Wann wird das Homeoffice eigentlich zur ertragsteuerlichen Betriebsstätte des Arbeitgebers? Nach erstmaliger Äußerung der Finanzverwaltung erscheinen die Grundsätze zumindest in Inboundfällen nun klarer umrissen. Welche Risiken jedoch unverändert bei Arbeitnehmern mit Leitungsfunktion sowie für Unternehmen bestehen, die ihre Mitarbeiter aus dem ausländischen Homeoffice heraus tätig werden lassen (Outboundfall), wird in diesem Beitrag näher beleuchtet.
Im Anwendungserlass vom 05.02.2024 hat sich die Finanzverwaltung erstmals dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer im Homeoffice eine Betriebsstätte begründet – oder eben nicht.
Unter Homeoffice ist in Abgrenzung zum Oberbegriff „mobiles Arbeiten“ das Arbeiten von zu Hause aus zu verstehen. Spätestens mit der Covidkrise hat sich das Homeoffice etabliert und ist heute fester Bestandteil vieler Arbeitsverhältnisse. Im Jahr 2022 haben 24,2% der Erwerbstätigen in Deutschland zumindest teilweise im Homeoffice gearbeitet (der EU-Durchschnitt liegt bei 22,6%). Aufgrund des Fachkräftemangels sowie der zunehmenden Digitalisierung ist festzustellen, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern anbieten, grenzüberschreitend tätig zu sein, bzw. weltweit nach qualifizierten Fachkräften suchen und diesen anbieten, von ihrer jeweiligen Heimat aus für das Unternehmen zu arbeiten. Das gilt etwa für die IT-Branche, wenn z.B. ausländische Entwickler Software für inländische Arbeitgeber im Homeoffice programmieren.
Aus steuerlicher Sicht ist bei einem regelmäßigen Tätigwerden des Arbeitnehmers in dessen privater Wohnung fraglich, ob hierdurch eine Betriebsstätte des Arbeitgebers begründet wird. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wären die steuerlichen Folgen beträchtlich: So könnte ein inländischer Arbeitnehmer für ein ausländisches Unternehmen eine beschränkte Steuerpflicht auslösen. Anknüpfend daran folgen umfassende Betriebsstättengewinnermittlungs- sowie Anzeige- und Dokumentationspflichten. Selbst in reinen Inlandsfällen hätte die Annahme einer Betriebsstätte steuerliche Auswirkungen. Unternehmen mit einer Betriebsstätte in Deutschland sind verpflichtet, sich in Deutschland steuerlich zu registrieren und unterliegen der Einkommen- oder Körperschaftsteuer sowie regelmäßig der Gewerbesteuer. Darüber hinaus sind sie zum Lohnsteuerabzug für ihre im Inland beschäftigten Mitarbeiter verpflichtet.
Betriebsstättenbegriff
Zur Homeofficebetriebsstätte äußerte sich bislang die OECD mit der Erneuerung des Musterkommentars im Jahr 2017. Danach ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung an einem bestimmten Ort und von einer gewissen Dauer, durch die die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ausgeübt wird und über die das Unternehmen Verfügungsmacht hat. Der Betriebsstättenbegriff wird insgesamt weiter auslegt und etwa bei einer Vereinbarung zur dauerhaften Heimarbeit – wie im obigen Beispiel des IT-Entwicklers – eine Betriebsstätte des Arbeitgebers begründet. Grundaussage der OECD zur Homeofficebetriebsstätte bleibt auch nach der Covidpandemie, dass eine dauerhaft im Homeoffice ausgeübte Tätigkeit grundsätzlich die Begründung einer festen Geschäftseinrichtung nach sich zieht. Der OECD-Musterkommentar ist jedoch für die deutsche Finanzverwaltung und -gerichtsbarkeit nicht bindend und stellt vielmehr eine bloße „Auslegungshilfe“ dar. Nach § 12 AO ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, eine Betriebsstätte.
Positionierung der Finanzverwaltung
Mit den am 20.02.2024 veröffentlichten Anpassungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) bezieht die Finanzverwaltung selbst nun erstmals Stellung (AEAO zu § 12 Nr. 4): Danach begründet die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in dessen häuslichem Homeoffice im Regelfall keine Betriebsstätte. Konkret hat die Finanzverwaltung Änderungen am Anwendungserlass zur AO vorgenommen und im AEAO zu § 12 Nr. 5 Ausführungen zur Homeofficebetriebsstätte gemacht:
„Die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in dessen häuslichem Homeoffice begründet in der Regel keine Betriebsstätte des Arbeitgebers. Auch abkommensrechtlich begründet ein häusliches Homeoffice nach deutscher Anwenderstaatsperspektive in der Regel keine Betriebstätte (feste Einrichtung gemäß Art. 5 Abs. 1 und Abs. 4 OECD-MA). Dies gilt auch bei:
- Übernahme der Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung durch den Arbeitgeber;
- Abschluss eines Mietvertrages über häusliche Räume des Arbeitnehmers zwischen Arbeitgeber (Mieter) und Arbeitnehmer (Vermieter), außer der Arbeitgeber ist im Einzelfall tatsächlich befugt, die Räume anderweitig zu nutzen (etwa durch ein Recht zum Entsenden anderer Arbeitnehmer in die Räume oder ein Recht zum Betreten der Räume außerhalb von Prüfungen zur Arbeitssicherheit);
- Fällen, in denen dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird.
Grund hierfür ist, dass der Arbeitgeber typischerweise nicht über eine ausreichende Verfügungsmacht über die häuslichen Räumlichkeiten des Arbeitnehmers verfügt.“
Hinter der nun erfolgten, klaren Positionierung der Finanzverwaltung steht der Gedanke, dass der Arbeitgeber typischerweise nicht über eine ausreichende Verfügungsmacht über die häuslichen Räumlichkeiten des Arbeitnehmers verfügt. So sehen die Homeofficevereinbarungen – anhand derer (sowie gemäß den tatsächlichen Umständen) zu bestimmen ist, ob der Arbeitgeber eine Verfügungsmacht am Homeoffice hat – in der Regel vor, dass die vertraglich geschuldete Arbeitskraft in den privaten Räumen des Arbeitnehmers erfolgen darf. Die Verfügungsmacht des Arbeitgebers für einen bestimmten Raum in der Wohnung oder die „Homeofficeecke“ ergibt sich aus der Vereinbarung nicht. Darüber hinaus steht dem Arbeitnehmer ein Hausrecht über die Wohnung zu. Es kann also nicht ohne weiteres angenommen werden, dass dem Arbeitgeber eine dauerhafte Verfügungsmacht über die Wohnung des Arbeitnehmers zugutekommt – dies könnte mit der grundrechtlich geschützten Wohnung unvereinbar sein (Artikel 13 GG).
Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) lässt sich entnehmen, dass lediglich bei einer dauerhaften Nutzungsbefugnis des Arbeitgebers eine Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten des Arbeitnehmers und damit eine Betriebsstätte angenommen werden kann. Darüber hinaus hat der BFH mehrfach darüber geurteilt, wie ein in die häusliche Sphäre eingegliedertes „häusliches Arbeitszimmer“ von einem „betriebsstättenähnlichen Raum im Wohnbereich“ abzugrenzen ist. Letzterer unterliegt keinen Betriebsausgabenabzugsbeschränkungen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG). Von einem betriebsstättenähnlichen Raum ist insbesondere auszugehen, wenn er dem Publikumsverkehr dient und damit die Einbindung in die häusliche Sphäre aufgehoben bzw. überlagert wird. Dies dürfte lediglich in Ausnahmefällen der Fall sein. Zu beachten ist jedoch, dass in jüngerer Rechtsprechung des BFH hinsichtlich sogenannter Dienstleistungsbetriebsstätten das Kriterium der Verfügungsmacht zunehmend großzügiger ausgelegt wird. Es besteht daher die Möglichkeit, dass sich diese Rechtsprechungsgrundsätze in Bezug auf Homeofficetätigkeiten ebenfalls weiterentwickeln.
Die Grundsätze der Finanzverwaltung gelten selbst dann, wenn der Arbeitgeber die Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung übernimmt oder der Arbeitgeber als Mieter mit dem Arbeitnehmer als Vermieter einen Mietvertrag über Räume in den Häuslichkeiten des Arbeitnehmers abschließt. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen besteht, sofern der Arbeitgeber befugt ist, die Räumlichkeiten über das Homeoffice seines die Räume bereitstellenden Arbeitnehmers hinaus anderweitig zu nutzen. Eine Betriebsstätte wird auch dann nicht begründet, sofern dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird. Gerade der letzte Punkt weicht von der internationalen Auslegung ab, weil die OECD Verfügungsmacht und folglich eine Betriebsstätte annehmen würde.
Problematik der Arbeitnehmer mit Leitungsfunktion
Die Aussagen der Finanzverwaltung beziehen sich ausdrücklich auf einfache Arbeitnehmer. Für Arbeitnehmer mit Leitungsfunktion trifft die Finanzverwaltung hingegen keine Aussage. Daher besteht für etwa im Inland tätige leitende Angestellte ausländischer Unternehmen (Inboundfall) das Risiko, dass die Finanzverwaltung eine Geschäftsleitungsleitungsbetriebsstätte annimmt (§ 12 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 10 AO). Primäres Beurteilungskriterium dafür ist der Mittelpunkt der Geschäftsleitungstätigkeit, also im Wesentlichen der Ort, dem die Entscheidungen des Tagesgeschäftes zugewiesen werden. Insofern ist bereits eine Arbeitsecke im Wohnzimmer ausreichend. Eine feste Geschäftseinrichtung ist demnach nicht erforderlich. Diese Problematik trifft insbesondere Gesellschafter-Geschäftsführer. In diesem Zusammenhang ist zu empfehlen, den tatsächlichen Ausübungsort zu dokumentieren, an dem die leitenden Angestellten ihrer Arbeit nachgehen. Damit kann nachgewiesen werden, dass das Tagesgeschäft nicht in Deutschland ausgeübt wird. Darüber hinaus könnte die Finanzverwaltung eine reguläre Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO annehmen, indem sie eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers bejaht. Insoweit sollte mit entsprechender Vertragsgestaltung ein Recht zum Betreten durch den Arbeitgeber ausgeschlossen werden.
Fazit
Die klare Positionierung der Finanzverwaltung zur Homeofficebetriebsstätte ist insbesondere für ausländische Unternehmen mit dem Einsatz einfacher Angestellter in Deutschland (Inboundfall) begrüßenswert.
Jedoch bleiben die steuerlichen Risiken für inländische Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter aus dem ausländischen Homeoffice heraus tätig werden lassen (Outboundfall), überwiegend bestehen. Denn die im ausländischen Homeoffice erbrachten Tätigkeiten sind nach lokalem sowie gegebenenfalls Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)-Recht eigenständig zu beurteilen. Die österreichische Finanzverwaltung bejaht beispielsweise das Kriterium der Verfügungsmacht des Arbeitgebers bereits, sofern die Tätigkeit hälftig im Homeoffice erbracht wird (§ 29 Abs. 1 öBAO). Insgesamt erscheint im internationalen Kontext ein Trend zur Annahme von Betriebsstätten bei einer Tätigkeit im Homeoffice erkennbar. Dies ist zuletzt durch die Ergänzung des OECD-Musterkommentars im Jahr 2017 deutlich geworden. Ob eine Tätigkeit im Homeoffice eine Betriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinn begründet, bestimmt sich nach Art. 5 OECD-MA 2017 bzw. nach den Doppelbesteuerungsabkommen. Daher kann es vermehrt zu einem Qualifikationskonflikt kommen, soweit der ausländische Staat den weiteren Betriebsstättenbegriff des OECD-Musterkommentars zugrunde legt, eine Homeofficebetriebsstätte bejaht und Deutschland das Vorliegen einer Betriebsstätte ablehnt. Die offenbare Diskrepanz zwischen der deutschen Auslegung und der OECD-Sichtweise zur Homeofficebetriebsstätte kann daher insbesondere bei Outboundkonstellationen zu steuerlichen Problemen führen.
Bei Bejahung einer ausländischen Betriebsstätte besteht ein erhöhter Complianceaufwand (Anzeige der Betriebsstätte, Ermittlung des Betriebsstättengewinns, Einrichtung eines separaten Buchungskreises) sowie die Gefahr der Doppelbesteuerung: Der ausländische Staat besteuert den Gewinn der Homeofficebetriebsstätte, Deutschland sieht mangels Betriebsstätteneigenschaft keine Freistellung vor. Betroffenen Unternehmen ist zu empfehlen, sich vor Tätigkeitsaufnahme in beiden Staaten über die steuerlichen Folgen des Homeoffice zu informieren.
Darüber hinaus besteht weiterhin Rechtsunsicherheit für leitende Angestellte, eine Geschäftsleitungs- oder – bei entsprechender Verfügungsmacht des Arbeitgebers – eine reguläre Betriebsstätte im Inland zu begründen. Hier wäre eine Aussage der Finanzverwaltung hilfreich gewesen, so dass abzuwarten bleibt, wie sich die Rechtsprechung zu den Kriterien der Verfügungsmacht entwickeln wird.
Klarheit kann eine verbindliche Auskunft gemäß § 89 AO oder bei Lohnsteuerthemen eine Anrufungsauskunft nach § 42e EStG schaffen.
Autor
Markus P. Linnartz
ADVANT Beiten, Düsseldorf
Rechtsanwalt, LL.M., Steuerberater
Autor
Jakob Gerstung
ADVANT Beiten, Düsseldorf
Wissenschaftlicher Mitarbeiter

