Von Dr. Robin L. Fritz, Rechtsanwalt, Managing Partner, FPS Rechtsanwälte & Notare, Frankfurt am Main
In Deutschland gibt es aktuell etwa 160.000 Rechtsanwälte. Das Größenwachstum der Kanzleien hat sich in den vergangenen Jahren zwar verlangsamt, findet aber nach wie vor statt. Der Anwaltsmarkt verändert sich dabei stark. Um in diesem sich dynamisch wandelnden Umfeld weiterhin zukunftsfähig zu sein, müssen Kanzleien passende Antworten auf ihre Positionierung bereithalten. Dies zu organisieren und zu administrieren obliegt der Geschäftsführung (dem Management) der Kanzlei.
Bestandsaufnahme
Zukünftige Entwicklungen des Rechtsmarkts vorauszusehen ist schon einigermaßen schwierig. Es beginnt bereits damit, dass es so etwas wie einen „Rechtsmarkt“ in Deutschland nicht gibt. Von den etwa 160.000 Rechtsanwälten arbeiten keine 8.000 in den 50 größten Kanzleien (siehe dazu JUVE Rechtsmarkt, Kanzleiumsätze 2011/2012). Die übrigen rund 152.000 Anwälte arbeiten in kleinen und kleinsten Einheiten; deren persönlicher Jahresumsatz ist im Durchschnitt deutlich niedriger als die Einstiegsgehälter für junge Anwältinnen und Anwälte in den Top-50-Kanzleien. Aber auch innerhalb der Top-50-Kanzleien gibt es erhebliche Unterschiede bezüglich Geschäftsfeldern, Mandanten, Umsatz und Profitabilität, um nur einige wichtige Punkte zu nennen. Dieser Markt hat sich in strategische Gruppen segmentiert. Innerhalb der einzelnen strategischen Gruppen stehen die Kanzleien in starkem Wettbewerb. Diejenigen von ihnen, die am wenigstens wettbewerbsfähig sind, werden auf Dauer unter enormen Druck geraten. Die Herausforderung für diese Kanzleien und insbesondere deren Management liegt in der Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells und der Konsolidierung der Organisation. Entscheidend wird es darauf ankommen, dass es dem Management gelingt, für Geschlossenheit in der Partnerschaft zu sorgen und für die Bereitschaft, gemeinsam die für richtig erkannte Strategie zu verfolgen (vgl. insoweit auch Vaagt, Erfolgreiche Strategien von Wirtschaftskanzleien, 2011, S. 9, 10).
Positionierung und Transparenz
Mit Blick auf die Themenstellung kommt es demgemäß also zunächst einmal darauf an, dass die Kanzlei – und selbstverständlich zuallererst auch das Management – eine klare Vorstellung davon hat, zu welcher strategischen Gruppe die eigene Kanzlei zählt und mit welchen Produkten (Dienstleistungen) man im Markt für wen arbeiten möchte.
Inzwischen ist der Rechtsmarkt außerordentlich transparent geworden. Eine Vielzahl von Veröffentlichungen, Konferenzen und Tagungen beschäftigt sich mit Fragen rund um das Management von Anwaltskanzleien und den „richtigen“ Strategien. Dabei ist die Mehrheit der anwaltlichen Dienstleistungen austauschbar. Die Topkanzleien und insbesondere die dort in der für das Management in der Verantwortung stehenden Partner kennen alle die relevanten Themen; die Anwälte sind in hohem Maße qualifiziert, und die Kanzleien verfügen über Supportabteilungen, betreffend Marketing, Kommunikation und Business-Development. Es stellt sich also die Frage nach Möglichkeiten und Strategien einer erfolgreichen Differenzierung.
Erfolgskriterien in der Praxis
Aus Managementperspektive sehe ich hier die entscheidenden Ansätze. Auf einige der relevanten Punkte darf ich nachfolgend kurz eingehen:
1. Das Wichtigste ist die Qualität der erbrachten Leistung. Die Kanzlei muss in der Lage sein, durch exzellentes Personal (Partner, angestellte Rechtsanwälte, nichtjuristische Mitarbeiter) auf Dauer gleichbleibende Leistungen von höchster Qualität zu erbringen.
2. Einer immer weitergehenden Spezialisierung kommt dabei die entscheidende Bedeutung zu (Spezialisierung in der Spezialisierung).
3. Neben dem rechtlichen Know-how ist ein branchen- oder industriespezifisches Know-how von großem, gegebenenfalls bei der Mandatserteilung auch von entscheidendem Vorteil.
4. Die Kanzlei sollte dauerhaft einen hervorragenden Servicelevel über alle Standorte und Praxisgruppen hinweg haben (beispielsweise Art und Weise der Dokumentationen, Erreichbarkeit, Verfügbarkeit).
5. Notwendig ist ein möglichst individuelles Branding, also eine eindeutige Positionierung der Kanzlei nach innen wie nach außen, verbunden mit einer entsprechenden visuellen Differenzierung.
6. Darauf aufbauend, ist eine geeignete Kommunikationsstrategie erforderlich (etwa: Newsletter, PR, Sponsoring, Vorträge, Veranstaltungen, gegebenenfalls Social Networks).
7. Daneben ist eine faire, transparente Preispolitik wichtig. Trotz des erheblichen Wettbewerbsdrucks sollten die Kanzleien meines Erachtens aber keinesfalls versuchen, Mandate über eine aggressive Preispolitik zu erhalten (siehe dazu auch Fritz, Marktplatzgespräch im Deutschen AnwaltSpiegel, Ausgabe 25/2012, S. 14 ff.).
8. Auch unabhängig von der zuletzt vielbeschriebenen „Generation Y“ kommt dem Thema „Work-Life-Balance“ eine entscheidende Rolle zu. Viele junge Kolleginnen und Kollegen erwarten hier klare und vor allem auch ehrliche Konzepte. Die Internetauftritte und Stellenangebote der Großkanzleien unterscheiden sich inhaltlich insoweit kaum. Einige stellen sogar explizit heraus, dass über dieses Thema keine theoretischen Debatten geführt würden, sondern dass es insoweit ganz konkrete Konzepte gäbe. Die Stichworte sind Teilzeitpartnerschaft, flexible Arbeitszeitmodelle bis hin zu Sabbaticals und Kinderbetreuungsservice. Die Lebenswirklichkeit sieht demgegenüber aber oft doch ganz anders aus. Dies beginnt beispielsweise schon bei dem angestrebten Leverage in der Kanzlei, betrifft aber auch die Anzahl der geforderten abrechenbaren Stunden pro Jahr sowie ganz grundsätzlich die Frage, ob es eine Vollzeiterfassung in der Kanzlei gibt.
Zusammenfassung
Aus der Perspektive des Managements einer wirtschaftsberatenden Kanzlei kommt es also zunächst darauf an, innerhalb der Partnerschaft die hier dargelegten Zusammenhänge zu kommunizieren und für eine entsprechende Ausrichtung der Kanzlei Sorge zu tragen. Die Erkenntnis bei den Partnern über die Zusammenhänge wird dabei in der Regel nicht das Problem sein, vielmehr wird die wesentliche Problematik in der Veränderungsbereitschaft des Einzelnen liegen. Je nachdem, wie eine Kanzlei intern strukturiert und organisiert ist (top down oder eher konsensual), sind die Anforderungen an das Management unterschiedlich. Jedenfalls muss es im Ergebnis gelingen, die Partner dahin zu bewegen, dass sie ihr individuelles Wohlbefinden zurückstellen hinter strategische Themen, die für die Gesamtsozietät notwendig sind, einschließlich der Umsetzung einer geeigneten Differenzierung im Markt.
Kontakt: fritz@fps-law.de

