zur Vermeidung von Fallstricken

In der dritten Paneldiskussion des Roundtables widmeten sich Maren Burtoft, Director bei Accuracy in Frankfurt am Main, Boris Kasolowsky, Partner für International Arbi­tration bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt am Main, Karsten Kühnle, Partner im Bereich Corporate und M&A bei Norton Rose Fulbright in Frankfurt am Main, und Gunnar Skoeries, Group General Counsel bei Mann + Hummel in Ludwigsburg, den Herausforderungen und Lösungsansätzen im Post-M&A-Prozess. Moderiert von Mitveranstalter Guido Althaus, bot das Panel einen tiefgreifenden Einblick in typische Streitfragen nach M&A-Transaktionen sowie bewährte Praktiken, um solche Fallstricke zu umgehen.

Die Diskutanten identifizierten eine Vielzahl von Punkten, die nach M&A-Transaktionen auftreten können, darunter Kaufpreisstreitigkeiten, Earn-Out-Konflikte, Garantie­verletzungen und kulturelle Herausforderungen. Ein Großteil dieser Streitigkeiten entsteht nach dem Closing, vor allem im Zusammenhang mit der endgültigen Kaufpreisermittlung und Earn-Out-Zahlungen. Um Kaufpreisstreitigkeiten zu vermeiden, sei es zu empfehlen, bereits im Vorfeld der Transaktion eine klare und nachvollziehbare Kaufpreisformel zu etablieren und die Hierarchie kaufpreisrelevanter Bestimmungen eindeutig festzulegen.

Besonders bedeutsam seien die Bilanzierung nach lokalen Vorschriften und eine sorgfältige Prüfung historischer Bilanzen. Die M&A-Experten empfahlen, auch die lokale Compliance, insbesondere in Märkten wie China und Indien, zu beachten und mehr Zeit für eine rationale Entscheidungs­findung einzuplanen. Dazu gehören auch die Protokollierung zu wesentlichen Besprechungsthemen und die frühzeitige Berücksichtigung der Post-Merger-Integration (PMI).

Diskutiert wurden auch die Vor- und Nachteile verschiedener Streitbeilegungsmechanismen, einschließlich ordent­licher Gerichtsbarkeit, Schiedsverfahren und der Einbindung neutraler Prüfer. Robuste Regelungen zur Einschaltung ­eines neutralen Prüfers und klare Vorgaben zu dessen Auftrag ­erweisen sich als Schlüsselfaktoren für den Erfolg solcher Verfahren. Eine erfolgreiche Strategie bedürfe einer sorg­fältigen Vorbereitung und klaren Kommunikation im ­gesamten M&A-Prozess, um potentielle Streitigkeiten zu ­minimieren.

Beim anschließenden Get-together mit imposanter ­Riverside-Aussicht und Flying Buffet der „Frankfurter Botschaft“ wurde in den Gesprächen zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern noch einmal deutlich, wie wertvoll der Austausch auf Augenhöhe für alle Beteiligten war. Unabhängig von den Erfordernissen des Tagesgeschäfts ließen sich beratungs- und unternehmensrelevante Themen in angenehmer und anregender Atmosphäre diskutieren, ohne die angemessene Breite und Tiefe zu vernachlässigen. Die Organisatoren von Accuracy, Deutscher AnwaltSpiegel und F.A.Z. Business Media waren sich deshalb einig, dass dieses erfolgreiche Format auch im nächsten Jahr seine Fort­setzung finden wird.

 

Autor

Dr. Thomas R. Wolf F.A.Z. Business Media GmbH, Frankfurt Redakteur Rechtspublikationen thomas.wolf@faz-bm.de www.deutscheranwaltspiegel.de

Dr. Thomas R. Wolf
F.A.Z. Business Media GmbH, Frankfurt am Main
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thomas.wolf@faz-bm.de
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