Climate Change Litigation on the rise

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Der Klimawandel stellt Staaten, Unternehmen und die Zivilgesellschaft weltweit vor unterschiedlichste Herausforderungen. Ein Aspekt davon sind Rechtsstreitigkeiten, bei denen die Kläger gegen die aus ihrer Sicht unzureichende Klimaschutzgesetzgebung von Staaten vorgehen oder gegen Unternehmen als Emittenten von Treibhausgasen Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Die Zahl derartiger Klagen nimmt rasant zu, was eine jüngst veröffentliche Studie der London School of Economics (LSE) vom 30.06.2022 zeigt (hier).

Das Phänomen der Klimaklagen gegen Unternehmen, das sich zunächst im anglo-amerikanischen Rechtsraum abzeichnete, macht u.a. vor dem Hintergrund der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens auch vor den europäischen Jurisdiktionen nicht halt. In Deutschland kommt es zunehmend zu Klagen, die von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), wie der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) oder Greenpeace e.V., finanziert sind und sich gegen die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer sowie auch Unternehmen richten. Letztere stehen in nahezu allen Branchen unter zunehmendem gesellschaftlichem, regulatorischem und/oder wirtschaftlichem Druck, einen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen zu leisten und sich über ihre Beiträge zum Klimaschutz Gedanken zu machen.

Weltweit wurden zwischen 1986 und 2014 insgesamt circa 800 Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Klimawandel gezählt. In den acht Jahren von 2014 bis heute sind mehr als 1200 Fälle hinzugekommen; im Mai 2022 zählte man weltweit 2002 laufende und abgeschlossene Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Im Jahr 2021 wurde außerhalb der USA die höchste jährliche Anzahl an Streitigkeiten festgestellt. Die Bandbreite an Unternehmen, gegen die Klimaklagen gerichtet werden, nimmt dabei ebenfalls stetig zu. Die meisten Klagen werden zwar noch immer gegen Unternehmen aus dem Bereich der fossilen Brennstoffe, also der Öl- und Gasindustrie, angestrengt. Zunehmend richten sich Klagen vor allem im europäischen Rechtsraum nun aber auch gegen die Lebensmittel- und Landwirtschaft, den Verkehrssektor oder das Finanzwesen.

Klimaklagen in Deutschland

Das derzeit prominenteste deutsche Verfahren mit dem Ziel des Kostenersatzes für Maßnahmen zur Abwendung von drohenden Klimaschäden ist vor dem Oberlandesgericht Hamm anhängig. Dort klagt ein peruanischer Landwirt gegen die RWE AG, um insbesondere eine anteilige Zahlung für vermeintlich notwendige Flutsicherungsmaßnahmen wegen eines infolge der Erderwärmung schmelzenden Gletschers und steigender Wasserspiegel durchzusetzen, da die RWE AG einen signifikanten Anteil der weltweit emittierten Treibhausgase verursacht habe. Ende Mai fand eine Beweisaufnahme in Peru am Lake Palcacocha statt, um die haftungsbegründenden Umstände zu eruieren. Der Fortgang des weiteren Verfahrens wird mit Spannung zu verfolgen sein.

Vor den Landgerichten Stuttgart, München und Detmold wurden im Jahr 2021 von der DUH finanzierte Klagen gegen mehrere Automobilkonzerne mit dem Ziel eingereicht, die Herstellung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren künftig zu verhindern, wobei sich die Landgerichte Detmold und Stuttgart bereits skeptisch hinsichtlich der Anspruchsziele der Kläger geäußert haben. Mitte September dürfte hier mit ersten Entscheidungen der Gerichte zu rechnen sein. Weiter ist vor dem Landgericht Kassel ein Verfahren anhängig, im Rahmen dessen ein Unternehmen verpflichtet werden soll, seine Gas- und Ölförderung ab 2026 zu reduzieren, indem es sich nicht mehr an der Erschließung von neuen Gas- und Ölfeldern beteiligt.

Aufhänger der Klagen: Der „Klimabeschluss“ des Bundesverfassungsgerichts

Überwiegend stützen sich aktuelle Klimaklagen in Deutschland auf den „Klimabeschluss“ des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 24. März 2021. Die zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen das deutsche Klimaschutzgesetz (KSG) vom 12.12.2019, das nationale Klimaschutzziele und zulässige Emissionsmengen pro Jahr bis 2030 regelte. Laut BVerfG war das Gesetz insofern mit Grundrechten unvereinbar, als dass hinreichende Maßnahmen für eine Reduktion der Emissionen ab 2031 fehlten. Das bis 2030 gesetzlich zugelassene Emissionskontingent führe dazu, dass die ab 2030 verbleibende Emissionsmenge so gering sei, dass jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit gefährdet sei. Die Grundrechte dienen nach der Entscheidung des BVerfG auch der sogenannten intertemporalen Freiheitssicherung. Sie schützen auch vor Freiheitsgefährdungen, die durch einseitige Verlagerung der Emissionsminderungslast in die Zukunft verursacht werden. Die bis dato zugelassenen Treibhausgasemissionen könnten derartige irreversible Gefährdungen der grundrechtlich geschützten Freiheiten in der Zukunft begründen. Durch die Verlagerung der Reduktion der Treibhausgasemissionen auf die Zeit nach 2030 entstehe ein höherer Druck, Emissionen in verfassungsrechtlich gebotenem Maße zu reduzieren.

Übertragbarkeit des Klimabeschlusses auf Unternehmen?

Grundlage des Klimabeschlusses des BVerfG sind die aus dem Grundgesetz folgenden Schutzpflichten des Staates (auch) im Hinblick auf die Gefahren des Klimawandels. Für Unternehmen ergeben sich aus dem Grundgesetz keine vergleichbaren Schutzpflichten. Eine Übertragbarkeit des Klimabeschlusses des BVerfG auf Unternehmen ist daher mehr als zweifelhaft. Ansprüche von Bürgern gegen Unternehmen könnten sich allenfalls aus den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen etwa zum Schutz des Eigentums und der Gesundheit ergeben. Allerdings ergeben sich hier zahlreiche Fragestellungen, die bislang weder dogmatisch noch gerichtlich abschließend geklärt sind. Eine rechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen erscheint daher etwa mit Blick auf die Frage der Ursächlichkeit des Klimawandels für konkrete lokale Eigentums- und/oder Gesundheitsbeeinträchtigungen, das Zusammenwirken einer Vielzahl von Treibhausgasemittenten über längere Zeit und über Ländergrenzen hinweg, die (mit wenigen Ausnahmen) nach wie vor bestehende rechtliche Zulässigkeit von Treibhausgasemissionen sowie entsprechende Zweifel bezüglich etwaiger ungeschriebener Verkehrssicherungspflichten zur Reduktion von Treibhausgasen fraglich.

Fazit

Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zum Klimawandel nehmen zu. Es ist davon auszugehen, dass die Fallzahlen auch in Zukunft weiter steigen und sich das Kläger- und Beklagtenspektrum weiter diversifizieren wird. Derzeit dürfte eine rechtliche Verantwortung von Unternehmen für zurückliegende Treibhausgasemissionen für die Kläger allerdings wohl nur schwerlich darzulegen und zu beweisen sein; ausgeschlossen ist dies jedoch nicht. Die ausstehenden gerichtlichen Entscheidungen in den vorbezeichneten Verfahren sind daher genau zu beobachten. Für betroffene Unternehmen ist allerdings schon die Erhebung einer Klage als solcher mit negativen Folgen wie erheblichen Verteidigungskosten und potentiell negativer Berichterstattung verbunden.

Ohnehin nehmen das öffentliche Bewusstsein für den Klimawandel und das Bedürfnis nach weiteren Klimaschutzanstrengungen immer weiter zu. Das spiegelt sich darin, dass immer mehr Unternehmen versuchen, ihre Bemühungen in puncto Klimaschutz öffentlichkeitswirksam darzustellen. Parallel dazu nehmen sogenannte „Greenwashing“-Vorwürfe zu, denen zufolge Klimaschutzbemühungen von Unternehmen hinter ihren diesbezüglichen Verlautbarungen zurückblieben. Im Ergebnis steigt der öffentliche Druck auf Unternehmen, sich ernsthaft um Klimaschutz zu bemühen. Die aktuelle Energiekrise tut ihr Übriges, um die Bedeutung der Substituierung fossiler Energieträger aus einem ganz anderen Blickwinkel zu manifestieren. Schließlich ist festzustellen, dass der Klimaschutz zunehmend zum Gegenstand regulatorischer Eingriffe des Gesetzgebers wird. Die Bepreisung von Treibhausgasemissionen könnte sich intensivieren, und auch die rechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen für den Kampf gegen den Klimawandel bzw. für seine Folgen könnte künftig explizit geregelt werden. Beispielhaft sei hier das Vorhaben der EU-Kommission genannt, Unternehmen im Zuge der Anfang 2022 im Entwurf vorgelegten Corporate Sustainability Due Diligence Directive explizit zu verpflichten, einen Plan festzulegen, mit dem sie sicherstellen, dass das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gemäß dem Übereinkommen von Paris vereinbar sind. Begrüßenswert wären letztlich öffentlich-rechtliche Regelungen, welche verbindliche Mindeststandards festlegen, die Unternehmen erfüllen können, um rechtssicher eine mögliche Haftung für Klimaschäden und einhergehende Rechtsfolgen ausschließen zu können. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der Klimawandel vor Staatsgrenzen nicht haltmacht, es also nicht nur einzelstaatlicher Regelungen, sondern insbesondere auch internationaler Übereinkünfte sämtlicher Akteure mit gemeinsamen und verbindlichen Zielbestimmungen bedarf, denn andernfalls dürften die Herausforderungen des Klimawandels nicht zu meistern sein.

 

daniel.walden@advant-beiten.com

lukas.frischholz@advant-beiten.com

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