Der Schutz der Menschenrechte rückt immer stärker in den Fokus: durch aktuelle politische Entwicklungen und die Erwartungshaltung vieler Verbraucher. Dies zeigt sich auch in jüngsten Gesetzesinitiativen, die den Schutz der Menschenrechte fördern sollen, allen voran das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das in einer ersten Welle für größere Unternehmen ab 3.000 Mitarbeiter Anfang 2023 in Kraft tritt. Daneben gibt es diverse andere gesetzliche Regelungen, die sich in verschiedenen Industriesektoren und mit sehr unterschiedlichen Ansätzen dem Thema nähern, sowie eine Vielzahl freiwilliger Selbstverpflichtungen in diesem Bereich.
Für Unternehmen stellt sich jetzt die Frage, wie sie mit dem Thema umgehen und den Anforderungen gerecht werden sollen. Obwohl Compliance schon seit vielen Jahren und Environmental Social Governance (ESG) in der jüngeren Vergangenheit zentrale Themen für die Governance eines Unternehmens sind, beschreiten die meisten Unternehmen im Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte oft Neuland.
Viele Unternehmen verpflichten sich bereits freiwillig
Unternehmen, die sich schon länger mit dem Schutz der Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility befassen, sind in der Regel mit freiwilligen Regimen gestartet. Eines der bekannteren ist der UN Global Compact, der 2010 verabschiedet wurde. Teilnehmende Unternehmen verpflichten sich freiwillig zur Einhaltung bestimmter Standards, insbesondere in den Bereichen Umwelt- und Arbeitsschutz als Garanten der Menschenwürde.
Hohe Bußgelder bei Verstößen gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Die wichtigsten gesetzlichen Initiativen der jüngeren Vergangenheit sind das bereits erwähnte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das kürzlich verabschiedet wurde, und die novellierte Dual-Use-Verordnung der EU, die am 09.09.2021 in Kraft getreten ist.
Die größte Aufmerksamkeit in der öffentlichen Debatte hat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erfahren, das insbesondere arbeitsschutzrechtliche und Umweltstandards setzt, deren Einhaltung Unternehmen in der Lieferkette sicherstellen müssen. Dabei geht es um für die Wahrung der Menschenrechte elementare Anforderungen wie angemessenen Lohn, angemessenen Arbeitsschutz oder das Verbot des Einsatzes schädlicher Chemikalien. Bei Verstößen drohen empfindliche Bußgelder, die bis zu 2 % des Jahresumsatzes betragen können. Dementsprechend sind zahlreiche Unternehmen in Deutschland aktuell intensiv damit befasst, die Auswirkungen der neuen Regelungen auf ihr Geschäft zu überprüfen und erste Schritte zu unternehmen, um die interne Organisation auf die neuen Herausforderungen auszurichten.
Schutz der Menschenrechte auch im Außenwirtschaftsverkehr geregelt
Von der breiten Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt hat die Anfang September in Kraft getretene Novelle der Dual-Use-Verordnung der EU zu einer Stärkung des Schutzes der Menschenrechte im Außenwirtschaftsverkehr beigetragen. Die Dual-Use-Verordnung regelt, in welchen Fällen für die Ausfuhr von Waren, Software oder Technologie in andere als Mitgliedstaaten der EU eine behördliche Ausfuhrgenehmigung von nationalen Behörden erforderlich ist. Die Novelle hat ein Genehmigungserfordernis insbesondere für die Ausfuhr von Gütern für die digitale Überwachung eingeführt. Auslöser für die Genehmigungspflicht ist, dass die betreffenden Güter ganz oder teilweise für eine Verwendung im Zusammenhang mit interner Repression und/oder der Begehung schwerwiegender Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht bestimmt sind oder sein können.
Dabei greift das Genehmigungserfordernis dann, wenn das Unternehmen, das solche Güter ausführen möchte, von der zuständigen Behörde auf die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen hingewiesen wird. Es greift außerdem, wenn das Unternehmen im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht Erkenntnisse zu potenziellen Verletzungen der Menschrechte erlangt. Die Verordnung setzt also voraus, dass Unternehmen sich um eigene Erkenntnisse in diesem Bereich bemühen. Sowohl das Ausmaß der Sorgfaltspflicht selbst als auch der für den Erkenntnisgewinn zu treibende Aufwand werden jedoch nicht näher beschrieben. In diesem Zusammenhang muss man sich allerdings bewusstmachen, dass nur eine kleine Gruppe von Unternehmen von diesen Genehmigungserfordernissen betroffen ist, da nur eine kleine Zahl von Unternehmen in diesem Segment wirtschaftlich aktiv ist.
Darüber hinaus eröffnet die Novelle jedoch den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, auch Ausfuhren von anderen Gütern aus Menschenrechtserwägungen zu regulieren – bis hin zur Untersagung.
Es ist als ein großer Schritt in Richtung Schutz der Menschenrechte zu werten, dass deren mögliche Verletzung als Auslöser für eine Genehmigungspflicht oder eine Untersagung explizit genannt wird.
Rohstoffhandel und -import unter der Lupe
Dies gilt auch für weitere Vorschriften, die schon vor längerer Zeit in Kraft getreten sind. Hierzu gehören etwa Vorschriften über den Import von und den Handel mit Rohstoffen, namentlich die sogenannte Kimberley-Verordnung. Sie regelt den Handel mit Diamanten, insbesondere mit den „Blut-Diamanten“. Die Konfliktminerale-Verordnung regelt den Import von und den Handel mit Tantal, Zinn, Wolfram und Gold. Diese Verordnungen bezwecken im Ergebnis ebenfalls den Schutz der Menschenrechte, indem sie sich gegen unerträgliche Arbeitsbedingungen, die Zerstörung der Lebensgrundlagen durch Schädigungen der Umwelt oder die Ausübung von Gewalt und Repression durch staatliche Stellen wenden.
Anpassung bestehender Compliance-Systeme notwendig
Jüngste Neuerung ist, dass einige der neu geschaffenen Regelungen – allen voran das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – sich nicht mehr auf spezifische Industrien fokussieren, sondern unabhängig von bestimmten Gütern oder bestimmten Herkunftsländern den Schutz der Menschenrechte generell und unmittelbar bezwecken.
Dies stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Eine zentrale Aufgabe der betroffenen Unternehmen wird es sein, diese neuen Herausforderungen anzunehmen und erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte in die bereits bestehenden Compliance-Systeme zu integrieren, um auf diese Weise Synergien realisieren zu können. Denn auch der Schutz der Menschenrechte auf der Basis der genannten gesetzlichen Vorschriften ist vor allem eine Compliance-Aufgabe.
Vorsicht bei Third Party Risks
Die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen ist in den allermeisten Fällen ein typisches Third Party Risk. Dabei ist zu bedenken, dass Verstöße gegen Vorschriften für den Schutz der Menschenrechte überall passieren können – auch in Europa, etwa im Hinblick auf angemessenen Lohn oder die Einhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen. Viele Verstöße und leider auch gerade besonders schwerwiegende Verstöße finden sich jedoch außerhalb der Grenzen der EU, etwa im Fall von Kinderarbeit oder substanziellen Umweltverschmutzungen, die sich auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung unmittelbar negativ auswirken.
Diesen Third Party Risks zu begegnen, ist eine zentrale Aufgabe einer Compliance-Organisation. Bisher sind Third Party Risks im Rahmen einer Geschäftspartner-Due-Diligence etwa in den Bereichen Korruptionsbekämpfung, Geldwäsche oder Wirtschaftssanktionen und Terrorismusbekämpfung zu verorten und haben sich dort schon als eine Art Best Practice etabliert. Die allermeisten Unternehmen verfügen also bereits über bewährte interne Strukturen, um Risiken bei Geschäftspartnern zu identifizieren und auf diese angemessen zu reagieren. In diese Strukturen sind nun die Anforderungen an den Schutz der Menschenrechte – insbesondere etwa auf der Basis des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes – zu integrieren. Dabei wird es zukünftig wohl zu branchenspezifischen Lösungen kommen, wie sie beispielsweise aus der Lebensmittelindustrie ebenso wie der Textilindustrie („Grüner Knopf“) bekannt sind.
Es geht nun darum, auch die Anforderungen des Schutzes der Menschenrechte als Ziel in die Unternehmensführung zu integrieren und gemeinsam mit Behörden, NGOs und den Geschäftspartnern in aller Welt sinnvolle Strukturen zu schaffen, um dieses Ziel zu erreichen. Am Ende des Tages zum Wohle aller.
Unabhängig von rechtlichen Anforderungen wird den Verbrauchern hierbei voraussichtlich ebenfalls eine wichtige Rolle zu kommen. Wie sich in einigen Branchen schon gezeigt hat, ist die Industrie selbstverständlich willens und in der Lage, auf veränderte Prioritäten der Verbraucher zu reagieren.