Im Blickpunkt: Die wichtigsten Themen in 2022

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Die Coronapandemie beeinflusst weiterhin viele deutsche Unternehmen. 2022 wird sich für zahlreiche Firmen zum Jahr der Restrukturierung entwickeln. Im neuen Jahr sind daher Sanierungsthemen für viele Mittelständler und Konzerne von großer Bedeutung. Viele Wege führen aus der Unternehmenskrise, die folgenden fünf Themen werden 2022 ganz oben auf der Agenda stehen.

Meine Top-5-Themen für 2022:

(1) Integrierte Unternehmensplanung mit Szenarien

An erster Stelle steht die integrierte Unternehmensplanung. Sie ist das wichtigste Werkzeug, mit dem ein Betrieb zukunftsfähig aufgestellt ist und bleibt. In der derzeitigen wirtschaftlichen Lage müssen Unternehmen flexibel und umsichtig planen. Die Coronapandemie bleibt ein großer Unsicherheitsfaktor. Aktuell weiß niemand, wie sich die Krise weiterentwickelt. Staatliche Hilfen laufen nach dem derzeitigen Stand spätestens im ersten Quartal 2022 aus. Darauf muss sich die Unternehmensplanung einstellen: denn Kurzarbeit und andere staatliche Unterstützungszahlungen hatten bislang einen bedeutenden Einfluss auf die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung. Für 2022 muss daher neu kalkuliert werden.

Die integrierte Unternehmensplanung gibt Aufschluss über die mittelfristige Entwicklung der Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage. Sie ist ein Planungs- und Frühwarnsystem und sollte idealerweise vor einer Krise eingesetzt werden. Auch wenn Planungen für das kommende Geschäftsjahr schwierig sind, sollte die Geschäftsführung Best- und Worst-Case-Szenarien berechnen und verschiedene Alternativszenarien erarbeiten, um optimal vorbereitet zu sein. Bei der Planung sind insbesondere aktuelle Herausforderungen, beispielsweise die Lieferengpässe, miteinzubeziehen. In einigen Branchen ist bereits von der Chipkrise die Rede. Weitere Probleme für viele Branchen sind die Ressourcenknappheit und die gestiegenen Rohstoffpreise. Die Coronapandemie hat diese Probleme noch weiter verschärft, es herrscht bei vielen Rohstoffen eine extreme Verknappung. Das wiederum führt weltweit zu höheren Preisen, längeren Lieferzeiten und geringeren Verfügbarkeiten. Manche Produktionswerke sind bis Anfang 2022 geschlossen. Und das spätere Anlaufen und Hochfahren der Produktion führt zu erhöhtem Working- Capital-Finanzierungsbedarf. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass vor allem eine 13-Wochen-Liquiditätsplanung sehr wichtig ist. Nur so erhält die Unternehmensleitung einen umfassenden Überblick und kann, sofern es erforderlich ist, die richtigen Entscheidungen für Gegenmaßnahmen treffen.

(2) Transformation auf mehreren Ebenen

Ein zweiter Punkt, der für Betriebe im Jahr 2022 auf der Agenda steht, ist die Transformation in verschiedenen Bereichen. Die Digitalisierung beschäftigt Unternehmen aller Branchen schon deutlich länger. Und die Pandemie hat diesen Prozess beschleunigt. Unternehmen aller Branchen sollten eine Digitalisierungsstrategie für ihr Geschäftsmodell vorweisen können. Eine fundierte Digitalstrategie ist einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren für die digitale Transformation. Die digitale Strategie muss mit der Unternehmensstrategie in Einklang gebracht werden, sie setzt Prioritäten und verleiht den Verantwortlichen die nötige Legitimation für Veränderungen. Die Digitalstrategie sollte die Wettbewerbs-, Kunden- und Unternehmenssituation bewerten und auf den Stärken des Unternehmens aufbauen. In einem Sanierungsgutachten nach IDW-S 6-Standard gehört sie zur Betrachtung der Wettbewerbsfähigkeit daher dazu.

Die Digitalisierung ist jedoch nicht die einzige Herausforderung, auf die sich Unternehmen vorbereiten müssen. Auf grundlegende Veränderungen stellt sich beispielsweise die Automobilindustrie derzeit ein. Sie befindet sich weltweit in einem fundamentalen Transformationsprozess, dessen wesentlicher Bestandteil der Umstieg von konventionellen Antrieben mit Verbrennungsmotoren auf elektrische Antriebe ist. Aber auch in vielen anderen Branchen stehen Investitionen, neue Arbeits- und Kooperationsstrukturen und gänzlich neue Märkte auf der Agenda.

Derzeit zeigt sich in der täglichen Praxis von Restrukturierungsexperten eine weitere Aufgabe. Investoren legen vermehrt den Fokus auf Investitionen und Anlagen, die ESG-konform sind. ESG beschreibt hier die Bereiche, in denen ein Betrieb nachhaltig aufgestellt ist: zunächst der Bereich „Environment“, also die Beachtung des Umweltschutzes und beispielsweise die Vermeidung von Treib­hausgasen; „Social“ bezieht sich auf die Mitarbeiter, den Arbeitsschutz oder eine Diversität im Unternehmen; „Governance“ beschreibt die nachhaltige Unternehmensführung, die in Steuerungs- oder Kontrollprozessen determiniert ist. In all diesen Bereichen wird eine nachhaltige Aufstellung des Unternehmens erwartet. Geldgeber legen dies immer häufiger als Ausschlusskriterium einer Investition fest. Das bedeutet: Kann ein Krisenunternehmen das nicht vorweisen, kann es schwierig werden, einen Investor zu finden. Unternehmen müssen sich 2022 und darüber hinaus nicht nur technologisch transformieren, sondern auch in den gelebten Unternehmenswerten.

(3) Finanzierung mit Fokus auf Refinanzierung der KfW-Kredite

Auch dem zentralen Thema Unternehmensfinanzierung gebürt ein Platz in den Top 5-Themen für das kommende Jahr. Das Sonderprogramm der staatlichen KfW-Bank für Corona-notleidende Unternehmen soll bis Ende März 2022 verlängert werden. Doch viele Finanzverantwortliche werden sich 2022 mit der Refinanzierung der KfW-Kredite beschäftigen müssen. Zu prüfen ist dabei, ob eine Restrukturierung des bestehenden Kredits möglich ist. Falls nur eine Refinanzierung durch neuen Kredit möglich ist, müssen die nötigen Sicherheiten von den Unternehmen dann wieder selbst gestellt werden, die staatliche Unterstützung wird entfallen.

Zudem wirft Basel IV seinen Schatten voraus. Das eigentlich unter dem Namen Basel-III geführte Reformpaket (oder auch Basel IV) beinhaltet unter anderem wesentliche Änderungen für Banken in der Bewertung des Kreditrisikos. Ursprünglich war die Reform früher geplant, sie wurde aber aufgrund der Pandemie verschoben. Erste Auswirkungen werden daher ab 2023 erwartet. Die Kreditkosten für Banken werden steigen, was diese an die Kreditnehmer weitergeben werden. Finanzrestrukturierungen werden dann voraussichtlich schneller zu Lösungen führen müssen, oder die Finanzierer werden die Forderungen höchstwahrscheinlich rascher weiter veräußern, da der Faktor Zeit bei der Restrukturierung für die Kosten der Finanzierer relevant wird. Dies ist schon für das Jahr 2022 wichtig, denn Annahmen über den Ausgang von im Jahr 2023 anstehenden Refinanzierungsgesprächen werden entsprechend restriktiver zu bewerten sein. Das gilt besonders, wenn die Restrukturierungsphase für ein Unternehmen längere Zeit benötigt oder eine Rückführung über einen längeren Zeitraum vorgesehen ist.

(4) Finanzrestrukturierung durch präventives Restrukturierungsverfahren (StaRUG)

Auf der Agenda für das neue Jahr stehen weiterhin die neuen Restrukturierungsmöglichen. Seit Jahresbeginn gibt es das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG), der die präventive Sanierung erleichtern soll. Er ermöglicht Krisenunternehmen eine Restrukturierung ohne Insolvenzverfahren und bietet damit vielversprechende Perspektiven. Diese sollten bei der Restrukturierung als Plan B geprüft werden. Eine Sanierung im präventiven Verfahren ist sinnvoll, wenn Unternehmen damit rechnen, dass die einbezogenen Gläubiger dem erforderlichen Restrukturierungsplan zustimmen. Dabei ist eine Mehrheit von 75 Prozent in jeder Gläubigergruppe nötig. Durch solch einen Mehrheitsbeschluss können einzelne Gläubiger überstimmt und deren Blockaden vermieden werden. In der Praxis eignet sich diese Art der Restrukturierung besonders für Gesellschaften, die frühzeitig eine herannahende Krise erkennen und sich außerhalb eines regulären Insolvenzverfahrens sanieren wollen. Da ein Eingriff in bestehende Vertragsverhältnisse beim StaRUG nicht möglich ist, ist das Verfahren vor allem für Unternehmen mit einer hohen Verschuldung relevant, die die Passivseite ihrer Bilanz restrukturieren wollen. Für kleine und mittlere Unternehmen oder für die Restrukturierung einer Vielzahl von Kleingläubigern und Lieferanten ist das Verfahren jedoch weniger geeignet.

(5) Eigenverwaltung für Strukturanpassungen

Als Nummer 5, die bei Sanierungsexperten im kommenden Jahr auf der Agenda steht, ist die Sanierung in Eigenverwaltung zu nennen. Die Zahl der Insolvenzen war 2021 geringer als von vielen Experten erwartet, aber 2022 dürfte die Zahl steigen – und die Option der Eigenverwaltung sollte in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage als passender Plan C ins Kalkül gezogen werden. Wenn keine Besserung in Sicht ist und eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten ist, ist die Geschäftsführung sogar verpflichtet, schnellstmöglich einen Insolvenzantrag zu stellen, um sich nicht haftbar oder sogar strafbar zu machen. Bei einem Verfahren in Eigenverwaltung bleibt die Geschäftsführung im Amt und kann das Unternehmen selbst durch das Verfahren führen. Zusammen mit erfahrenen Restrukturierungsexperten lassen sich Sanierungsmaßnahmen planen und umsetzen sowie umfassende Kapazitätsanpassungen vornehmen. Das Unternehmen kann sich wieder zukunftsfähig ausrichten. Der Zugang zur Eigenverwaltung wurde Anfang 2021 strenger reglementiert, was auch aus Sicht der Gläubiger positiv zu bewerten ist. Hervorzuheben ist die Anforderung, dass bereits die ersten sechs Monate des Verfahrens geplant und finanzierbar sein müssen. Das Verfahren wurde mit den strengeren Voraussetzungen und Auslegungen zwar komplexer, aber das hat das Vertrauen in Eigenverwaltungsverfahren gestärkt. Seit 2012 ist dieses Sanierungsverfahren ein gutes Mittel, Unternehmen frühzeitig zu unterstützen und durch Krisen zu begleiten.

maximilian.pluta@pluta.net

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