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Fusionskontrolle in den USA: Die neue HSR-Form

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Einleitung

Am 10.02.2025 trat die von der Federal Trade Commission (FTC) vorgenommene Anpassung der Vorschriften zur Umsetzung des „Hart-Scott-Rodino Antitrust Improvements Act“ von 1976 (HSR) in Kraft. Es ist das erste Mal seit fast 50 Jahren, dass die Vorschriften grundlegend überarbeitet worden sind. Sie gelten für sämtliche anmeldepflichtige Transaktionen, die die festgelegten HSR-Schwellenwerte überschreiten – derzeit 126,4 Millionen US-Dollar (Stand Januar 2025) – und nicht anderweitig freigestellt sind. Im Fokus der Überarbeitung stehen das neue HSR-Anmeldeformular („HSR-Form“) und die darin enthaltenen Pflichten zur Bereitstellung von Informationen und Dokumenten im US-amerikanischen Fusionskontrollverfahren.

Kurz vor Inkrafttreten der neuen Regelungen („Final Rule“) nutzten viele Unternehmen die letzte Gelegenheit, ihre Transaktionen unter den alten HSR-Regeln anzumelden. Das Premerger Notification Office (PNO) berichtete von einer Flut von Anmeldungen unmittelbar vor der mit der Final Rule eingeführten neuen HSR-Form: 394 Vorgänge, die etwa 200 Transaktionen betrafen. Normalerweise erhält das PNO zwischen 35 und 50 Transaktionen pro Woche.

Inkrafttreten der Final Rule und Fortgeltung der 2023 Merger Guidelines

Die Final Rule ist das Ergebnis eines Konsultationsprozesses, der mit der Veröffentlichung der „Notice of Proposed Rulemaking“ (NPRM) im Juni 2023 begann. Im Zuge dessen erhielt die FTC über 700 Stellungnahmen, die dazu beitrugen, dass ursprünglich vorgeschlagene Informationsanforderungen erheblich eingeschränkt und weitere Vorschriften grundlegend überarbeitet worden sind, insbesondere um die Kosten, die durch die Informations- und Dokumentanforderungen entstehen, sowohl für Unternehmen, die HSR-Anmeldungen einreichen, als auch für Dritte geringer zu halten. Die endgültige Fassung der Final Rule ist einstimmig mit 5:0 Stimmen in der FTC – die von fünf Kommissaren mit gestaffelten Amtszeiten von sieben Jahren geleitet wird und von denen höchstens drei derselben politischen Partei angehören dürfen – angenommen und am 10.10.2024 im Federal Register veröffentlicht worden.

Am 20.01.2025 erließ Präsident Trump per sogenannter Executive Order einen Regulierungsstopp („Regulatory Freeze Pending Review“), mit dem die Exekutivabteilungen und -behörden angewiesen wurden, in Erwägung zu ziehen, das Datum des Inkrafttretens von Vorschriften, die im Federal Register veröffentlicht, aber noch nicht in Kraft getreten sind, um 60 Tage zu verschieben. Eine Vorgehensweise, die für eine neue Regierung nicht ungewöhnlich ist und auch von Vorgängerregierungen praktiziert wurde, um der neuen Regierung die Möglichkeit zu geben, bestehende Vorschriften zu überprüfen. In diesem Fall haben die FTC-Kommissare jedoch nicht für die Verschiebung des Inkrafttretens der neuen Regeln gestimmt, so dass die Final Rule planmäßig – 90 Tage nach ihrer Veröffentlichung – am 10.02.2025 in Kraft trat.

Vor dem Hintergrund des Regierungswechsels wurde in öffentlichen Beiträgen vermehrt die Frage zur Anwendbarkeit der geltenden Fusionskontrollleitlinien („2023 Merger Guidelines“) aufgeworfen. Zwar stellen die Merger Guidelines kein bindendes Recht dar, beschreiben aber Verfahren und Durchsetzungspraktiken, die die Behörden bei der Prüfung von Zusammenschlüssen häufig anwenden, um zu untersuchen, ob Zusammenschlüsse gegen das Kartellrecht verstoßen. Am 18.02.2025 stellten der Vorsitzende („Chairman“) der FTC, Andrew Ferguson, und der stellvertretende Generalstaatsanwalt („Assistant Attorney General“ – AAG) der Kartellabteilung des Department of Justice (DOJ), Omeed Assefi, klar, dass die FTC und das DOJ an den 2023 Merger Guidelines festhalten, die am 18.12.2023 von beiden Behörden gemeinsam verabschiedet worden waren. Andrew Ferguson verwies auf seine im Juni 2024 gemachte Aussage: „Guidelines work best when there’s some stability.“ Beide Behördenleiter betonten, dass die Leitlinien zwar nicht „perfekt“ seien, zukünftige Überarbeitungen jedoch transparent und sorgfältig erfolgen würden. Es entspreche – seit der erstmaligen Einführung der Merger Guidelines im Jahr 1968 unter dem damals für Zusammenschlüsse geltenden Clayton Act von 1914 – dem iterativen, parteiübergreifenden Vorgehen, die Regelungen über verschiedene Präsidialamtszeiten hinweg mit nur wenigen Anpassungen beizubehalten. Damit werde Stabilität in der Fusionskontrolle gewährleistet und eine kontinuierliche Grundlage für Unternehmen und Gerichte geschaffen.

Hintergrund und Zielsetzung der Final Rule

Die mit der Final Rule eingeführten Änderungen zielen darauf ab, die FTC und die Kartellabteilung DOJ in ihrer Fähigkeit zu stärken, wettbewerbswidrige Zusammenschlüsse vor ihrer Durchführung zu identifizieren und ein effizientes sowie effektives Prüfverfahren in der Fusionskontrolle sicherzustellen.

Die FTC begründet die weitreichende Überarbeitung der HSR-Regeln damit, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Wettbewerbssituation seit der Einführung der ursprünglichen Regelungen im Jahr 1978 und weiterer Anpassungen im Jahr 2000 erheblich verändert haben. Die HSR-Form sei in ihrer bisherigen Form und den darin enthaltenen Informationsanforderungen nicht mehr geeignet gewesen, mit der Komplexität der heutigen Wettbewerbslandschaft Schritt zu halten. Dies resultiere nicht nur aus den immer weiter vernetzten und komplexeren Unternehmensstrukturen der beteiligten Parteien, sondern auch aus der Zunahme von Transaktionen, die sowohl horizontale Überschneidungen als auch vertikale Beziehungen umfassen. Es gebe eine zunehmende Vernetzung entlang der Lieferketten sowie Verknüpfungen mit Unternehmen, die ergänzende Dienstleistungen erbringen. Der Wettbewerbsfokus sei weniger klar, wenn Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen anbieten, auch Einnahmen aus anderen Quellen wie dem Verkauf von Daten erzielen oder wenn selbst traditionelle Unternehmen, wie im verarbeitenden Gewerbe, erhebliche Einnahmen aus damit verbundenen Dienstleistungen erzielen. Für die Behörden sei es daher schwierig geworden, Geschäftsbeziehungen zu ermitteln, die von Zusammenschlüssen betroffen sein könnten, einschließlich solcher, die mit nicht preisbezogenen Effekten zusammenhängen (etwa dem Innovationswettbewerb) und die nicht offensichtlich sind, wenn man sich nur auf die Umsätze auf den Absatzmärkten konzentriere. Darüber hinaus hätten Veränderungen in den Unternehmensstrukturen und Investitionsstrategien dazu geführt, dass der Fokus der alten HRS-Form auf traditionelle Unternehmensstrukturen nicht mehr zeitgemäß sei, so dass die Behörden häufig nicht erkennen konnten, welche Unternehmen oder Personen nach dem Zusammenschluss Wettbewerbsentscheidungen treffen würden.

Im Ergebnis habe die heutige wirtschaftliche Realität dazu geführt, dass es für die Behörden in der fusionskontrollrechtlichen Praxis immer herausfordernder geworden ist, Transaktionen innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von 30 Tagen vom Zeitpunkt der Einreichung einer vollständigen Anmeldung allein auf Grundlage der mit der bisherigen HSR-Form abgefragten Informationen angemessen zu bewerten. Mit der Final Rule und der damit eingeführten neuen HSR-Form soll ein Zustand geschaffen werden, der die identifizierten Informationslücken schließt und es den Behörden wieder ermöglicht, eine umfassendere kartellrechtliche Prüfung vorzunehmen.

HSR-Form als Dreh- und Angelpunkt des Prüfungsverfahrens

Die HSR-Form ist der Dreh- und Angelpunkt für jeden Zusammenschluss, der der US-amerikanischen fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflicht unterliegt. Bei den meisten Transaktionen, für die eine HSR-Anmeldung erforderlich ist, müssen sowohl der Käufer als auch der Verkäufer auf Basis der HSR-Form Informationen über ihr Unternehmen und die Branche bereitstellen. Nach Einreichung der vollständigen Anmeldung ist eine Wartefrist von 30 Tagen einzuhalten, bevor die Transaktion vollzogen werden kann, es sei denn, die Behörde genehmigt eine vorzeitige Beendigung der Frist.

Die Parteien, die einen Zusammenschluss anmelden, reichen die HSR-Anmeldung sowohl bei der FTC als auch beim DOJ ein, aber nur eine der beiden Kartellbehörden prüft den Zusammenschluss. Nach Beratung entscheiden FTC und DOJ, welche Behörde die Prüfung übernimmt („Clearance Process“). Die untersuchende Behörde kann dann weitere Informationen von den Parteien oder anderen Branchenteilnehmern sowie von nicht öffentlichen Informationen aus verschiedenen Quellen einholen.

Nach einer ersten Prüfung der Anmeldung kann die Behörde die Wartefrist vor ihrem Ablauf beenden („Early Termination“), sie ablaufen lassen oder – sofern die Informationen, die der Behörde bis dato zur Verfügung gestellt wurden, nicht ausreichen und der geplante Zusammenschluss noch erhebliche kartellrechtliche Fragen aufwirft – ein Auskunftsverlangen („Second Request“) an die beteiligten Unternehmen richten, um weitere Informationen und Unterlagen von den Parteien anzufordern. Im letzteren Fall verlängert sich die Wartefrist und der Zusammenschluss kann erst vollzogen werden, wenn der Second Request „im Wesentlichen beantwortet“ ist und eine zweite Wartefrist von weiteren 30 Tagen eingehalten wurde. Die Dauer dieser Prüfungsphase kann durch eine Vereinbarung zwischen den Parteien und der Behörde weiter verlängert werden, um verbleibende Probleme ohne rechtliche Auseinandersetzungen zu lösen.

Ein Second Request besteht in der Regel aus einem detaillierten Satz von Fragen und Informations- und Dokumentenanforderungen, die der Behörde Auskunft über die betreffenden Produkte oder Dienstleistungen, die Marktbedingungen, den Wettbewerb, Marketingstrategien, die Gründe für den geplanten Zusammenschluss, und die wahrscheinlichen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb liefern sollen. Darüber hinaus kann die Behörde Befragungen (informell oder unter Eid) von Mitarbeitenden des Unternehmens oder anderen Personen durchführen, die über Branchenkenntnisse verfügen.

Nach Ablauf der zweiten Wartefrist sind folgende Ergebnisse möglich: Die Untersuchung wird eingestellt und der Zusammenschluss kann vollzogen werden, oder es wird eine Vereinbarung mit den Parteien getroffen, die Auflagen zur Wiederherstellung des Wettbewerbs enthält. Alternativ kann die Behörde auch versuchen, die gesamte Transaktion zu stoppen, indem sie bei einem Bundesgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt, bis das Hauptverfahren vor dem Gericht anhängig ist.

Hinweis der Redaktion:
Die Fortsetzung dieses Beitrags erscheint in Deutscher AnwaltSpiegel, Ausgabe 09/2025 und befasst sich ausführlich mit den inhaltlichen Anforderungen der neuen HSR-Form mit anschließender praktischer Bewertung. (tw) 

Autor

Elisabeth S. Wyrembek, LL.M. (London) Haver & Mailänder, Stuttgart Rechtsanwältin, Partnerin

Elisabeth S. Wyrembek, LL.M. (London)

Haver & Mailänder, Stuttgart
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