Kein Verlustübergang bei zurückbleibender Betätigung
In der Steuerrechtspraxis stellt sich immer wieder die Frage, welche Auswirkungen eine Umstrukturierung auf einen gewerbesteuerlich vortragsfähigen Verlust hat. Im Jahre 2019 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) bereits entschieden, dass ein gewerbesteuerlicher Verlust nicht auf eine Mitunternehmerschaft übergeht, wenn sich die übertragende Kapitalgesellschaft nach dem Betriebsübergang selbst über das schlichte Halten und Verwalten der mitunternehmerischen Beteiligung einschließlich der Beteiligung an der Komplementär-GmbH an der aufnehmenden Gesellschaft weiterhin betätigt. Dazu genügten bereits das Halten und Verwalten weiterer Beteiligungen.
Verlustübergang bei vollständigem Übergang betrieblicher Aktivitäten
Bisher war höchstrichterlich nicht entschieden, ob diese Rechtsfolge auch im Fall der vollständigen Übertragung des Betriebs eintritt. In diesem Fall bleibt bei der übertragenden Gesellschaft steuerlich lediglich eine unternehmerisch leere Hülle zurück. Die Gesellschaft reduziert ihre Betätigung auf das Halten und Verwalten der mitunternehmerischen Beteiligung am aufnehmenden Rechtsträger. Mit seiner aktuellen Entscheidung vom 01.02.2024 schließt der BFH diese Lücke und erlaubt den Übergang des Verlusts auf die aufnehmende Mitunternehmerschaft im Fall des vollständigen Übergangs der betrieblichen Aktivitäten.
Entwicklung, Argumentation und wirtschaftliche Bedeutung
Die Rechtsprechung beendet damit einen rechtlichen Schwebezustand. Noch in den Gewerbesteuerrichtlinien 1998 ging die Finanzverwaltung davon aus, dass ein vortragsfähiger Gewerbeverlust von einer Kapitalgesellschaft auf eine Mitunternehmerschaft im Rahmen der Einbringung übergehen würde. Diese Ansicht der Finanzverwaltung galt sowohl für den Fall der Einbringung des Betriebs in eine Personenhandelsgesellschaft wie auch für den Fall des Übergangs auf eine atypisch stille Beteiligung. Die Finanzverwaltung NRW hat mit dieser gemeinsamen Sicht jedoch im Jahre 2012 gebrochen. Sie stützte ihre Ansicht darauf, dass auch nach der Übertragung des Betriebs auf die Mitunternehmerschaft die sachliche Gewerbesteuerpflicht der einbringenden Kapitalgesellschaft fortbesteht, und zwar ebenfalls dann, wenn sich die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft auf das Halten der mitunternehmerischen Beteiligung beschränkt. Denn die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft gilt gewerbesteuerlich stets und in vollem Umfang als gewerblich (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG).
Die Rechtspraxis musste in der Folge davon ausgehen, dass eine Verrechnung künftiger Gewinne aus dieser betrieblichen Betätigung nach einer Einbringung mit einem gewerbesteuerlichen Verlust, der noch auf Ebene der einbringenden Person erzielt wurde, nicht mehr möglich war. Der vortragsfähige Verlust verblieb vielmehr bei der übertragenden Gesellschaft und konnte von dieser im Rahmen der Voraussetzungen von § 10a GewStG mit künftigen Erträgen verrechnet werden.
Soweit der übertragende Rechtsträger über hinreichende eigene Aktivitäten verfügte, war eine zeitnahe Verlustnutzung gewährleistet. War das allerdings nicht gegeben, war der Verlustvortrag auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft langfristig gefangen; künftige Erträge des aufnehmenden Rechtsträgers unterlagen ungeschmälert der Besteuerung. Der vortragsfähige Verlust hatte seinen wirtschaftlichen Wert verloren.
Dem liegt zugrunde, dass die Einbringung des Betriebs in einer Personengesellschaft dazu führt, dass das Ergebnis der übernehmenden Personengesellschaft den mitunternehmerisch verbundenen Personen zuzurechnen ist und entsprechend der Zurechnung bei der Einkommen- oder Körperschaftsbesteuerung zu berücksichtigen ist. Erst auf Ebene der Zurechnungsempfängerin stellt sich die Frage der Verlustnutzung für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer bedarf es also keines Übergangs des Verlusts von der Kapitalgesellschaft auf die Mitunternehmerschaft.
Dementgegen ist eine mitunternehmerisch ausgestaltete Personengesellschaft selbst Schuldnerin der Gewerbesteuer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Geht nur der Betrieb bei der Einbringung in eine Mitunternehmerschaft über und verbleibt der Verlust auf Ebene der übertragenden Gesellschaft, steht der vortragsfähige gewerbesteuerliche Verlust für eine Verrechnung mit künftig positiven Ergebnissen nicht mehr zur Verfügung.
Soweit die übertragende Kapitalgesellschaft in der Folgezeit über hinreichende gewerbesteuerpflichtige Erträge verfügt, beschränkt sich die wirtschaftliche Auswirkung auf den Effekt, dass keine Entlastung durch die Verlustverrechnung bei der aufnehmenden Mitunternehmerschaft eintritt, dafür aber bei der übertragenden Kapitalgesellschaft. Stehen jedoch nur geringe gewerbesteuerpflichte Erträge bei der Kapitalgesellschaft zur Verfügung, verliert der Verlustvortrag seinen wirtschaftlichen Wert. Im Entscheidungsfall aus dem Jahre 2019 war genau das der Fall, da die übertragende Gesellschaft nur über die Beteiligung an der aufnehmenden Mitunternehmerschaft sowie über weitere Kapitalgesellschaftsbeteiligungen verfügte und damit letztlich nur ein geringer Gewerbeertrag vor Verlustverrechnung verblieb.
In seiner aktuellen Entscheidung erlaubt der BFH den Übergang des Verlustvortrags in dem Fall, in dem neben der späteren Beteiligung an der aufnehmenden Mitunternehmerschaft nichts mehr besteht und sich die übertragende Gesellschaft als leere Hülle erweist. Seine abweichende Entscheidung konnte der BFH auf Argumente stützen, die bereits zuvor für alle Konstellationen vorgebracht wurden. Tragend ist dabei, dass der übernehmende Rechtsträger umwandlungssteuerrechtlich in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers eintritt und § 24 Abs. 4 Hs. 1 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) keinen Verweis auf § 23 Abs. 5 UmwStG enthält. Nach der Rechtsprechung steht der Anwendung dieser Grundsätze auf den Fall der umfänglichen Einbringung auch nicht eine fehlende gewerbesteuerliche Regelung zum Übergang des vortragsfähigen Verlustes entgegen.
Wirtschaftliche Bedeutung der jüngsten Entscheidung
In den Fällen der vollständigen Übertragung der betrieblichen Aktivitäten folgen die Verluste also dem Betrieb und stehen für eine künftige Verlustverrechnung im Betrieb zur Verfügung. Der wirtschaftliche Wert der vorgetragenen Verluste bleibt mithin bestehen. Es kommt nicht dazu, dass bei der übertragenden Kapitalgesellschaft eine leere Hülle verbleibt, der zwar ertragsteuerlich die Beteiligungserträge aus der aufnehmenden Mitunternehmerschaft zugerechnet werden, die aber selbst kein gewerbesteuerliches Ergebnis erzielt, weil die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften des Gewerbesteuerrechts dafür Sorge tragen, dass zuzurechnende Gewerbeerträge aus mitunternehmerischer Beteiligung bei der mitunternehmerisch beteiligten Person neutralisiert werden und keinen Einfluss auf die Besteuerung dieser Person haben.
Es lässt sich festhalten, dass für die Fälle des vollständigen Übergangs der betrieblichen Aktivitäten auf die Mitunternehmerschaft die Rechtsprechung die frühere Rechtslage wiederhergestellt hat und der Verlust übergeht. Ob die Finanzverwaltung dem folgen wird, ist noch nicht entschieden. Faktisch führen beide Rechtsprechungen zu einem Wahlrecht, die Umstrukturierung so auszugestalten, dass der Verlust bei der übertragenden Gesellschaft verbleibt oder auf die übernehmende Gesellschaft übergeht.
Allgemeine Voraussetzungen der Verlustverrechnung
Welcher gestalterische Weg eingeschlagen wird, dürfte auch davon abhängen, ob die Voraussetzungen der Verlustverrechnung nach dem Übergang des Verlusts auf die Mitunternehmerschaft voraussichtlich vorliegen werden. Der Übergang des vortragsfähigen Verlusts auf die übernehmende Mitunternehmerschaft besagt noch nicht, dass eine Verlustverrechnung überhaupt möglich ist. Denn die Verlustverrechnung kann nur erfolgen, wenn die allgemeinen Voraussetzungen der Verlustnutzung bei Mitunternehmerschaften vorliegen. Dazu bedarf es nach § 10a Satz 6 GewStG eines festgestellten Verlustvortrags sowie des Fortbestands der Unternehmensidentität und der Unternehmeridentität.
Die Gewerbesteuer ist eine Objektsteuer, die an den Betrieb als Besteuerungsobjekt anknüpft. Ein Übergang des Verlusts von einem Besteuerungsobjekt auf ein anderes ist gesetzlich nicht vorgesehen und der Objektsteuer fremd. Der Verlust kann also nur bei dem Unternehmen berücksichtigt werden, dessen Betrieb mit dem Betrieb identisch ist, der im Verlustentstehungszeitraum Bestand hat. Ob die Unternehmensidentität gewahrt ist, muss bei Mitunternehmerschaften anhand der tatsächlich ausgeübten gewerblichen Betätigung entschieden werden. Dabei ist auf das Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale abzustellen. Maßgebliche Kriterien der Prüfung sind insoweit die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätten und die Zusammensetzung des Aktivvermögens. Unter Berücksichtigung dieser Merkmale muss ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang bestehen.
Dem steht auch nicht entgegen, dass eine Kapitalgesellschaft grundsätzlich unabhängig von der Veränderung der unternehmerischen Betätigung besteht. Insoweit ist zwischen dem Fortbestand der sachlichen Steuerpflicht der Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG und dem Fortbestand der Unternehmensidentität zu differenzieren. Daher geht ein Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft auch dann unter, wenn durch Zuführung neuer finanzieller Mittel durch neu hinzutretende Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft wiederbelebt wird oder eine Sitzverlegung der Kapitalgesellschaft erfolgt. Umgekehrt steht die Unterscheidung von sachlicher Steuerpflicht und Unternehmensidentität dem Übergang des Verlustvortrags auf einen anderen Rechtsträger nicht entgegen.
Letztlich setzt der Verlustabzug den Fortbestand der Unternehmeridentität voraus. Denn nach § 10a Satz 8 GewStG in Verbindung mit § 2 Abs. 5 GewStG entfällt der Verlustabzug bei einem Unternehmerwechsel. Damit kommt es für den Verlustabzug bei einem Personenunternehmen auf die Identität der beteiligten Personen an.
Zusammenfassung und Ausblick
Die nunmehr vollständige Rechtsprechung verhindert eine Sackgasse im Fall des vollständigen Übergangs eines Betriebs auf eine Mitunternehmerschaft und eröffnet zugleich im Zusammenspiel mit der älteren Rechtsprechung die Möglichkeit, den Untergang des Verlustvortrags bei einem Zwangsübergang in eine Struktur zu verhindern, die eine Verlustnutzung aus allgemeinen Gründen verbietet.
Ob sich die neuere Rechtsprechung dazu nutzen lässt, um gewerbesteuerlich irrelevante Anlaufverluste dadurch zu retten, dass sie auf Ebene einer Kapitalgesellschaft entstehen, die dann ihren Betrieb auf eine Mitunternehmerschaft überträgt und damit verbunden auch die Verluste, wird die Praxis zeigen.
Autor
Stefan Liedtke, LL.M., Dipl.-Finw. (FH)
RSM Ebner Stolz, Düsseldorf
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater

