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Unternehmensschutz durch Ehevertrag

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In Unternehmerkreisen hat der Ehevertrag große Bedeutung – und das aus nachvollziehbaren Gründen. Im Scheidungsfall kann eine hohe Ausgleichszahlung den wirtschaftlichen Fortbestand eines Betriebs gefährden, insbesondere wenn ein erheblicher Teil des Vermögens im Unternehmen gebunden ist. Da der Zugewinnausgleich nach den gesetzlichen Regelungen in Geld zu bedienen ist, drohen der Verkauf von Anteilen oder sogar die Veräußerung des gesamten Unternehmens. Ein sorgfältig gestalteter Ehevertrag kann dieses Risiko erheblich reduzieren – wie der Bundesgerichtshof (BGH) jüngst bestätigt hat. Allerdings steht der Schutz des Unternehmens nicht über allem.

BGH-Beschluss: Unternehmensschutz als legitimes Interesse

Mit Beschluss vom 28.05.2025 (Az. XII ZB 395/24) hat der BGH erneut entschieden: Der Schutz eines Unternehmens kann ein legitimes Motiv für den Ausschluss des Zugewinnausgleichs sein.

Dem Verfahren lag ein vor der Heirat geschlossener Ehevertrag eines Unternehmers zugrunde. Vereinbart waren Gütertrennung, vom Gesetz abweichende Regelungen zum nachehelichen Unterhalt sowie gegenseitige Erb- und Pflichtteilsverzichte. Im Zuge der Scheidung verlangte die Ehefrau dennoch den gesetzlichen Zugewinnausgleich mit der Begründung, der Vertrag sei sittenwidrig und daher unwirksam.

Der BGH folgte dem nicht. Maßgeblich war dabei die in dem Grundsatzurteil vom 11.02.2004 (Az. XII ZR 265/02) richterlich entwickelte Inhaltskontrolle von Eheverträgen, die auch für Unternehmereheverträge uneingeschränkt gilt. Diese erfolgt zweistufig unter Anwendung der vom BGH entwickelten Kernbereichslehre: Scheidungsfolgen mit existentieller Bedeutung genießen besonderen Schutz. Höchste Schutzwürdigkeit kommt dem Unterhalt wegen Kindesbetreuung zu, gefolgt vom Unterhalt wegen Alters und Krankheit sowie dem Versorgungsausgleich. Der Zugewinnausgleich gehört hingegen nicht zum Kernbereich und ist vertraglich am weitesten disponibel.

Auf der ersten Stufe, der Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB, war zu prüfen, ob der Ehevertrag bereits bei seinem Abschluss gegen die guten Sitten verstieß. Da keine der einzelnen Klauseln für sich betrachtet sittenwidrig war – insbesondere weil der Ausschluss des Zugewinnausgleichs, wie der BGH erneut hervorgehoben hat, nicht zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zählt und daher einer ehevertraglichen Gestaltung in besonderem Maße zugänglich ist – kam eine Unwirksamkeit allenfalls im Wege einer Gesamtabwägung in Betracht. Diese setzt eine grob einseitige Benachteiligung eines Ehegatten voraus, die auf einer ungleichen Verhandlungsposition, einer Drucksituation oder der Ausnutzung einer Zwangslage beruht. Eine lediglich objektive Einseitigkeit genügt für die Annahme der Sittenwidrigkeit im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht. Auf subjektiver Ebene sind insbesondere die von den Ehegatten mit dem Vertrag verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, welche die Ehegatten bewogen haben, den Ehevertrag zu schließen. Der BGH hat in seiner Entscheidung erneut hervorgehoben, dass der Unternehmensschutz ein legitimes Interesse für den Ausschluss des Zugewinnausgleichs sein kann.

Eine Zwangslage der Ehefrau verneinte das Gericht insbesondere deshalb, weil sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses selbst Geschäftsführerin einer GmbH, wirtschaftlich unabhängig und gut ausgebildet war. Zudem waren die wesentlichen Vertragsinhalte bereits einen Monat vor der Beurkundung bekannt, es wurden Vertragsverhandlungen geführt und die Ehefrau wurde durch ihren Vater, einen Rechtsanwalt und Notar, rechtlich beraten. Vor diesem Hintergrund verneinte der BGH eine subjektive Imparität und lehnte die Nichtigkeit des Vertrags gemäß § 138 BGB ab.

Auf der zweiten Stufe, der Ausübungskontrolle nach §§ 242, 313 BGB, war zu prüfen, ob eine zunächst wirksame Regelung im Scheidungsfall aufgrund gravierender Veränderungen der Lebensverhältnisse unzumutbar geworden ist. In solchen Fällen kann eine Vertragsanpassung in Betracht kommen. Im entschiedenen Fall sah der BGH hierfür jedoch keinen Anlass und wies das Begehren der Ehefrau auf Zugewinnausgleich auch in dieser Hinsicht zurück.

Grenzen: Unternehmensschutz rechtfertigt keinen kompensationslosen Totalverzicht

Allerdings rechtfertigt der Unternehmensschutz nicht jeden Ehevertrag, wie die Entscheidung des BGH vom 15.03.2017 (Az. XII ZB 109/16) zeigt.

Dort schloss das Ehepaar – kurz nach der Geburt der gemeinsamen Tochter – einen „Ehevertrag und Erbverzicht“. Darin vereinbarten sie den wechselseitigen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, behielten jedoch einen befristeten und der Höhe nach begrenzten Betreuungsunterhalt bei; zudem schlossen sie sowohl den Versorgungsausgleich als auch den Zugewinnausgleich aus. Anlass für den Vertrag war die Umstrukturierung des Familienunternehmens der Mutter des Ehemannes in eine GmbH & Co. KG und die geplante Übertragung von Gesellschaftsanteilen an den Ehemann, für die ein Ehevertrag verlangt wurde. Die Ehefrau war über mehrere Jahre überwiegend in Teilzeit als Sekretärin im Familienbetrieb tätig. Nach Abschluss des Vertrags wurde bei ihr Multiple Sklerose diagnostiziert. Nach der Trennung berief sie sich auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung und machte krankheitsbedingten nachehelichen Unterhalt geltend. Der BGH bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts: Der Ehevertrag ist insgesamt sittenwidrig und damit nichtig (§ 138 BGB).

Ausschlaggebend war eine Gesamtschau aus objektiver Benachteiligung und subjektiver Unausgewogenheit: Zwar stellte der BGH fest, dass die ehevertraglichen Regelungen für sich genommen nicht sittenwidrig sind und insbesondere die Vereinbarung der Gütertrennung zum Schutz des Betriebsvermögens zulässig sein kann. Auch der Ausschluss von Alters- und Krankheitsunterhalt kann bei ungewisser Bedürftigkeit zulässig sein; Gleiches gilt für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, soweit dies bei Vertragsschluss nicht nachteilig erscheint.

Entscheidend war jedoch die Gesamtschau aller Regelungen: Die wirtschaftlich schwächere Ehefrau verzichtete nach Eheschließung auf bereits entstandene Positionen ohne jede Kompensation. Mit dem Abschluss des Ehevertrags wurden Unterhaltsansprüche aus dem Kernbereich der Scheidungsfolgen ausgeschlossen bzw. modifiziert. Durch die vereinbarte Gütertrennung partizipierte die Ehefrau nicht an der Vermögensbildung des Ehemanns. Gleichwohl lagen die ehebedingten Nachteile – Kinderbetreuung, Haushaltsführung und Einschnitte im Erwerbsleben – maßgeblich auf ihrer Seite. Insgesamt führte dies faktisch zu einem kompensationslosen Totalverzicht zentraler Scheidungsfolgen.

Hinzu kam die strukturell ungleiche Verhandlungslage: Die Ehefrau war in die Vertragsgestaltung nicht eingebunden, erhielt vorab keinen Entwurf und unterzeichnete im Notartermin, der primär der Unternehmensumwandlung diente, ohne den Vertrag zuvor in Ruhe gelesen zu haben; sie war mit dem wenigen Wochen alten Kind anwesend. Die Verhandlungen wurden vom Ehemann und dessen Familie dominiert; die Ehefrau blieb in einer passiven, unterlegenen Rolle. Nach Auffassung des BGH nutzte der Ehemann damit seine soziale und wirtschaftliche Überlegenheit aus.

Das legitime Interesse am Unternehmensschutz rechtfertigte nach Ansicht des BGH insbesondere keinen Unterhaltsverzicht. In der Gesamtwürdigung von einseitiger Lastenverteilung und subjektiver Imparität erklärte der BGH den Vertrag für sittenwidrig und damit nichtig. Folge war die Unwirksamkeit des Unterhaltsausschlusses; die Ehefrau erhielt krankheitsbedingten nachehelichen Unterhalt.

Fazit

Die beiden BGH-Entscheidungen zeigen einen klaren Rahmen: Der Schutz eines Unternehmens ist als legitimes Motiv für einen Ehevertrag – insbesondere für den Ausschluss des Zugewinnausgleichs – anerkannt, kann die Grundsätze von Fairness und Parität aber nicht vollständig aushebeln. Eheverträge halten der richterlichen Kontrolle vor allem dann stand, wenn sie transparent verhandelt, interessengerecht austariert und sich am Kernbereich der gesetzlichen Scheidungsfolgen orientieren.

Besonders disponibel ist der Zugewinnausgleich; er kann zum Schutz des Betriebsvermögens wirksam ausgeschlossen werden. Hingegen bedürfen Regelungen zu nachehelichem Unterhalt und Versorgungsausgleich größerer Zurückhaltung und gegebenenfalls Ausgleichsmechanismen. Maßgeblich ist stets die Gesamtschau aus objektiver Lastenverteilung und individueller Verhandlungssituation. Nutzt die wirtschaftlich stärkere Partei ihre Überlegenheit aus und lässt zentrale Ansprüche des anderen ohne Kompensation entfallen, droht die Sittenwidrigkeit.

Wer hingegen auf gleichwertige Verhandlungspositionen achtet, Beratungsgelegenheiten schafft und den Ehegatten aktiv in die Gestaltung einbindet, wird das Ziel des Ehevertrags am ehesten erreichen: das Unternehmen zu schützen und zugleich die berechtigten Interessen des Ehegatten zu wahren.

Autor

Dr. Ulrike Helkenberg HEUKING, München Rechtsanwältin, Partnerin

Dr. Ulrike Helkenberg

HEUKING, München
Rechtsanwältin, Partnerin


u.helkenberg@heuking.de
www.heuking.de


Autor

Alexandra Weichselgartner HEUKING, München Rechtsanwältin, Associate

Anna Weichselgartner

HEUKING, München
Rechtsanwältin, Associate


a.weichselgartner@heuking.de
www.heuking.de