SustainableValue ist eine Publikation der Produktfamilie Deutscher AnwaltSpiegel

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Greenwashing – eine unendliche Geschichte?

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Im heutigen Leistungswettbewerb nimmt Umwelt­bewerbung einen immer größeren Stellenwert ein. Seit Jahren nimmt das Interesse der Verbraucher zu, über die Umweltverträglichkeit eines Produkts oder eines Unternehmens aufgeklärt zu werden. Mehr noch: Viele Verbraucher richten ihr Kaufverhalten maßgeblich auch an dem Parameter „Umweltverträglichkeit“ aus. Daher verwundert es nicht, wenn Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsbemühungen auch werbewirksam kommunizieren möchten, um hiervon beim Absatz ihrer Produkte zu profitieren. Hierbei sehen sie sich jedoch mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert. So verändert sich einerseits das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers stetig, und die Rechtsprechung war im Bereich der umweltbezogenen Werbung nicht immer einheitlich. Die werbenden Unternehmen konnten sich im Bereich der ­Umweltwerbung daher leicht mit dem – berechtigten oder unberechtigten – Vorwurf des unzulässigen „Greenwashings“ konfrontiert sehen.

Ein aktuelles Urteil des BGH hat sich nun erstmals mit dem Begriff der „Klimaneutralität“ auseinandergesetzt und der Werbepraxis gewisse Leitplanken aufgezeigt. In gewisser Weise stellt es einen Vorgriff auf künftige Änderungen in Folge des European Green Deals der Europäischen Kommission dar. Dieser hat das Ziel, die Europäische Union bis zum Jahr 2050 klimaneutral aufzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen Verbraucher in die Lage versetzt werden, nachhaltige Konsumentscheidungen zu treffen, indem die Verbraucherinformationen verbessert und umweltbezogene Aussagen von Unternehmen besser überprüft werden sollen. Zwei Mittel zur Erreichung dieses Zieles sind die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (EmpCo-RL) ­sowie die Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (Green-Claims-RL). Während die EmpCo-RL am 26.03.2024 in Kraft getreten ist und die Mitgliedstaaten diese nun bis zum 27.09.2026 in das jeweilige nationale Recht umsetzen müssen, ist aktuell noch nicht absehbar, wann und ­gegebenenfalls mit welchen Änderungen die Green-Claims-RL in Kraft treten wird.

Ausgehend vom Urteil des BGH in Sachen „Klimaneutralität“ gibt dieser Artikel einen kurzen Überblick über ­einige der wesentlichen Änderungen, die der European Green Deal für die Werbung mit umweltbezogenen ­Aussagen künftig mit sich bringen wird.

Das aktuelle BGH-Urteil zu „Klimaneutralität“

Gegenstand des Urteils war die Werbeanzeige eines Fruchtgummiherstellers, in welcher dieser damit warb, seit 2021 alle Produkte klimaneutral zu produzieren (siehe hierzu auch den Beitrag in Deutscher AnwaltSpiegel 15/2024). In der Werbung wurde zudem ein Logo mit dem Begriff „klimaneutral“ gezeigt. Die Herstellung der Süßigkeiten selbst war jedoch nicht emissionsfrei und wurde allenfalls bilanziell durch angebliche Kompensationsmaßnahmen erreicht. Die Vorinstanzen hatten die ­Bewerbung als „klimaneutral“ dennoch als zulässig erachtet, da die Verbraucher wüssten, dass Klimaneutralität auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Ferner sei in der Werbeanzeige durch einen Link bzw. einen QR-Code die Möglichkeit eingeräumt worden, sich online näher über die behauptete Klimaneutralität zu informieren.

Der BGH sah dies anders und hielt die Bewerbung der Produkte als „klimaneutral“ für unzulässig. So sei der ­Begriff „klimaneutral“ mehrdeutig, da er sowohl im Sinne einer CO2-Reduktion als auch einer bloßen ­Kompensation verstanden werden könne. Daher müsse in der Werbung selbst eindeutig und klar erläutert werden, welche Bedeutung im konkreten Fall maßgeblich sei. Außerhalb der Werbung erfolgende aufklärende Hinweise, deren ­Anzeige darüber hinaus von einem aktiven Tun des jeweiligen Verbrauchers abhängen, seien nicht ausreichend.

Dieses Urteil des BGH stellt eine gewisse Zäsur im ­Bereich der Umweltwerbung dar und verdeutlicht, dass hier wohl eher strengere Maßstäbe anzuwenden sind als bisher. Die rechtlichen Vorgaben an Umweltwerbung werden sich in Folge des European Green Deals jedoch künftig ohnehin noch weiter verschärfen. Unternehmen sollten daher ­jedenfalls die für Umweltwerbung künftig relevantesten Aspekte im Blick behalten. Diese werden im Folgenden überblicksmäßig dargestellt.

Der European Green Deal

Wie bereits angemerkt, stellen die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (Emp­Co-RL) sowie der Vorschlag für eine Richtlinie über die ­Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (Green-Claims-RL) zwei wesentliche Instrumente dar, mit denen die Ziele des EU Green Deals erreicht werden sollen.

Die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (EmpCo-RL)

Die für Werbetreibenden wohl relevantesten Vorgaben der EmpCo-RL betreffen die nachfolgenden Aspekte:

  • Werbung mit allgemeinen Umweltaussagen: Allgemeine ­Umweltaussagen sind künftig per se verboten, wenn der Gewerbetreibende sie nicht nachweisen kann. Bei all­gemeinen Umweltaussagen geht es in erster Linie um kurze, plakative Aussagen, mit denen die Umwelt­auswirkungen eines Produkts oder Unternehmens ­beschrieben werden (z.B. „umweltfreundlich“, „umweltschonend“, „klimafreundlich“, „biologisch abbaubar“, „energieeffizient“ oder „grün“). Solchen Aussagen fehlt ein konkret überprüfbarer Aussagegehalt. Aus ihnen selbst geht beispielsweise nicht hervor, welcher konkrete Umweltaspekt bzw. Teil des Lebenszyklus eines Produkts betroffen ist oder wie eine beschriebene Wirkung erreicht wird. Solche allgemeinen Umweltaussagen sind unzulässig, wenn der Werbende nicht nachweisen kann, dass das Produkt bzw. das Unternehmen gesetzlich festgelegten Umwelthöchstleistungen entspricht. Da es nur in wenigen Bereichen entsprechende Normierungen gibt, dürften die meisten allgemeinen Aussagen künftig unzulässig sein. Sofern eine Umweltaussage hingegen gleichzeitig klar und verständlich substantiiert wird, liegt keine allgemeine Umweltaussage vor. In diesem Fall liegt vielmehr eine ausdrückliche Umweltaussage vor, welche am Maßstab der künftigen Green-Claims-RL zu messen ist.
  • Werbung mit der Kompensation von Treibhausgasen: Die Produktwerbung mit einer Verringerung von Treibhaus­gasen ist ferner unzulässig, wenn diese lediglich auf ­deren Kompensation beruht. Hierdurch sollen die Verbraucher vor der Fehlvorstellung geschützt werden, ein Produkt habe keinerlei Auswirkungen auf die Umwelt. Hiernach ist beispielsweise die Bewerbung eines Produkts als „bilanziell klimaneutral“ künftig nicht gestattet. Hier wird die beworbene Klimaneutralität nur ­bilanziell durch entsprechende Kompensation, nicht aber durch entsprechende Einsparungen innerhalb der Wertschöpfungskette erreicht.
  • Werbung mit künftigen Umweltleistungen: Die Werbung mit künftigen Umweltleistungen ist ebenfalls unzulässig, wenn diese nicht auf einem detaillierten und realis­tischen Umsetzungsplan beruhen, der regelmäßig von einem unabhängigen externen Sachverständigen überprüft wird. Die in dem Umsetzungsplan festgelegten Verpflichtungen müssen zudem klar, objektiv, öffentlich einsehbar und überprüfbar sein, und die Prüfergebnisse des externen Sachverständigen müssen regelmäßig veröffentlicht werden. Sofern Unternehmen also mit künftigen Umweltleistungen werben wollen, wird dies ihnen einen deutlichen Mehraufwand (z.B. Planung und ­Monitoring) abverlangen.
  • Werbung mit Nachhaltigkeitssiegeln: Die Verwendung eines freiwilligen Nachhaltigkeitssiegels in Bezug auf ökologische, soziale oder ethische Aspekte ist künftig stets ­unzulässig, wenn es nicht auf einem Zertifizierungs­system beruht oder nicht von staatlichen Stellen fest­gesetzt wurde. Hierdurch soll die Transparenz und Glaubwürdigkeit von Nachhaltigkeitssiegeln sicher­gestellt und dem „Wildwuchs“ selbst ausgedachter „Ökosiegel“ Einhalt geboten werden. Hinsichtlich des Zertifizierungssystem ist wesentlich, dass die Zertifizierung durch eine vom Nutzer des Siegels als auch vom Inhaber des Nachhaltigkeitssiegels unabhängige Person erfolgt.
  • Produktverallgemeinernde Werbung mit Umweltangaben: Eine Werbung mit Umweltangaben ist ferner unzulässig, wenn sie sich entgegen einem anderen Anschein nur auf einen Teil des Produkts beziehen. Beispielsweise dürfte hiernach die Aussage unzulässig sein, ein Autositz ­bestünde aus Recyclingmaterial, wenn jedoch nur der Stoffbezug aus entsprechendem Material hergestellt wurde. Der Werbende wird hier also insbesondere darauf zu achten haben, deutlich und unmissverständlich darüber aufzuklären, welcher konkrete Teil eines Produkts aus Recyclingmaterial besteht.
  • Umweltaussagen kraft Gesetzes: Die Bewerbung eines Produkts mit Umweltaussagen, die ohnehin schon kraft Gesetzes für das Produkt und unterschiedslos für alle Gewerbetreibenden gelten, ist künftig ebenfalls unzulässig. Es darf also z.B. nicht mehr mit der Einhaltung eines gesetzlich vorgegebenen Mindeststandards geworben werden. Dessen Einhaltung stellt vielmehr eine (ohnehin vom Verkehr bzw. Gesetz erwartete) „Selbstverständlichkeit“ dar und keine besondere Eigenschaft des jeweiligen Produkts. Über dem gesetz­lichen Mindeststandard liegende Maßnahmen dürfen aber auch weiterhin beworben werden.
  • Obsoleszenz: Schließlich sind auch Geschäftspraktiken untersagt, die dazu führen, dass alte Produkte schneller ersetzt werden als notwendig (Obsoleszenz). Hierdurch sollen unnötige Abfallmengen vermieden und Einsparungen bei Energie und Rohstoffen erreicht werden.

Die Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (Green-Claims-RL)

Neben der EmpCo-RL soll die Green-Claims-RL künftig weitere Anforderungen an die Begründung und Kommunikation ausdrücklicher Umweltaussagen und in Bezug auf Umweltzeichen aufstellen. Im Verhältnis zur EmpCo-RL soll die Green-Claims-RL eine Lex specialis darstellen. Einige der wohl relevantesten Regelungen der künftigen Green-Claims-RL werden nachfolgend dargestellt.

  • Werbung mit ausdrücklichen Umweltaussagen: Ausdrückliche Umweltaussagen sollen im Vergleich zu allgemeinen Umweltaussagen im Sinne der EmpCo-RL besonderen Anforderungen nach der Green-Claims-RL unterliegen. Was genau dem Begriff einer ausdrücklichen Umweltaussage unterfallen soll, ist derzeit jedoch noch nicht abschließend geklärt. Es dürften aber wohl nur spezifizierte und substantiierte Umweltaussagen hierunter fallen, die nicht dem Verbot der allgemeinen Umwelt­aussage unterfallen. Sofern eine Umweltaussage als ausdrückliche Umweltaussage einzustufen ist, muss diese künftig vor ihrer Benutzung unabhängig durch eine akkreditierte, unabhängige Konformitätsbewertungsstelle geprüft werden und die ihr zugrundeliegende ­Behauptung muss wissenschaftlich belegt, substantiiert und transparent sein. Werbende Unternehmen müssen die Umweltaussage daher anhand bestimmter Aspekte bewerten (z.B. Bezugspunkt, wissenschaftliche Grundlage, Lebenszyklus etc.), und die Umweltaussage darf sich ferner nur auf bedeutende Aspekte beziehen, so dass geringfügige Umweltmaßnahmen künftig nicht mehr durch ausdrückliche Umweltaussagen beworben werden dürfen. Im Falle vergleichender Umwelt­werbung mit den Produkten von Wettbewerbern muss zusätzlich erläutert werden, auf welchen gleichwertigen Informationen und Daten der Vergleich beruht.
  • Weitere Kommunikation im Zusammenhang mit ausdrücklichen Umweltaussagen: Im Zusammenhang mit ausdrücklichen Umweltaussagen sollen auch weitere Aufklärungspflichten des Werbenden bestehen. Gehört die Nutzungs­phase zu den wichtigsten Lebenszyklusphasen des beworbenen Produkts, so muss eine Aufklärung darüber erfolgen, wie der Verbraucher das Produkt verwenden sollte, um die erwartete Umweltleistung dieses Produkts zu erreichen. Geht es um die künftige Umweltleistung eines Produkts, so muss der Werbende sich mit der ausdrücklichen Werbeaussage gleichzeitig zu Verbesserungen der eigenen Tätigkeiten und innerhalb der Wertschöpfungsketten verpflichten.
  • Werbung mit Umweltzeichen: Anders als Nachhaltigkeits­zeichen im Sinn der EmpCo-RL beziehen sich Umweltzeichen im Sinne der Green-Claims-RL ausschließlich bzw. überwiegend auf Umweltaspekte. Die genauen ­Anforderungen an entsprechende Umweltzeichen scheinen aktuell noch nicht abschließend geklärt zu sein. Umweltzeichen müssen jedoch auf einem Umweltzeichen- bzw. Zertifizierungssystem beruhen, das besondere Anforderungen erfüllt und dessen Konformität durch einen akkreditierten Prüfer bestätigt wurde. Unklar ist aktuell jedoch noch, wie genau die Funktions­weise des Umweltzeichensystems ausgestaltet werden soll.

Ausblick und Praxishinweis

Die aktuelle Rechtsprechung sowie die Gesetzgebungs­verfahren auf EU-Ebene zeigen deutlich, dass die Regelungen für Umweltwerbung künftig deutlich strenger werden als bisher. Für Unternehmen gilt es daher, sich hierauf entsprechend einzustellen und ihre Werbemaßnahmen an diesen strengeren Regeln auszurichten. Anderenfalls ­laufen sie Gefahr, dass ihre Umweltwerbung als wett­bewerbswidriges „Greenwashing“ eingestuft werden und daher von Wettbewerbern oder auch klagebefugten ­Verbänden mit Erfolg angegriffen werden könnte.

 

Autor

Roman Brtka Ashurst LLP, München Rechtsanwalt, Partner roman.brtka@ashurst.com www.ashurst.com

Roman Brtka
Ashurst LLP, München
Rechtsanwalt, Partner

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