Einleitung
Seit Monaten befinden sich viele Unternehmen in ständiger Krisenstimmung. Lieferkettenprobleme, steigende Rohstoff- und Energiekosten, und die Stimmung der Verbraucher trübt sich ebenfalls ein, der Konsumklimaindex sinkt seit Monaten. Zahlreiche Unternehmen suchen daher externe Hilfe – verbunden mit dem Wunsch, Restrukturierungen ohne den Stempel „Insolvenz“ durchzuführen. Es gibt dafür vielfältige Möglichkeiten. Aber auch ein Insolvenzverfahren bietet Werkzeuge zur nachhaltigen Aufstellung eines Unternehmens.
Welche Voraussetzungen für eine vorinsolvenzliche Sanierung gegeben sein müssen und warum der Insolvenzplan oftmals die Weichen richtig stellt und einen Ausweg aus scheinbar unlösbaren Situationen bieten kann, soll der folgende Beitrag genauer erläutern.
Die Preise für Rohmaterialien, Fertig- sowie Halbfertigprodukte sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, und die Verfügbarkeit ist zum Teil eingeschränkt. Zudem erhöhten sich die Preise für Strom und Gas. Die Folge für einige Betriebe: Aufträge müssten neu kalkuliert werden, aber nicht alles kann immer uneingeschränkt weiterberechnet werden. Laufende Kosten und Investitionen fallen weiter an. Dies kann schnell dazu führen, dass Unternehmen in Liquiditätsprobleme geraten. Wichtig für die Verantwortlichen sind daher eine genaue Analyse der Kosten- und Umsatzsituation sowie eine fundierte Ermittlung der aktuellen sowie eine Prognose der künftigen Liquidität.
Für die derzeitige Situation, in der die Entwicklungen nicht immer vorhersehbar sind, ist schnelles Handeln ein wichtiger Erfolgsfaktor. Die Erfahrung zeigt, dass fremdgeführte Unternehmen hier meist schneller handeln, da bei den Verantwortlichen das eigene Haftungsrisiko stärker im Bewusstsein verankert und die Bereitschaft, es persönlich zu tragen, geringer ist. Den Schritt zum externen Sanierungsexperten für das seit Generationen familiengeführte Unternehmen scheuen Geschäftsführer erfahrungsgemäß zu lange – zumeist aus emotionalen Gründen, was jedoch unbegründet ist. Konstruktive Lösungsansätze sind vielfältig vorhanden und mit größerem Erfolg umzusetzen, wenn das Unternehmen nicht zu spät reagiert.
Nach der der Ermittlung und Umsetzung finanzieller und organisatorischer Maßnahmen (Implementierung Controlling, Austerität, Entlassungen, Haushaltssperre, Konsolidierung, Kostensenkung, Moratorium, Outsourcing, Sanierung, Schuldenerlass, Stundung, Umschuldung, Geschäftsmodelländerung, Geschäftsprozessoptimierung, Lean Management etc.) sind oftmals Verhandlungen mit den wichtigen Gläubigern zu führen. Die Herausforderung besteht darin, dass die Geschäftsführung konsensuale Entscheidungen mit verschiedenen Anspruchsgruppen, die wiederum ihre eigenen – nicht immer homogenen – Ziele verfolgen, erzielen muss. Die Gesetzgebung hat den Bedarf für solche Situationen erkannt und weitergehende Möglichkeiten für Unternehmen gesetzlich verankert. Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) hat die Bundesregierung das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) eingeführt.
Die präventive Restrukturierung mit oder ohne Gericht
Mit diesem Gesetz wird eine präventive Restrukturierung von Krisenunternehmen möglich. Eine Sanierung kann mit erweiterten Möglichkeiten ohne öffentliche Aufmerksamkeit erfolgen. Das Unternehmen kann die Restrukturierung nach dem StaRUG in Eigenregie umsetzen. Oftmals ist es aus Gründen der Haftungsvermeidung der Organe sinnvoll, diese um die Person eines Insolvenzspezialisten zu ergänzen (sogenannter Chief Restructuring Officer – CRO). Das Management initiiert aber die Restrukturierung und lenkt den Prozess.
Das „Kernelement“ der Restrukturierung nach dem StaRUG ist der Restrukturierungsplan, der sämtliche Maßnahmen und Beiträge, die zum Erreichen des Sanierungsziels erforderlich sind, zusammenfasst. Anders als das Insolvenzverfahren betrifft der Restrukturierungsplan jedoch nicht sämtliche Gläubiger. Es ist möglich, eine Auswahl zu treffen und nur bestimmte Gläubigergruppen (Kreditinstitute, Lieferanten oder Anteilseigner) in den Restrukturierungsplan einzubeziehen.
Vor einer Abstimmung der betroffenen Gläubiger über den Restrukturierungsplan wird jedoch der Versuch unternommen, diese konsensual von dem Sanierungskonzept zu überzeugen, und es können Anpassungen an dem Restrukturierungsplan vorgenommen werden. Flankierend werden dem Unternehmen dabei verschiedene Instrumente zur Seite gestellt. Dies sind insbesondere die folgenden:
- Durch eine Stabilisierungsanordnung des Restrukturierungsgerichts kann ein Vollstreckungs- und Verwertungsstopp gegen bestimmte oder alle Gläubiger erwirkt werden, wenn dies zur Wahrung der Sanierungschancen erforderlich ist.
- Durch die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans werden dessen Wirkungen auch auf die Gläubiger erstreckt, die dem Restrukturierungsplan nicht zugestimmt haben.
Abschließend wird den planbetroffenen Gläubigern und Anteilseignern der Restrukturierungsplan zur Abstimmung vorgelegt. Die Abstimmung kann sowohl in einer Versammlung als auch schriftlich erfolgen. Auch kann der Vorgang der Abstimmung in die Hände des Restrukturierungsgerichts oder des Restrukturierungsbeauftragten gelegt werden. Haben dem Restrukturierungsplan nicht sämtliche Gläubiger und Anteilseigner zugestimmt (was der Regelfall sein dürfte), bedarf es noch der Bestätigung des Plans durch das Restrukturierungsgericht, damit die Regelungen des Plans gegenüber allen Planbetroffenen Wirkung entfaltet.
Der Vorteil: Die Konzeption des StaRUG macht es möglich, sehr abgestimmt und flexibel auf die Besonderheiten der Restrukturierung einzugehen. Weiterhin sieht das StaRUG verschiedene Instrumente vor, die sonst vergleichbar nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zur Verfügung stehen. Es bietet sich insbesondere für finanzielle Restrukturierungen an, also beispielsweise für Verhandlungen über Schuldenschnitte. Personalmaßnahmen oder die einseitige Beendigung von Verträgen sind jedoch nicht möglich. Besonders wichtig sind dabei die transparente Kommunikation mit den verschiedenen Gläubigern und der richtige Zeitpunkt. Solche weichen Faktoren entscheiden oft maßgeblich über den Erfolg von Restrukturierungsbemühungen.
Das Insolvenzverfahren: zu Unrecht gefürchtet
Sind Maßnahmen im großen Umfang notwendig oder die Krise weiter fortgeschritten, bleibt die Option der Sanierung im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens. Ein Insolvenzverfahren sorgt heute immer noch bei vielen Unternehmensverantwortlichen für große Unsicherheit. Viele Geschäftsführer fürchten den Stempel und haben Angst vor dem Imageverlust. Sie sorgen sich zudem über den „Kontrollverlust“, wenn der Insolvenzverwalter über Geschäfte entscheidet. Aber: Seit mehr als zehn Jahren gibt es die Möglichkeit, das Verfahren in Eigenverwaltung durchzuführen.
Das Verfahren in Eigenverwaltung ist am wirksamsten, wenn es frühzeitig angemeldet wird. Es hebt sich von dem regulären Verfahren ab, indem die aktuelle Geschäftsleitung weiterhin handlungsfähig bleibt, aber von einem Sanierungsteam mit betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Expertise unterstützt wird. Die Antragstellung ist nur mit einer vollständigen schlüssigen Planung möglich.
Voraussetzung ist, dass bereits die ersten sechs Monate des Verfahrens geplant und finanzierbar sein müssen. Das zuständige Gericht bestellt einen (vorläufigen) Sachwalter, der die Interessen der Gläubiger wahrt, jedoch im Unterschied zum Insolvenzverwalter lediglich Aufsichtspflichten und Rechte wahrnimmt.
Das Sanierungsteam erstellt ein Konzept für die Restrukturierung. Ziel ist dabei, das Unternehmen wieder wettbewerbsfähig aufzustellen. Im Fokus sollte eine leistungswirtschaftliche Sanierung stehen, die den Betrieb ganzheitlich neu organisiert. Dazu gehören beispielsweise verbesserte Produktions- und Vertriebsprozesse, Neuaufstellungen in den Abteilungen oder die Anpassung der Kapazitäten. Viele Beispiele von Unternehmen belegen, dass die Sanierung in Eigenverwaltung sehr gut gelingen kann.
Mit dem Insolvenzplan ans Ziel
Beim Insolvenzplan steht die Einigung mit den vorhandenen Gläubigern im Vordergrund. Er besteht stets aus einem darstellenden und einem gestalterischen Teil.
Der darstellende Teil beschreibt das Ziel des Insolvenzplans und dient der Information der Beteiligten (§ 220 InsO). Er benennt die zu erbringenden Leistungen des Unternehmens sowie anderer Beteiligter, beispielsweise der Gläubiger oder Arbeitnehmer. Anhand einer präzisen Ist-Analyse wird im Rahmen des darstellenden Teils eine solide Planrechnung entwickelt. Ebenso müssen etwaige Alternativen zum Insolvenzplan aufgezeigt werden. Hierbei ist die beabsichtigte Sanierung auch mit den Folgen einer Regelinsolvenz zu vergleichen. Der darstellende Teil soll den Gläubigern letztlich eine Entscheidung über die Zustimmung zum Plan ermöglichen.
Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans wird geregelt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll (§ 221 InsO). Nach § 254 Abs. 1 InsO treten mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans die im gestaltenden Teil festgelegten Regelungen für und gegen alle Beteiligten ein. Dies gilt auch für Insolvenzgläubiger, die ihre Forderung nicht angemeldet haben, oder für Beteiligte, die dem Insolvenzplan widersprochen haben (§ 254b InsO).
In der Praxis wird der Insolvenzplan sehr selten eingesetzt, wie Statistiken zeigen. Zu Unrecht. Der Insolvenzplan kann sehr aufwendig sein, da viele rechtliche und tatsächliche Umstände berücksichtigt und dokumentiert werden müssen. Hinzu kommt, dass das Gericht hier stärker mitwirken muss, was weiteren Aufwand bedeutet.
Jedoch überwiegen die Pluspunkte. Der Vorteil einer Insolvenzplanlösung in einem Verfahren besteht darin, dass der Rechtsträger des insolventen Unternehmens auch in Zukunft erhalten werden kann. Wichtige Verträge und Genehmigungen bleiben damit weiter bestehen, so dass beispielsweise öffentliche Ausschreibungen nicht nochmals durchgeführt werden müssen oder generell vorteilhafte Konditionen erhalten bleiben. In der Umsetzung bieten sich für den Verwalter noch weitere Möglichkeiten, die vorteilhaft sein können. Gläubiger können durch die Gruppenbildung so gebündelt werden, dass ein „Querstellen“ einzelner Gläubiger nicht möglich ist. Das „große Ganze“ ist im Insolvenzplan regelbar, wie ein Debt-Equity-Swap, oder auch nur Details, wie die Forderungsprüfung. Zusammenfassend bietet der Insolvenzplan vielfältige Chancen, die eine sehr hohe Quote für die Gläubiger und den Erhalt des Unternehmens möglich machen.
Fazit
Es gibt viele Möglichkeiten, Unternehmen zu restrukturieren – auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Wenn aber Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vorliegen, ist ein Insolvenzantrag unerlässlich. Ein Verfahren in Eigenverwaltung bietet dem Unternehmen die Chance, rechtzeitig und nachhaltig auf veränderte Situationen zu reagieren. Dem Betrieb wird durch gezielte Maßnahmen eine Neuaufstellung ermöglicht, gleichzeitig bleibt das Know-how der Geschäftsführung greifbar. Dies kann in manchen Traditionsbetrieben äußerst wichtig sein und darf nicht unterschätzt werden. Die bestmögliche Lösung in einem Verfahren kann auch ein Insolvenzplan sein, wenn der Rechtsträger erhalten bleiben soll oder einzelne Gläubiger rücksichtslos ihre Rechte durchsetzen wollen. Dabei darf aber kein Gläubiger schlechter gestellt werden. Und die Erfahrung zeigt, dass die Gläubiger in solchen Verfahren meist eine deutlich höhere Quote bekommen.